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Fernsehpreis
Warum sich Köln wieder als TV-Hauptstadt begreifen kann

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5 min
Köln: Moderatorin Barbara Schöneberger singt bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2024 im Coloneum.

Moderatorin Barbara Schöneberger, hier bei der TV-Gala des deutschen Fernsehpreises 2024 im Coloneum, führt auch dieses Jahr durch die Gala.

Der Glamour einer Medienmetropole ist in Köln schon seit einer Weile ermattet. Warum jetzt eine Chance zu neuer Stärke und Wirtschaftskraft entsteht.

Ein Image hat Köln als Medienstadt nach wie vor, aber das Bild ist in den vergangenen Jahren unscharf geworden. Das Privatfernsehen geriet unter Druck, internationale Streamer ließen sich lieber woanders nieder. Doch in der Krise bekommt Köln jetzt eine neue Chance.

Am Dienstagabend sind die besten Kreativen in TV und Streaming mit dem Deutschen Fernsehpreis geehrt worden. Die wichtigste Auszeichnung der Branche, seit 1999 in Köln etabliert, wird zum dritten Mal an zwei Abenden vergeben. Zunächst werden die Gewerke, also Regie, Buch, Kamera oder Musik, bei einem gesetzten Dinner in der Flora gewürdigt. Am Mittwochabend folgt dann die große TV-Gala im Coloneum, wo die besten Produktionen und OnAir-Stars ausgezeichnet werden. Zu sehen gibt es das im ZDF. An Tagen wie diesen ist Köln Nabel der deutschen Fernsehwelt, das unter TV-Leuten geliebte Savoy Hotel füllt sich wie von selbst mit Menschen der Branche. Ist das Event vorbei, wenden sich die Blicke aber wieder ab. TV-Hauptstadt am Rhein?

Plädoyers für den Standort fehlten bis vor kurzem. Die Stadt Köln nahm eine ihrer prägendsten Branchen mit ihren kreativen Köpfen, Künstlerinnen und Künstlern, Produktionsfirmen, technischen Dienstleistern und den Sendern als gegeben hin. Politisch scheinbar nicht relevant, kaum gefördert, mit wenig Augenmerk von der Stadtführung. Das Medienforum NRW, einst bundesweit beachteter Branchengipfel in Köln, wurde 2014 begraben. Lauteste Stimme für Köln als Medienstandort war die langjährige, ehemalige Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, Petra Müller. Sie holte vor drei Jahren mit Unterstützung der Landesregierung das Seriencamp, das größte Serienfestival Deutschlands, von München nach Köln.

Umzug der Film- und Medienstiftung ist bedeutsam

Im selben Jahr etablierte die Produktionsallianz ihren neuen Deutschen Entertainment Award am Rhein, in zeitlicher Nähe zur ANGA COM, einer lange in Köln etablierten, europaweit führenden Messe für Breitband, Fernsehen und Online mit mehr als 20.000 Fachbesucherinnen und -besuchern. Entwicklungen, die auch die Stadt Köln bemerkte: Oberbürgermeisterin Henriette Reker entdeckte in ihren letzten Amtsjahren den Wert der ansässigen Medienwirtschaft neu. Plötzlich grüßte die „Medienstadt Köln“ auf den Citylights im Stadtbild die Besucherinnen und Besucher des Deutschen Fernsehpreises. 

Das neue Gewicht zeigt sich auch am Umzug der bislang in Düsseldorf ansässigen Film- und Medienstiftung NRW. Die feierte am Montagabend Einweihungsfeier im Gaffel am Dom. Auf Initiative des neuen Geschäftsführers Walid Nackschbandi und mit Unterstützung der Stadt Köln sitzt die Stiftung nun ein paar Etagen darüber im Deichmannhaus direkt am Hauptbahnhof. Gefeiert wurde mit 300 geladenen Gästen. Ein Warm-up für den Deutschen Fernsehpreis, bei dem sich neben den Sendern inzwischen auch diverse Streamingdienste engagieren. Diese drängten zuletzt darauf, Köln als Standort der Preisverleihung infrage zu stellen. Ein weiterer Weckruf für Köln. Es wäre gerade jetzt, wo die Karten im Markt neu gemischt werden und Köln sich wieder als TV-Hauptstadt begreifen könnte, ein fatales Signal.

In diesem Jahr ordnet sich der deutsche Fernsehmarkt schneller als erwartet neu

Als Netflix und Amazon mit Prime Video vor gut zehn Jahren nach Deutschland kamen, machten sie einen Bogen um Köln. Netflix siedelte sich in Berlin an, Prime Video in München. Auch Paramount, Disney, AppleTV+ und das 2026 startende HBO Max zogen Spree und Isar dem Rhein vor. Doch in diesem Jahr ordnet sich der deutsche Fernsehmarkt schneller als erwartet neu, erlebt die größten Veränderungen seit mehr als 20 Jahren: ProSiebenSat.1 wird übernommen von MediaForEurope und der Standort Unterföhring, im Norden Münchens, zur Filiale von Berlusconis paneuropäischem TV-Konzern. Nur wenige hundert Meter weiter sitzt Sky Deutschland, ein Unternehmen, das wiederum vor der Übernahme durch RTL Deutschland steht. Damit will der Kölner TV-Konzern seine Position insbesondere im Streaming stärken, wo man mit RTL+ unterwegs ist.

Vorbehaltlich der Zustimmung europäischer Wettbewerbshüter entsteht dabei der größte kommerzielle Herausforderer der internationalen Streamingdienste in Deutschland - und das in Köln. Dort, wo sich gerade auch die Schwarz-Gruppe (Lidl) in einem ungewöhnlichen Deal maßgeblich am Sport-Streamingdienst Dyn beteiligt hat und die Münchener Bavaria Studios die früher u.a. von der „Lindenstraße“ genutzten Studio-Flächen in Bocklemünd bespielt. Ansässig in Köln ist auch einer der fünf Produktionsriesen in Deutschland: Banijay Germany. Drei weitere, die zwar ihren Sitz in München haben, sind ebenfalls in Köln aktiv: Beta, Leonine und Bavaria Film.

Auf dem Produktionsmarkt kommt es zwischen Kostendruck und Auftragslage auch am Rhein zu einer Konsolidierung, gleichzeitig gründen sich aber gerade einige neue Firmen in Köln: Die Berliner UFA setzt hier auf ein neues Label für Gaming, die Münchener von ProSiebenSat.1 mit Studio Flitz für Creator Content und die neue Produktionsfirma Etti Pictures, mittelbar Teil des Beta-Universums, will sich fiktionalen Projekten widmen. Und dann sitzt vor den Toren Kölns auch noch die Deutsche Telekom, die mit ihrem TV-Angebot Magenta TV seit 2022 zum Stifterkreis des Deutschen Fernsehpreises gehört - und in diesem Jahr erstmals federführend ist.

Die Branche hat in diesen Tagen viel zu diskutieren beim Klassentreffen in Köln und klar ist: Wenn man sich zum nächsten Deutschen Fernsehpreis trifft, wird die Fernsehwelt in Deutschland anders aussehen. Gerade scheint es, als würde Köln im ewigen Duell der beiden wichtigsten Standorte der TV-Branche die aktuelle Runde gewinnen. Die neue Führung der Stadt sollte dann hinschauen und erkennen, welchen Stellenwert die Kreativbranche für die Region hat.


Thomas Lückerath ist Gründer und Chefredakteur des Medienmagazins DWDL.de.