Kölner Club Artheater wird 25„Techno ist Massenkultur geworden“

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Stefan Bohne und Bernd Rehse stehen vor den Toren ihres Clubs Artheater.

Stefan Bohne (l.) und Bernd Rehse vom Club Artheater in Ehrenfeld haben sich 1998 kennengelernt.

Elektronische Musik, Jazz, Comedy: Im Artheater in Ehrenfeld wird ein bunter Spartenmix angeboten. EIn Gespräch mit Betreiber Stefan Bohne über die Anfänge und die heutigen Clubgänger.

„Wir haben uns in aller Naivität reingestürzt“, sagt Stefan Bohne. Eine Clubgründung stand eigentlich nie zur Debatte. Umso „surrealer“ sei nun die Zahl 25. „Ein halbes Leben“, so der 58-jährige Betreiber des Artheater am Ehrenfeldgürtel. Freies Theater, Club, Konzertstätte, offene Bühne: Dass das Artheater schon immer ein Genre und Grenzen überwindender Ort war, liegt an den vielseitigen Interessen ihrer Betreiber Bohne und Bernd Rehse.

Beide haben zunächst Schauspiel studiert. Als Bohne keine Lust mehr auf den städtischen Theaterbetrieb hatte, wollte er mit Theater zunächst nichts mehr zu tun haben. Doch dann traf er Rehse. Eine durchzechte Nacht in der Bar Waschsalon, es war 1998, und die Ideen sprudelten nur so: Die Entscheidung war gefasst. „Bernd hat mich gefragt, ob ich bei einem Theaterstück mitmachen wollte. Als ich gemerkt hatte, dass wir einfach das machen können, worauf wir Lust haben – nämlich all unseren Frust und unsere Aggressionen rauslassen, wollte ich doch“ verrät Bohne im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Die leere Tanzfläche im Artheater

Das Artheater ist Club, Bar, Bühne in einem.

Zunächst sei das Ziel gewesen, „das Theater zu verjüngen. Es fing an, dass die Besucher schwanden und Theater sich in einen Nischenkulturtempel zurückzog. Wir wollten die Geschichten für die nächsten Generationen sinnlich erlebbar machen.“ In Bohnes Fall hieß das: Die Stücke mit elektronischer Live-Musik zu untermalen, sich seinen „anarchischen“ Emotionen hingeben. „Ich habe es filmsoundästhetisch auf die Spitze getrieben, was wir vorher selten durften.“ Einen Faible für elektronische Musik hatte er schon lange, Bohne war seit den 80ern in der Kölner Technoszene unterwegs – als DJ sowie Clubgänger.

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Wenn er über die ersten Jahre spricht, dann mischt sich Begeisterung mit Ungläubigkeit. „Die wilde Zeit ging los. Wir haben da fast geschlafen, am Anfang alles selbst gemacht, sogar den Putzdienst selbst beaufsichtigt.“ Zunächst war der Schwerpunkt Theater noch stark, 2006 hat das Artheater mit der Produktion „Kissenmann“ den Kölner Theaterpreis gewonnen.

Heute liegt der Fokus auf Konzerten und Partys. Montags verwandelt sich der Club bei „Kunst gegen Bares“ in eine offene Bühne – Menschen können ihr Können unter Beweis stellen und das Publikum entscheidet, wie viel Geld sie dafür bekommen. Auch das Format „Jazzorama“, das Jazz-Studierende der Musikhochschule durchführen, hat Tradition.

Auf der Tanzfläche mit 58 Jahren

Der Spirit stehe und falle auch mit dem Team, das mit Herzblut dabei sei, erzählt Bohne. Von der Aushilfe bis zur festen Kraft, von Toiletten-Team bis zur Administration beschäftigen Bohne und Rehse 60 Personen, von denen manche schon seit zwei Jahrzehnten dabei sind. „Unsere Gastroleiterin ist eigentlich Biologin und hat an der Uni gearbeitet. Sie wollte ursprünglich in die Forschung und hat hier zunächst gejobbt.“ An Rente denkt Bohne noch nicht wirklich, den Boden für eine Nachfolge will er dennoch schon einmal bereiten.

Derweil schwingt er immer noch das Tanzbein. „Manchmal frage ich andere: Ist das lächerlich? Bin ich peinlich? Aber es scheint niemanden zu stören.“ Er sieht es vielmehr als seine Verantwortung an, der neuen Generation Erfahrungen mitzugeben. „Eine hervorragende Aufgabe für alternde Clubbesitzer.“

Sitzgelegenheiten im Artheater

Das Artheater ist Club, Bar, Bühne in einem.

Man habe es nun mit einer Generation zu tun, die während der Pandemie soziale Isolation gewöhnt war. Gemeinschaft hätten die jungen Leute vor allem über die sozialen Medien erfahren. „Anfang der 90er-Jahre war Techno noch eine Subkultur. Der Club bot damals ein Gefühl der Identifikation.“ Heute seien alle ästhetischen Tabus gebrochen, der Techno zur Massenkultur geworden. „Momentan ist harter, industrieller Techno ein Trend. Große Raves haben ein großes Entertainment-Versprechen.“ Dieses intime Clubgefühl gehe dabei verloren. An dieses möchte er die junge Generation wieder heranführen. Auch ein Bewusstsein will er schaffen für die Themen Drogenkonsum oder Belästigung. „Wir wollen aufklären und begleiten, ohne zu verurteilen.“

Mittlerweile kämen die Kinder der ersten Artheater-Generation zum Feiern. Besorgten Eltern, die früher selbst Party machten bei ihm, erteilt er eine Absage: „Egal was deine Kinder hier machen, ich werde es dir nicht sagen. Manchmal kommen sie dann mit ihren Kindern und feiern zusammen.“ Die Jungen müssten ihre eigenen Grenzen in Bezug auf Drogen, Alkohol und Flirten ausloten.

Im Oktober stehen einige Veranstaltungen im Zeichen des Jubiläums. Mehr Infos unter www.artheater.de

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