DünnwaldWenn ein Kölner Campingplatz zum Not-Wohnort wird

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Ja, die dürfen das: Daniel (l.) und David auf dem Cabrio ihres Vaters

Ja, die dürfen das: Daniel (l.) und David auf dem Cabrio ihres Vaters

  • Unsere Autoren verlassen für unsere Serie für eine Nacht ihre Wohnung und schlafen an Orten, wo sonst eher Touristen anzutreffen sind – ein Tapetenwechsel innerhalb Kölns.
  • In dieser Folge verbringt Kathy Stolzenbach eine Nacht auf dem Campingplatz in Dünnwald.
  • Doch nicht jeder, den sie dort trifft, ist für eine Auszeit da. Manche Menschen müssen vorübergehend auf dem Platz leben, weil sie keine Wohnung haben.

Köln – Einige Kollegen fanden es verrückt, dass ich als Schwangere freiwillig eine Nacht auf einer Isomatte im Zelt verbringe. Ich sehe es als Abenteuer. Von Hause aus bin ich keine Camperin. Die Urlaube meiner Kindheit verbrachte ich in Ferienwohnungen in Holland und Dänemark. Ein paar Mal habe ich mit einer Nachbarin bei uns im Garten im Igluzelt geschlafen. Bis es draußen raschelte und wir ins sichere Haus flüchteten. Später kam die Festivalzeit – aber das hatte mit klassischem Campingplatz wenig gemein. Vor ein paar Jahren radelten mein Mann und ich um den Bodensee und zelteten auf unserer Tour. Ich fand es großartig – ein Gefühl von Freiheit und Wildnis. Aber seit unsere Tochter auf der Welt ist, haben wir nicht mehr gezeltet.

Und nun stehe ich mit eben diesem Bodensee-Tour-Zelt in der prallen Sonne und kämpfe mit den Heringen. Der Boden ist trocken und hart. Es dauert eine Weile, bis ich sie mit dem Hammer halbwegs in die Erde gerammt habe. Ich bin froh, dass die meisten Campingnachbarn die Nachmittagshitze im Freibad nebenan verbringen – und ich nicht so viele Zuschauer habe. Das grüne Zelt sieht auch etwas mickrig aus inmitten der geräumigen Wohnmobile mit Vorzelten. Egal, ich bin stolz, als es steht und ich es mir mit Isomatte, Schlafsack und Mini-Kopfkissen gemütlich eingerichtet habe. 15 Euro zahle ich für die Übernachtung.

Übernachten mitten im Wald

Der Campingplatz Dünnwald liegt mitten im Wald, daneben liegen eine Minigolfanlage, ein Bouleplatz, ein Wildpark und das urige Freibad. Die Besucher übernachten unter riesigen Bäumen. Bei der Kulisse fällt es schwer zu glauben, dass man sich in Köln befindet. Hektik und Lärm der Großstadt scheinen unendlich fern.

Olga Maleyeva (l.), Oliver Derra und ihre Kinder haben Besuch von Nachbarin Astrid Lauterbach.

Olga Maleyeva (l.), Oliver Derra und ihre Kinder haben Besuch von Nachbarin Astrid Lauterbach.

Genau das genießen Oliver Derra und Olga Maleyeva, die ihr – deutlich größeres – Zelt neben meinem aufgebaut haben. Das Münchner Autokennzeichen täuscht – sie wohnen mit ihren beiden Kindern in Köln-Poll. Vor drei Jahren sind sie zum ersten Mal nach Dünnwald zum „Probe-Camping“ gekommen. Seitdem verbringen sie ihre Urlaube regelmäßig hier. „Mit den Kindern wollen wir nicht so weit fahren. Und für sie ist es egal, ob der Campingplatz in Italien oder in Köln liegt“, sagt Olga Maleyeva. Draußen sein, auf dem Spielplatz spielen, Wildschweine im Wildpark füttern, im Schwimmbad planschen – das gehe hier perfekt. „Wenn das Wetter schlecht wird, fahren wir nach Hause. Manchmal lassen wir das Zelt dann stehen und kommen bei gutem Wetter wieder“, sagt die 44-Jährige. Und zum Wäschewaschen oder Blumengießen fahren sie zwischendurch in ihre Wohnung.

Der fünfjährige David klettert auf die Rutsche ein paar Meter entfernt. Sein dreijähriger Bruder Daniel ist ins Zelt gekrochen und eingeschlafen. Draußen versucht Mutter Olga, Ordnung in das Chaos aus Körben voller Essen, Campinggeschirr und allerlei Kochutensilien zu bringen. Im Kofferraum des Autos stapelt sich Kleidung. „Willst du später mit essen? Es gibt Würstchen, Kartoffel- und Krautsalat, Brötchen und Tzatziki“, sagt Vater Oliver. Eigentlich hatte ich vor, das benachbarte Restaurant „Wildwechsel“ zu testen, aber so eine nette Einladung kann ich nicht ausschlagen. Und so sitze ich wenig später mit der vierköpfigen Familie beim Abendessen und genieße den warmen Sommerabend. Nachbarin Astrid Lauterbach wird ebenfalls eingeladen. Die 52-Jährige macht hier mit zwei Hunden und einem alten Wohnmobil für eine Nacht Station. „Früher habe ich mit meiner Familie hier Urlaub gemacht“, sagt die Kölnerin. Vor kurzem ist ihr Mann gestorben, die Kinder sind längst ausgezogen. „Ich habe mein Haus in Dellbrück verkauft und hatte noch ein paar Formalitäten zu erledigen. Und mit den Hunden kann ich nicht ins Hotel.“ Lauterbach wohnt jetzt in Rheinland-Pfalz, in der Nähe ihres Vaters.

Autorin Kathy Stolzenbach in ihrem Zelt

Autorin Kathy Stolzenbach in ihrem Zelt

Vater Oliver serviert einen selbst kreierten Drink aus Holundersirup, Limettensaft und Minze. David hat spontan noch seine beiden neuen Freunde, die Geschwister Matteo und Florence aus Berlin, auf ein Würstchen eingeladen. Auf dem Campingplatz werden schnell Kontakte geknüpft, obwohl hier unterschiedlichste Charaktere aufeinander treffen. Neben Langzeiturlaubern wie Oliver und Olga treffe ich Touristen auf der Durchreise, so wie Karel und Henke aus Holland: Drei Wochen waren die beiden 68-Jährigen in Deutschland und der Schweiz unterwegs mit ihrem kleinen Wohnwagen, sind Fahrrad gefahren, gewandert und haben Museen besucht. Am nächsten Morgen geht es wieder zurück nach Hause. „Vorher geh ich aber noch eine Runde schwimmen“, sagt Karel. „Es ist super, dass die Campinggäste kostenlos ins Freibad können.“

Brigitte Lange und Peter Rabe nutzen den Campingplatz als vorübergehenden Wohnort: Ihr Haus in Lüneburg haben sie verkauft, demnächst ziehen sie in eine Mietwohnung in Bergisch Gladbach. „Die Preise für Wohnraum sind hier im Kölner Raum völlig verrückt“, sagt der 66-Jährige. Warum tun sie sich den Umzug dann überhaupt an? „Die Kinder und Enkel leben hier“, erklärt Brigitte Lange. Seit drei Wochen stehen sie mit ihrem Wohnmobil in Dünnwald, vorher waren sie zwei Monate auf dem Stellplatz in Riehl. Peter Rabe liebt die Lage hier: „Vor ein paar Tagen habe ich mich sogar im Wald verlaufen.“

Mit dem Einbruch der Dunkelheit wird es auf dem Campingplatz immer ruhiger. Auf einigen Tischen flackern noch Teelichter, zwischen Bäume gespannte Lichterketten spenden warmes Licht. Aus dem Nachbarzelt leuchtet der Schein einer Taschenlampe. Gegen 23 Uhr krieche ich in mein Zelt, finde es gemütlicher als ich gedacht hatte und lasse mich von den Grillen in den Schlaf zirpen. Das laute „Zzzzipp!“ eines Reißverschlusses aus einem Zelt lässt mich hochschrecken. Einmal wach, nutze ich die Gelegenheit, klettere aus meinem Zelt und schlurfe zu den Waschräumen. Aus einem Wohnwagen mit geöffnetem Fenster tönt Schnarchen. Was für ein Sternenhimmel, denke ich und atme die kühle Waldluft ein.

Der Campingplatz erwacht

Um 6 Uhr baut Nachbarin Astrid Lauterbach rumpelnd ihren Campingtisch ab und rollt wenig später langsam mit ihrem Wohnmobil vom Platz Richtung Rheinland-Pfalz. Ich döse noch etwas und höre, wie um mich herum allmählich die Camper erwachen. Als ich aufstehe, kocht Oliver gerade Kaffee. „Guten Morgen, trinkst du deinen Kaffee mit Milch?“, fragt der 50-Jährige gut gelaunt. Daniel kriecht verschlafen aus dem Zelt, sein Bruder David löffelt schweigend Cornflakes mit Milch. Mutter Olga ist schon auf dem Weg zur Arbeit. Sie hat noch keinen Urlaub und fährt unter der Woche morgens mit dem Linienbus eine Stunde zur Arbeit. Nachmittags kommt sie wieder.

Ein Abend auf dem Campingplatz.

Ein Abend auf dem Campingplatz.

Der Abreiseverkehr ist in vollem Gange. Kaum ist ein Stellplatz geräumt, bringen sich dort schon neue Gäste in Stellung. Platzreservierungen vorab gibt es hier nicht. Feste Plätze haben nur die Dauercamper. „Wir überlegen auch, ob wir uns einen Wohnwagen kaufen und dauerhaft hier hinstellen“, sagt Oliver. So richtig kann ich mir die Familie allerdings nicht vorstellen zwischen den teilweise spießig anmutenden Wohnwagen mit Satellitenschüsseln und Geranien-Töpfen im Vorgarten.

Für mich wird es Zeit, mein Zelt abzubauen. Schade, ich könnte hier noch gut eine Weile Urlaub machen. Wehmütig fahre ich etwas später vom Platz. Daniel und Oliver winken. Das nächste Mal komme ich mit meiner Familie wieder!

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