Die eigenen Kinder nicht erkanntKölner Polizisten berichten von schweren Radunfällen

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Fahrradunfall gepixelt

Symbolbild

Köln – Vier Radfahrer sind dieses Jahr bei Unfällen in Köln und Leverkusen gestorben, 179 überlebten schwer verletzt. Manche von ihnen müssen seitdem mit einer schweren Behinderung zurechtkommen. Vor allem Kopfverletzungen haben oft gravierende Folgen. „Diese zu verhindern, fordert uns als Gesellschaft“, sagt Polizeipräsident Uwe Jacob . Seine  Behörde hat jetzt die Aktion „Ja zum Helm“ gestartet. 

Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erzählen fünf Polizisten ihre Geschichten. Sie sind als Radfahrer selbst in schwere Unfälle verwickelt worden und haben überlebt – weil sie einen Helm trugen.

Polizisten zu Ja zum Helm

Für sie wurde der Helm zum Lebensretter: Markus Buckan (v.l.), Thomas Hoffmann, Carsten Haberland und Dirk Hammers

Markus Buckan: Zwei Wochen im künstlichen Koma

Markus Buckan fehlt die Erinnerung an 14 Tage seines Lebens. Tage, in denen er in der Kölner Uniklinik im künstlichen Koma gelegen hat, nachdem er im Oktober 2013 in einem Kreisverkehr auf seinem Fahrrad mit einem Auto zusammenstieß. Er schlug auf der Dachkante des Wagens auf und blieb bewusstlos liegen. Buckan war seinerzeit Leiter der Fahrradstaffel der Kölner Polizei.

Seine Angehörigen begrüßte der Arzt auf der Intensivstation mit den Worten: „Ohne Helm wäre er jetzt tot.“ Zwei Wochen lang hätten seine Freunde und Verwandten sich gesorgt, ob er querschnittsgelähmt oder geistig eingeschränkt wieder aufwachen würde, erzählt der Hauptkommissar heute.

Unfallbild

Thomas Hoffmann krachte mit der Hüfte gegen die Fronstscheibe.

Frontal war er mit dem Kopf gegen das Auto gestoßen. „In diesem Teil des Gehirns sitzt das Emotionszentrum“, schildert Buckan. „Als ich wieder wach war, hatte ich über Emotionen keine Kontrolle mehr. Ich habe in den ersten zehn Tagen wegen jeder Kleinigkeit angefangen zu heulen. Meine Geistesreife war nach dem Unfall vergleichbar mit der eines Sechsjährigen. Ich habe unter anderem immer das gesagt, was ich gerade gedacht oder gefühlt habe. Diplomatie war mir völlig fremd.“ Sein Kurzzeitgedächtnis funktionierte nicht mehr. Seine eigenen Kinder erkannte er auf Fotos nicht wieder.

Inzwischen ist Markus Buckan wieder im Dienst und kerngesund. Aufs Rad steigt er auch wieder. 5000 Kilometer spult er pro Jahr ab. Er arbeitet auch wieder im Verkehrsdienst. Als er vor einem Jahr nach einem schweren Unfall in der Uniklinik das Opfer auf der Intensivstation sah, verkabelt und mit ähnlichen Verletzungen wie er selbst seinerzeit, seien sofort die Erinnerungen zurückgekommen, sagt Buckan. Der Mann ist später an den Folgen des Unfalls gestorben.

Carsten Haberland: Mit dem Kopf voran auf den Boden

Carsten Haberland ist aktiver Mountainbiker und in seiner Freizeit viel im Gelände unterwegs – so auch 2014 im Bikepark in Bad Hindelang. Als er in einer Abfahrt die Kontrolle über sein Rad verliert, stürzt er über den Lenker und prallt mit dem Kopf voran auf dem Boden auf.

Auch Haberland ist überzeugt: Sein Helm hat ihm das Leben gerettet oder ihn vor schweren Folgeschäden bewahrt – wie schon 1994, als er  am Gardasee  schon einmal ähnlich schwer gestürzt war.  Das Video seiner GoPro-Kamera, die in Bad Hindelang am Helm befestigt war, besitzt Haberland heute noch. Darauf sind die Abfahrt und der Sturz dokumentiert.

Thomas Hoffmann: Mit dem Kopf gegen die Dachkante

Thomas Hoffmann ist 2009 mit seinem Fahrrad in Deutz unterwegs, als ihn ein entgegen kommendes Auto beim Abbiegen anfährt. Hoffmann kracht mit der Hüfte in die Windschutzscheibe, sein Kopf prallt gegen die Dachkante, und er rutscht über die Motorhaube zurück auf die Straße. Dort schlägt er ein zweites Mal mit dem Kopf auf.

Neurologie

Markus Buckan lag  zwei Wochen im künstlichen Koma.

Sein Helm ist an mehreren Stellen gebrochen. Der Kopf des Polizisten, der heute auf der Wache in Rodenkirchen arbeitet, bleibt unversehrt. Den Helm verwenden seine Kollegen von der Verkehrsunfallprävention bis heute, um bei Aktionen mit Radfahrern Werbung für das Tragen eines Helms zu machen.

Dirk Hammers: Keine Erinnerungen mehr

Nach einem Frühdienst setzt sich Dirk Hammers vor dem Präsidium auf sein Rennrad, um nach Hause zu fahren. 2007 war das. Es hat geregnet, die Straße ist noch feucht. Seine Erinnerung endet, als er von der Gummersbacher Straße hochfährt zur Lanxess-Arena. Kurz darauf findet ihn ein Passant auf der Rampe zum Deutzer Bahnhof, Hammers ist bewusstlos, der Fußgänger kümmert sich um ihn und ruft den Rettungsdienst. Was damals genau passiert ist, weiß Hammers bis heute nicht. Sicher ist nur, dass er mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen sein muss. Sein Helm ist an der linken Schläfe gerissen. Hammers erwacht erst wieder auf der Intensivstation des Eduardus-Krankenhauses. Nach zwei Tagen darf er nach Hause. Vier Wochen ist der Polizist in Folge einer schweren Gehirnerschütterung dienstunfähig.

Uwe Rausch: Knapp neben dem Bordstein aufgeschlagen

Als Uwe Rausch voriges Jahr nach seinem Sturz mit dem Fahrrad auf dem Asphalt aufschlägt und liegen bleibt, ist noch ein schlapper Zentimeter Platz zwischen dem Bordstein und seinem Kopf. Der Helm sitzt noch fest auf dem Kopf, aber er ist an mehreren Stellen gebrochen. Heute nennt der Autobahnpolizist den Helm seinen „Lebensretter“. Nach dem Unfall schrieb Rausch eine Mail an zahlreiche Freunde und Bekannte und fügte ein Foto des zerstörten Helms bei. „Denkt bitte an Angehörige und Freunde, wenn ihr auf das Rad steigt“, schrieb Rausch. „Wenn ihr schwer stürzt, dann ist deren Leben eventuell erheblich ge- oder zerstört. Du bekommst es selbst vielleicht nicht mehr mit – aber die Menschen um Dich herum leiden. Nur weil Deine Frisur ruiniert wird oder man mit Helm doof aussieht? Das ist es nicht wert!“ Uwe Rausch konnte fünf Tage nach seiner Operation das Krankenhaus wieder verlassen.

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