Deutschlands ältester CampingplatzNostalgie an der Rodenkirchener Riviera

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Berger Nachwuchs

Camping-Idylle in den 60er Jahren

  • Camping war in der Pandemiezeit ein großes Thema: Weil man nicht wegfliegen konnte und sogar in Hotels in Deutschland nicht überall unterkam, rückte der Campingurlaub in den Focus.
  • Die Verkaufszahlen von teuren Wohnmobilen schossen in die Höhe. Menschen, die zuvor nie ans Campen gedacht hatten, deckten sich mit Ausrüstung ein.
  • Wir haben bei Camping Berger in Köln-Rodenkirchen, dem ältesten Campingplatz Deutschlands, nachgefragt, wie sich der Boom ausgewirkt hat.

Köln – Stromkilometer 681, 10 Uhr morgens. Es herrscht Hochbetrieb in der Einfahrt zum Campingplatz Berger in Rodenkirchen. Gespanne fahren hinaus, neue Mieter melden sich an der Rezeption und werden eingewiesen. 300 Stellplätze gibt es hier an der „Rodenkirchener Riviera“, 125 davon sind von Dauercampern belegt.

Ist hier der in der Pandemie oft beschriebene Camping-Boom angekommen? Wird der Platz gestürmt von Neulingen, die sich vom Fliegen verabschiedet haben und nun lieber mit der eigenen Unterkunft herumfahren? Parken hier Riesen-Luxuswohnmobile mit integriertem Autostellplatz? Sieht man hier einen Hauch von James-Bond-Ausrüstung? Fehlanzeige.

Berger Familie

Susanne und Bernhard Berger mit Sohn Benedikt.

„Für Fahrzeuge mit zehn Meter Länge oder mehr ist unser Platz gar nicht ausgelegt“, sagt Bernhard Berger (56), in dritter Generation Chef auf dem ältesten Campingplatz Deutschlands, gegründet 1931. Es gibt zwar ein paar XXL-Stellflächen, aber auch da stehen keine Fahrzeuge zum Staunen.

Berger Shauna

Shauna und Glenn aus Dublin

Stattdessen findet man zum Beispiel das kleine Wohnmobil von Shauna (27) und Glenn (30) aus Dublin, die auf zweiwöchiger Europa-Tour sind. Auf ihrem Gefährt, das sie gerade von einem Kumpel gekauft haben, ist eine Affe aufgesprüht und die Vornamen des Paares. Eine Camping-App hat sie auf den Kölner Platz geführt. „Was kann man hier machen?“, fragen sie. „Der Rhein ist schonmal toll.“ Und der etwas verschlafene Glenn sagt: „Fürs Foto räume ich erstmal auf.“

Alter VW-Bus statt und ein bisschen Pippi Langstrumpf

Gleich um die Ecke steht ein 40 Jahre alter VW-Bus. „Eine Augenweide“, sagt Bernhard Berger. Und gegenüber sieht es ein bisschen aus wie bei Pippi Langstrumpf: bunt und verspielt. Hier wohnt die Familie Schneider aus Siegburg. Die Eltern Sabine und André mit den zehnjährigen Zwillingstöchtern Lou und Mia, die ihre Freundin Sana mitgebracht haben. Und drei Chihuahuas.

Berger Schneider

Familie Schneider mit Chihuahuas

Die Eltern übernachten in einem Wohnwagen Baujahr 1968. „Der ist einfach schön, der bleibt. Und mein Mann kann auch alles reparieren“, sagt Sabine Schneider lachend und ihr Mann grinst. Für die Mädchen gibt es drei Zelte und noch eine kleinen Bus. Geschmückt ist das Ensemble mit einer Lichterkette.

Seit 20 Jahren Gäste bei Camping Berger

„Wir kommen seit 20 Jahren hierher, seit fünf Jahren sind wir Dauercamper. Wir haben schon viele Campingplätze ausprobiert, aber hier ist am schönsten. Wir sind hier alle gute Freunde, die Familie Berger ist sehr nett“, sagt Sabine Schneider, während sie für den Gang an den Rhein-Strand liebevoll ein Riesenbaguette vorbereitet. Die beiden großen Töchter kommen mit den Enkeln am Wochenende dazu. „Und wenn es regnet, dann ist es nicht weit nach Hause.“

Berger Foto Terrasse

Blick von der Terrasse in den 60ern

Berger Jakob+Anneliese Berger Büdchen

Das erste Büdchen von Gründer Jakob Berger

Unter dem Schatten des Vorzeltes sitzen in der ersten Reihe mit Rheinblick Großeltern mit ihren drei Enkeln. „Wir kommen aus dem Raum Soest und holen die Jungs jeden Tag aus Sülz ab, abends geht es für sie zurück nach Hause“, sagt die Großmutter. „Wir sind so etwas wie eine mobile Kita.“ Liebstes Hobby des mittleren Enkels: Mit dem kleinen Fernglas die Namen der vorbeiziehenden Schiffe erkennen und dann in einer App alles Wissenswerte darüber erfahren. 

Besonderes Flair der Rodenkirchener Riviera

Da die Großeltern sehr viel mit dem Wohnmobil unterwegs sind, haben sie vor kurzen mal wieder ein neues Modell mit komplett ausgestatteter Küche gekauft. In Köln sind sie besonders gerne. „Das hat ein ganz besonderes Flair.“

Auch die ersten außereuropäischen Gäste sind wieder da: Aus dem US-Bundesstaat Colorado, berühmt für seine Nationalparks, kommt die Familie Byerly – die Eltern Edith und Geoff mit den Söhnen Jackson und Ben. Zugegebenermaßen hat sich der Ruf von Camping Berger noch nicht bis in die USA herumgesprochen – der Bruder von Jeoff Byerly wohnt in Weiß und hat die Buchung gemacht.

Berger Colorado

Familie Byerly aus Colorado im Biergarten

Aber die Familie ist begeistert. „In Colorado ist das Campen eine eher wilde Sache. Hier ist alles so zivilisiert“, sagt die Mutter. Die Waschräume seien unglaublich sauber und komfortabel. Und dass man mit Rad ganz schnell in der City ist, sei super.

Ende der Corona-Durststrecke

So findet sich auf dem Platz der Bergers wieder eine bunte Mischung an Menschen. „Gottseidank – nach der großen Corona-Durststrecke“, sagt Bernhard Berger. Den in manchen Schlagzeilen vorausgesagten Riesenrun gebe es aber nicht. Die Wochenenden sind ausgebucht, doch im Ganzen sei der Betrieb noch nicht wieder so wie vor der Pandemie. „Das sieht man an den Nummernschildern.“ Viele Deutsche, Dänen, Schweden und Holländer sind da. Italiener und Franzosen fehlen noch. „Aber die kommen immer etwas später im Jahr , vielleicht wird das noch.“

Anfang der Woche sei sogar ein Südkoreaner zu Gast gewesen, der mit Fahrrad und Zelt durch Europa unterwegs ist – also im Prinzip so wie die Camper im Jahr 1931. „Das ist im Grunde so minimalistisch wie früher. Aber die Materialien sind heute einfach viel besser.“ Es regnet nicht mehr durch. Und statt lästigem Stangenmikado gibt es aufblasbare Zelte.

Campen nicht erst seit Corona im Trend

„Das Campen ist schon seit 20 Jahren im Trend, da gab teilweise zweistellige Zuwachsraten. Das lief aber alles ein bisschen unter dem Radar“, sagt Bernhard Berger. Corona habe diese Entwicklung dann in den Fokus gerückt. Kein Wunder, dass es derzeit mehrere TV-Dokuserien über das Campen gibt, in denen jeder Gang in den Waschraum wie ein Abenteuer dokumentiert wird. „Das wird sich irgendwann wieder einpendeln.“

Berger Postkarte

Postkarte aus den 70er Jahren 

Als Großvater Jakob Berger 1931 die ersten Zeltgäste begrüßte, da erfand A. Dethleffs im Allgäu den modernen Wohnwagen. Eine Fügung. Der damals 30-jährige Berger war seit vielen Jahren Verwalter des Bootshauses vom „Arbeiter-Wassersport“ und kam auf die Idee, den Kanufahrern Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten.

Das Bootshaus steht nicht mehr, an der Stelle ist das Hauptgebäude mit Rezeption und Restaurant. Stillstand gibt es nicht. Auch ein kleines Hotel kam hinzu. „Jedes Jahr muss irgendetwas Neues angeboten werden.“ In der Pandemiezeit wurden Küche und das Restaurant generalüberholt. Jetzt sind die Gäste-Spülküchen dran.

Stromkilometer 681 auf den Arm tätowiert

Bernhard Berger und seine Frau Susanne (55) führen den Campingplatz zusammen mit Sohn Benedikt (28). Tochter Verena (26) arbeitet als Bestatterin, hilft aber mit, wann immer sie gebraucht wird. Die beiden Kinder sind quasi auf dem Platz aufgewachsen und haben sich die Stromkilometerzahl 681 sogar auf den Arm tätowieren lassen. Der Campingplatz ist also in vierter Generation gesichert.

Zur Seite stehen den Bergers zwei langjährige Mitarbeiter. Wolfgang Münch, gelernter Elektriker, arbeitet seit 26 Jahr hier, Andreas Flick („wie der Millionär“) seit 30 Jahren. Sie beschneiden die Bäume, damit sie den Oberleitungen nicht ins Gehege kommen, verteilen nach Regenfällen neuen Schotter auf den Wegen, damit die Gespanne nicht in Schlaglöcher geraten. „Was anfällt, wird gemacht. Wird irgendwie immer mehr“, sagt Flick.

Berger Arbeiter

Andreas Flick fährt, Wolfgang Münch schaufelt. 

Wenn die beiden gelegentlich mal mit dem kleinen Bagger oder dem Rasenmäher fahren, ist das schon das lauteste Geräusch auf dem Platz. Es geht hier leger, aber auch geordnet zu. „Männeroberkörper in Schießer-Feinripp-Hemden gibt es hier nicht zu sehen“, sagt Bernhard Berger. Die Dauercamper dürfen keine Holzbauten errichten, höchstens ein Seil um ihren Bereich spannen. „Aber die wollen sich auch nicht abschotten, die lieben den Kontakt mit den internationalen Gästen.“

Ab 23 Uhr herrscht Nachtruhe. „Wir sind hier eine Erholungsfläche und hier sind viele Familien.“ Junggesellenabschieds-Gruppen kommen hier nicht rein – sie werden meistens mit dem Hinweis, dass alles ausgebucht ist, elegant abgewiesen.

Berger Luftaufnahme alt

Luftaufnahme aus den Anfangsjahren

Berger Stromkilometer

Die erste Reihe am Stromkilometer 681

Ausruhen auf ihrer Tradition können sich die Bergers aber nicht. Merchandising wird groß geschrieben. Die Zahl 681 steht nicht nur auf den Armen der Kinder, sondern auf auf Tassen, T-Shirts und sogar auf Teelichtern. Es gibt sogar das „681 Riviera Bier“, ein naturtrübes Dunkles, das in Hürth gebraut wird. Ein Leben für den Urlaub anderer Menschen. Was machen die Bergers, wenn sie selbst mal Urlaub haben? Dann geht es in Holland auf einen Mini-Camping mit nur zwölf Plätzen. „Das Gegenprogramm zu unserem.“

Berger Strand

An der Rodenkirchener Riviera direkt vor dem Campinglatz 

Die Familie aus Colorado radelt in die Stadt. Die Schneiders gehen mit Chihuahuas und Baguettes zum Strand. In der ersten Reihe steht der kleine Junge und schaut mit dem Fernglas auf die Schiffe.

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