Corona-NachrufeDie Erinnerung daran, wie er ihr das Schwimmen beigebracht hatte

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Wolter

Peter Wolter starb mit 80 Jahren an Corona.

  • 80.000 Menschen sind in Deutschland an Covid19 gestorben. 600 von ihnen allein in Köln. Am Wochenende wird ihrer in einem staatlichen Trauerakt gedacht.
  • Hinter den Zahlen und Statistiken stehen Menschen, die Lücken gerissen haben in ihren Familien und Trauernde, die bis heute quält, dass ihre Liebsten einsam sterben mussten.
  • Wir geben einigen von ihnen stellvertretend ein Gesicht und erzählen ihre Geschichte.

Köln – Peter Wolter, dessen Markenzeichen ein Hut im Stil von Leonard-Cohen war, konnte eine ganz besondere Auszeichnung sein eigen nennen: An seinem 50. Geburtstag verliehen ihm seine Freunde in Bayern offiziell die bayerische Staatsbürgerschaft. Mit Urkunde, Brief und Siegel. Für ihn, den Rheinländer und „Zuagroastn“ war das eine große Ehre.

Der temperamentvolle KFZ-Meister und Sportschütze hatte ein Talent für Dialekte. Und auch das Ruppige und Raue konnte er problemlos in seine Persönlichkeit integrieren. Aber im Herzen blieb er immer Rheinländer, sagt seine Tochter Petra Schäfer über den Vater, den es der Liebe wegen einst ins Bayernland gezogen hat. „Die weiche, humorvolle Seite, die kam immer dann sofort durch, wenn er im Rheinland war.“

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Jeden Sommer zog es ihn in die Voreifel auf den Bauernhof seines Kinderfreundes Gerhard, mit dem er dann Traktoren reparierte und sich lachend rheinische Schimpfworte an den Kopf warf. Als seine Kräfte allmählich schwanden und seine Frau verstorben war, holte die Tochter ihn 2018 wegen seiner Alzheimer-Erkrankung zurück in die rheinische Heimat in ein Pflegeheim, das sie für ihn ausgesucht hatte. Ihn intensiv auf dem letzten Wegabschnitt zu begleiten, war das, was Schäfer, die als Hebamme seit 30 Jahren den Anfang des Lebens begleitet, sich wünschte.

„Wir dachten, das Schlimmste ist vorbei"

Dann kam Corona, die schwere Zeit mit Besuchsverboten. „Wir dachten aber, das Schlimmste ist vorbei.“ Die erste Impfung im Pflegeheim war gerade gelaufen. Und dann – das rettende Ufer längst in Sicht – Ende Februar doch noch ein großer Covid-Ausbruch im Pflegeheim. Statt Nähe und Zuwendung nun Distanz und Quarantäne.

Als der Tod sich ankündigte, hätte sie im präfinalen Stadium noch einmal zu ihm gedurft. Aber der Tod kam schneller als die Entscheidung im Hadern um die Aussetzung der Ansteckungsgefahr.

Was bleibt: Erinnerung an das gemeinsame Pilzesuchen

Petra Schäfers Schatz ist das Gespräch, das sie mit ihrem Vater bei ihrem letzten Besuch vor der Corona-Diagnose führte. „Keiner von uns wusste ja, dass es ein Abschiedsgespräch war, aber so fühlte es sich an.“ Es ging um das Sterben und die Traurigkeit, die den 80-jährigen Vater in den Momenten überfiel, wenn ihm sein eigener geistiger Verfall bewusst wurde.

Petra Schäfer hat ihn im Arm gehalten und ihm gedankt für all die schönen Momente und das Kostbare, das bleibt: Das gemeinsame Pilzesuchen im Wald und vor allem die gemeinsame Liebe zum Wasser. Die Erinnerung daran, wie er ihr das Schwimmen beigebracht hat.

Dass der Abschied wegen Corona so ganz anders war als ersehnt, das ist eine Bürde, die allen drei Töchtern zu schaffen macht. Um so wertvoller war für sie, einen Bestatter zu finden, der – anders als viele andere - trotz Corona eine Verabschiedung am offenen Sarg möglich machte. Der dafür sorgte, dass es eben nicht einer der vielen in den Medien zu sehenden Särge war, auf denen in großen Lettern „Covid“ stand - wie ein Stigma. Dass es so ihr Vater blieb und nicht der infektiöse Covid-Tote, der möglichst schnell entsorgt werden muss. Bestatter David Roth überzeugte sie, dass von dem Verstorbenen, der in Ruhe liegt und nicht mehr bewegt wird, keine Ansteckungsgefahr ausgeht. Mehrere Tage hintereinander hat sie ihn dann noch besucht, den Mann mit dem Leonard-Cohen-Hut. Verharrte lange an seiner Seite. Brachte schließlich auch ihren 16-jährigen Sohn Jakob und ihre Schwester Katharina mit. Gemeinsam bemalten sie den Sarginnendeckel. Dabei sei die Stimmung fröhlich und leicht gewesen, erzählt sie. „Das hat unheimlich gut getan. Ich bin froh, dass wir den Mut gehabt haben.“

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