Das Freiraum-Kollektiv ist angetreten, um einen der letzten Kunst- und Wohnorte Ehrenfelds zu erhalten: die Kolbhalle. Dafür wurde jetzt demonstriert.
Demo in Köln-EhrenfeldBunter Zug für Kultur- und Lebensräume in der Stadt

Die Demo des Freiraum-Kollektivs zog über die Venloer Straße zum Abschlussfest im Leo-Amann-Park.
Copyright: Hans-Willi Hermans
War es ein erster Vorgeschmack auf die Karnevals-Umzüge oder eine Ehrenfelder Version der Love Parade? Egal, Anwohner winkten und schauten aus den Fenstern, Passanten blieben stehen und lächelten amüsiert, als mehrere Hundert gut gelaunte und nicht selten fantasievoll verkleidete Menschen zur Begleitung bollernder Beats vom Max-Böckler-Platz über die Venloer Straße zum Leo-Amann-Park zogen. Hin und wieder hielt der Zug an, man ließ sich Zeit für ein kleines Tänzchen: „Lasst die Hühner aus dem Stall, die Hühner tanzen überall“, dröhnte es aus den Boxen.
Dass der vom Freiraum Kollektiv organisierte Demo-Zug einen ernsten Hintergrund hatte, sprachen die Redner auf dem Lautsprecher-Wagen indes auch an: „Liebe Ehrenfelder, es geht um Kultur für Ehrenfeld“, erklärte eine Frau den Zuschauern. Denn die Initiative Freiraum Kollektiv wurde vor einigen Monaten gegründet, um dem stadtweit fortschreitenden Schwund bei kostengünstigen Ateliers, Proberäumen und Treffpunkten entgegen zu treten. Auch, weil solche „Freiräume“ erst das Entstehen einer freien, nicht primär auf kommerziellen Erfolg achtenden Kunstszene ermöglichen.
Künstlergemeinschaft lebt seit 30 Jahren in der Kolbhalle in Ehrenfeld
Vom Wandel durch teure Sanierungsmaßnahmen ist der Stadtteil Ehrenfeld mit seiner einst lebendigen Kunst- und Clubszene, die sich in malerischen Industrieruinen etabliert hatte, wie kaum ein anderer betroffen. Deshalb war zuweilen auch eine ironische Fake-Werbung für Luxuswohnungen zu hören, dazu Sprechchöre wie „Hoch mit der Subkultur, nieder mit den Investoren“. Oder auch: „Wir brauchen alle die Kolbhalle“ als Verbeugung vor der seit mehr als 30 Jahren standhaften Künstlergemeinschaft an der Helmholtzstraße.

Blick auf die Kolbhalle an der Helmholtzstraße
Copyright: Lioba Lepping
Doch es waren nicht nur Veteranen, die sich auf der Demo zu Wort meldeten. Auf der Kundgebung am Hans-Böckler-Platz traten zwei gerade sechzehnjährige Jugendliche, Monique und Precilia, mit besonderem Nachdruck für ihren Freiraum, das „Cube 829“ in einem ehemaligen Laden im Görlinger-Zentrum, ein. Sie sprachen sich für die Möglichkeit aus, Kreativität auszuleben und anderen Menschen ohne Konsumzwang zu begegnen, während die Stadt „so viel Hoffnung und Geschichte abreißt“, um Luxuswohnungen zu bauen. „Luxus über Kreativität? Luxus über die Hoffnungen der Menschen? Luxus über die Meinung der Mehrheit?“ fragten die jungen Frauen und meinten: „Wir müssen denen zeigen, dass wir uns das nicht länger gefallen lassen.“
Nein, das „Cube 829“, ein Projekt des Vereins Aktion Nachbarschaft, der Max-Ernst-Gesamtschule und des Fördervereins der Schule, in dem junge Leute etwa lernen, wie man künstlerische und textiltechnische Themen bei Stoffmustern, Vorhängen oder T-Shirts verbindet, sei nicht unmittelbar in seinem Bestand gefährdet, erklärte Thordis Naima Addelia, die die Gruppe aus Bocklemünd begleitete. „Aber das Gefühl ist verbreitet, dass solche Orte bedroht sind“, sagte die künstlerische Leiterin des „Cube 829“.
Auch Svenja Vienken vom Takura Kulturkollektiv meint, dass sich der Schwund an Freiräumen nicht nur im Abriss alter Gebäude für den Wohnungsbau bemerkbar mache, sondern oft als schleichender Prozess vollziehe: „Das fängt schon da an, wo die finanzielle Förderung der Träger durch die Stadt nicht mehr erhöht wird. Bei steigenden Kosten für Mitarbeiter und Energieversorgung bringt das sogar Einrichtungen wie Bürgerzentren in Existenznot. Ich schätze, dass mittlerweile rund 70 Prozent aller ‚Freiräume‘ betroffen sind.“