Der Köln-Marathon rechnet mit 36.000 Anmeldungen, der ASV erfindet den Brückenlauf neu. Die Laufszene in Köln boomt – und wird immer jünger.
Jung, urban und weiblichDer neue Lauf-Boom in Köln – „Die Leute rennen uns die Bude ein“

Ganz schön voll: Der Köln-Marathon boomt. Die Organisatoren rechnen in diesem Jahr über alle Wettbewerbe mit 36.000 Anmeldungen.
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Es ist noch gar nicht lange her, da waren die Macher des Köln-Marathons heilfroh, nach zwei Ausfall-Jahren gerade noch aus dem Corona-Loch zu gekrabbelt zu sein. Und das auch nur, weil die Sponsoren bei der Stange blieben. Der Neustart im Oktober 2022 endete mit zufriedenen Gesichtern. Rund 2800 Marathonläufer im Ziel am Dom – plus 7500 Teilnehmer beim Halbmarathon. „Damals haben wir gedacht, okay, wahrscheinlich werden wir gemeinsam jetzt mit unseren Teilnehmern alt“, sagt Jan Broniecki, Sprecher der Ausdauersport GmbH.
Von wegen. Alle 20.000 Halbmarathon-Startplätze für die 27. Auflage am 5. Oktober sind längst ausverkauft. Mehr passen nicht auf die Strecke. Beim Marathon rechnet Broniecki mit 11.000 Anmeldungen. „In der Summe werden wir 36.000 Meldungen haben. Mit den Staffeln und dem Kinderlauf. Das hat es noch nie gegeben“, sagt Broniecki. „Die Leute rennen uns die Bude ein.“
Wer einen der letzten 100 Startplätze für die Halbdistanz ergattern will, muss schnell sein und tief in die Tasche greifen. Sie werden am 6. August um 11.11 Uhr auf der Internetseite freigeschaltet. Zum Preis von 200 Euro. Der Erlös geht ohne Abzüge an wohltätige Zwecke.
Halbmarathon-Start zieht sich über eine Stunde hin
Um diese Massen zu bewältigen, müssen die Organisatoren ausbauen. Der Start des Halbmarathons am Deutzer Bahnhof wird um eine halbe Stunde auf 8.30 Uhr vorgezogen und sich in fünf Wellen über eine Stunde hinziehen. „Wir werden alle Teilnehmer vorab über ihren Startblock informieren, damit die Wartezeit möglichst kurz bleibt und nicht alle auf einmal kommen.“ Der Marathon und die Staffeln gehen um zehn Uhr auf die Reise. Der Zielbereich auf der Komödienstraße muss in diesem Jahr nochmal erweitert werden. Bei mehr als 30.000 Kleiderbeuteln geht das nicht anders.
Erstaunlich, unerwartet, phänomenal. Das sind Begriffe, die immer wieder fallen, um den Lauf-Boom zu beschreiben, der nicht nur in Köln ausgebrochen hat. „Es ist äußerst spannend, das zu beobachten“, sagt Broniecki. „In den Pandemie-Jahren haben die Leute offenbar das Laufen entdeckt, weil die Fitnessstudios zu waren.“ Ähnliche Effekte stelle man auch beim Köln-Triathlon und beim Radsport fest. „Der Laufsport wird jünger – und weiblicher.“
Begeisterung getrieben durch Social- Media-Kanäle
Aber warum? Woher rührt diese Begeisterung? Norbert Hensen, Sportmarketing-Experte und einer der Betreiber des Internetportals laufen.de, beschäftigt diese Frage schon länger. „Das ist ein Trend, ein Lifestyle, auf den vor allem junge Leute in großen Städten abfahren, getrieben durch die Social-Media-Kanäle. Es gibt wahnsinnig viele Communitys. Heute trifft man sich freitagabends, geht erst eine Runde laufen und danach in den Pub. Und postet alles auf Instagram. Leute, die vor fünf Jahren noch 7000 Follower haben, die haben heute 70.000. Das sind nicht alles Influencer, sondern private Nutzer, die damit andere Menschen begeistern.“
Über deren Motivation könne man nur spekulieren. „Das gestiegene Gesundheitsbewusstsein spielt eine Rolle, soziale Aspekte sicherlich auch. Ich frage mich immer, woher sie die Kohle haben, um 70, 80 oder 90 Euro für einen Halbmarathon-Startplatz auszugeben. Aber anscheinend ist ihnen das wichtig genug.“
Die Laufklassiker, die von Vereinen mit Start und Ziel auf einem Sportplatz und viel ehrenamtlichen Engagement organisiert werden, würden von diesem Trend kaum profitieren. Das sei nicht urban, nicht attraktiv, habe für junge Menschen keinen großen Erlebnisfaktor.
Laut Hensen können Laufveranstalter momentan nicht viel falsch machen, um erfolgreich zu sein. „Man muss die Veranstaltungen nur richtig organisieren. Was wirklich boomt, ist der Halbmarathon. Und der Marathon zieht erstaunlicherweise nach.“

Ein Klassiker wird aufpoliert: Der ASV Köln stellt den Brückenlauf mit einem Halbmarathon auf neue sportliche Beine.
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Beim ASV Köln hat man die Zeichen der Zeit erkannt und den Brückenlauf-Klassiker am 14. September bei der 43. Ausgabe auf neue Füße gestellt, um den Abwärtstrend der vergangenen Jahre zu stoppen. „Wir versuchen, neu zu denken und aus einem Traditionslauf, der zwar schön ist und über viele Brücken geht, etwas sportlich Attraktives zu machen. Wir müssen uns anpassen, professioneller werden“, sagt Geschäftsführer Alexander Mronz. Das neue Herz der Veranstaltung wird ein Halbmarathon sein, der über sieben Brücken und auf beiden Seiten am gesamten Stadtpanorama vorbei entlang des Rheins führt. Mal links, mal rechts, mit vier Überquerungen des Stroms über die Rodenkirchener, die Deutzer, die Zoo- und die Hohenzollernbrücke.
ASV erfindet den Brückenlauf neu
Hinzu kommt ein kölscher Spaß-Lauf über 11,11 Kilometer – für alle, die sich den Halbmarathon noch nicht zutrauen. „Wir mussten einfach umdenken und mehr Leute ansprechen“, sagt Hanna Meller, die sich beim ASV um das Marketing kümmert. „Die alten Strecken von 5,5 und 16,6 Kilometer waren nichtssagend, die eine zu kurz, die andere zu lang.“ Man wolle den Brückenlauf mit seiner Tradition für die neue Kundschaft attraktiv machen. „Die Läuferinnen und Läufer haben sich verändert. Sie sind jünger, sehen anders aus, sind immer mehr weiblich. Deshalb die andere Ansprache, neue Strecken, andere Distanzen.“ Der Spätsommer-Termin sei ideal, die Strecke mit dem Panorama einmalig.
Rund 2500 Anmeldungen hat der ASV Köln bisher erhalten, die meisten davon kämen über die App auf die „Eventseite“ im Internetauftritt des Klubs, die meisten aus der Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen. Knapp 50 Prozent davon sind Frauen. Geschäftsführer Alexander Mronz ist vorsichtig optimistisch, dass die Zielmarke von 5000 bis zum 14. September erreicht wird.
Bei den Startgebühren habe man sich bewusst am unteren Ende der Skala orientiert. Aus seiner Sicht wäre es ideal, wenn sich 60 Prozent für den Halbmarathon entschieden. „Das muss unser neuer Hauptlauf werden. Professionell organisiert und bestenlistenfähig.“ Der Start am Schokoladenmuseum wird wie beim großen Bruder, dem Köln-Marathon, in Wellen erfolgen, nach Zielzeiten gestaffelt. Der Name der Veranstaltung hat sich auch geändert: Brückenlauf Halbmarathon des ASV Köln. Dass es der Dreiundvierzigste ist, wird dezent verschwiegen.
Die Stammkunden, die sich noch an die Zeiten erinnern können, als am Start auf der Breite Straße in den ersten Reihen nur Männer standen, wissen das sowieso. Doch eines dürfte sie überraschen: 2025 wird es beim Brückenlauf-Halbmarathon im Ziel erstmals eine Medaille geben. Aus Metall – nicht aus Holz, wie beim Köln-Marathon. Das dürfte sie versöhnlich stimmen. Am Start zwischen all den jungen Leuten, die im Zweifel deutlich schneller sein dürften.