Die Kinder in letzter Not gerettet

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  • Das Ehepaar Spier aus Lindenthal floh vergebens nach Frankreich

Lindenthal – Aus Paris ist Marianne Spier-Donati angereist, Giorgio Sacerdoti aus Mailand und Detlef Rother aus Overath. Sie haben ein gemeinsames Ziel, die Gleueler Straße Hausnummer 163. Dort begann ein Teil der Geschichte, die Spiers und Sacerdotis Familie quer durch Europa trieb, auf der Flucht vor den Mördern des NS-Regimes. Marianne Spier-Donatis Eltern, Hilde (geborene Wolff), die damals als Redakteurin bei der Kölnischen Zeitung arbeitete, und Karl Spier, lebten als junges Paar an dieser Adresse. Später übernahm er die Leitung einer Schuhfabrik in Erfurt und das kölsch Paar zog um.

An der letzen Kölner Adresse verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig dort an diesem Morgen zwei Stolpersteine - mit bronzenen Gedenktafeln versehenen Betonwürfel - für die beiden. Das jüdische Paar konnten dem Holocaust am Ende nicht entkommen. 1935 floh Familie Spier nach Brüssel. Als die die Wehrmacht Belgien überfiel, galten ging die Flucht weiter nach Frankreich. Auch dort wurden sie am Ende von Kollaborateuren des Vichy-Regimes verhaftet, ins Sammellager Drancy gebracht und von dort nach Ausschwitz verschleppt. Hilde Spiers Spur verliert sich dort. Was aus ihrem Vater Karl wurde, weiß Spier-Donati ein bisschen besser: "Er wurde während des Transportes nach Ausschwitz ausgesondert, weil man ihn als Arbeitskraft gebrauchen konnte und kam in ein Arbeitslager", erzählt sie "Er überlebte, bis 1945 die Rote Armee anrückte. Dann schickten ihn die KZ-Aufseher auf einen Todesmarsch nach Buchenwald. Dabei starb er."

Von der Rettung der Kinder Marianne und Rolf gibt es ein Zeugnis, eine letzte Notiz, die Sacerdotis Mutter Ilse von ihrer Verwandten Hilde Spier 1942 in Argentière, Frankreich, erhielt. Sie hatte sie aus dem Zug geworfen: "Ilse, alles ist zu spät. Wir sind im Waggon mit unbekannten Ziel. Ich konnte die Kinder retten. Sie sind in Cap d'Ail c/o Walter Meyer, Villa Rosita. Setz dich sofort mit ihnen in Verbindung. Meine Schmerzen um die Kinder sind grenzenlos, doch weiß ich sie lieber fern als im Elend. Nimm dich ihrer an, berate sie. Es ist meine letzte Bitte und ein Vermächtnis." Ein Polizist hatte Hilde Spier, den Tipp gegeben, dass es besser sei, sich von den Kindern zu trennen, weil unter 18-jährige Juden ohne Eltern nicht von dort deportiert würden.

Verlegung eines Stolpersteins: Gunter Demnig (v.l.), Marianne Spier-Donati und Giorgio Sacerdoti.

Verlegung eines Stolpersteins: Gunter Demnig (v.l.), Marianne Spier-Donati und Giorgio Sacerdoti.

Der Plan ging auf. Ilse Sacerdoti vollendete ihn. Die als Ilse Klein geborene Kölnerin war selbst bereits 1933 nach Paris geflohen, als die Nazis ihr als Jüdin verboten, ihr Studium fortzusetzen, hatte dort einen Italiener kennengelernt und geheiratet. Sie veranlasste sofort den italienisch-jüdischen Diplomaten und Cousin ihres Mannes, Angelo Donati, Marianne und ihren Bruder Rolf abzuholen. Er nahm sie bei sich in Nizza auf.

Als sie dort nicht mehr sicher waren, versteckte sein Butler Francesco die Kinder bei sich in einem ligurischen Bergdorf. Nach Kriegsende adoptierte Angolo Donati Marianne und Rolf Spier.

Dass Spier-Donati nun an dem ehemaligen Wohnort ihrer Eltern steht, ist den Recherchen von Detlef Rother zu verdanken, der 1959 am Gymnasium Nippes sein Abitur machte, und nachforscht, was aus den ehemaligen jüdischen Schülern der Schule wurde.

Karl Spier hatte dort 1918 sein Abitur absolviert. Rother setzte sich mit seiner Tochter Marianne in Verbindung. Sie besaß Briefe, die ihre Mutter ihrem Vater an die Kölner Adresse gesandt hatten. Das Haus in dem die beiden lebten, steht nicht mehr, Doch 100 Jahre später erinnern nun Stolpersteine an das Kölner Paar.

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