„Chinesenviertel“Streit um Kölner Straßennamen – Expertin wehrt sich gegen SPD-Kritik

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Straßennamensschild der Takustraße in Köln-Ehrenfeld

Straßennamen im sogenannten „Chinesenviertel“ in Köln-Ehrenfeld

Die Straßennamen im Ehrenfelder „Chinesenviertel“ sind umstritten. Ein aktuelles Gutachten ist der SPD-Fraktion ein Dorn im Auge. 

In der Diskussion um die Straßennamen im sogenannten „Chinesenviertel“ in Köln wird zunehmend mit harten Bandagen gearbeitet. Es geht um die Straßennamen Takufeld, Takustraße, Takuplatz, Iltisstraße und Lansstraße, die einen Bezug zu den kolonialen Aktivitäten des deutschen Kaiserreichs in China haben.

Die Namen waren in den Jahren 1902 und 1914 vergeben worden, um die brutale Unterdrückung Einheimischer im Verlauf des „Boxeraufstands“ zu heroisieren. Die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Ehrenfeld fragte jetzt nach, wie bei der Beurteilung dieser Namensgebung durch den Historischen Beirat der Stadt „sinologischer Sachverstand“ eingebracht wurde.

Offensichtlich stören sich die Sozialdemokraten an der Tatsache, dass die Verfasserin eines entsprechenden Gutachtens, Marianne Bechhaus-Gerst, Professorin für Afrikanistik ist. Außerdem wies die SPD darauf hin, dass sich das Gutachten auf Veröffentlichungen aus dem Umfeld des Konfuzius-Instituts an der FU Berlin stütze. Dieses Institut stehe „wegen seiner finanziellen Nähe zur Kommunistischen Partei Chinas in der Kritik“, eine andere zitierte Autorin, Professorin Mechthild Leutner, „wegen Verharmlosung der chinesischen Internierungslager in Xinjiang“.

Mehrheit lehnt Änderung der Kölner Straßennamen ab

Marianne Bechhaus-Gerst gehört selbst dem vierköpfigen Historischen Beirat an, der mit seiner Sachkenntnis die Verwaltung bei der Untersuchung aller Kölner Straßennamen auf einen möglichen Zusammenhang mit kolonialen oder nationalsozialistischen Verbrechen unterstützt.

Sie war bereits 2010 als Expertin an einer sehr gut besuchten Veranstaltung zum Thema „Koloniale Straßennamen“ im Bezirk beteiligt, und zwar auf Einladung des damaligen Bezirksbürgermeisters Josef Wirges, eines Sozialdemokraten.

Seinerzeit wurde im Verlauf der Diskussion um die Straßennamen deutlich, dass eine große Mehrheit der Bewohner einer Änderung der Straßennamen trotz der hochproblematischen historischen Zusammenhänge ablehnt.

Ehrenfelder Straßennamen sind Teil Veedels-Folklore

Das ist nicht ungewöhnlich, denn solche Änderungen können Komplikationen bei der Postzustellung nach sich ziehen, Unternehmensadressen wechseln, neue Visitenkarten müssen gedruckt werden und so weiter. Aber in Neuehrenfeld sind die Namen im „Chinesenviertel“ – etwa über den beliebten Karnevalsverein Ihrefelder Chinese – auch Teil der Veedels-Folklore.

Das Foto zeigt eine Straße im Chinesenviertel in Köln-Ehrenfeld.

Die Mehrheit der Anwohner im Kölner Chinesenviertel ist gegen eine Änderung der Straßennamen.

Anschließend hatte ein Runder Tisch zum Chinesenviertel im Bezirksrathaus stattgefunden, wiederum war Bechhaus-Gerst eingeladen. Man einigte sich auf einen Kompromiss: Die Straßennamen bleiben erhalten, allerdings wurde eine neue Gedenktafel im „Chinesenviertel“ aufgehängt, in dem unter anderem von einem „blutigen Kolonialkrieg“ die Rede ist. Der Text geht im Wesentlichen auf einen Vorschlag der Professorin zurück.

Auch in Neuehrenfeld wird diskutiert

Doch spätestens seit die Stadt 2021 beschloss, ihr koloniales Erbe und dessen Folgen aufzuarbeiten, kocht das Thema Straßenumbenennungen auch in Neuehrenfeld wieder hoch.

Bislang liegen noch keine konkreten Forderungen, Vorschläge oder gar Beschlüsse auf dem Tisch, im Mai 2023 allerdings teilte die Verwaltung mit, dass der Historische Beirat einstimmig die Umbenennung aller untersuchten Namen im Chinesenviertel und in Alt-Ehrenfeld befürworte.

Kölner Expertin wehrt sich gegen Kritik

Denn in einem separaten Gutachten hatte Marianne Bechhaus-Gerst auch die Namen der Ende des 19. Jahrhunderts in Afrika mordenden Herren Wissmann und von Gravenreuth – Namensgeber für Straßen in Alt-Ehrenfeld - als „schwer belastet, nicht haltbar“ bezeichnet. Sie will den „Versuch, mich als Expertin für Kolonialgeschichte zu disqualifizieren“ nicht auf sich sitzen lassen.

In einer Stellungnahme verweist sie auf ihre „knapp 80 bislang erschienenen Publikationen zur Kolonial- und Globalgeschichte“ und verteidigt ihre Zitate aus Veröffentlichungen – unter anderem – von Professorin Leutner. Deren Haltung zum heutigen China mindere nicht ihren Status als „eine der renommiertesten Kennerinnen der Kolonialgeschichte Chinas“.

Verwundert ist Marianne Bechhaus-Gerst über den „rückwärtsgewandten Dünkel“ der heutigen SPD, die offensichtlich auch vergessen habe, dass die Partei das Vorgehen des Deutschen Reichs in China schon zur Zeit des „Boxeraufstands“ immer wieder scharf kritisiert hatte, etwa auf den Parteitagen von 1900 und 1901.

Sie wirft den heutigen Ehrenfelder Sozialdemokraten vor, der eigentliche Zweck ihrer Anfrage sei es, mögliche Straßenumbenennungen im Ansatz zu verhindern: „Ein beliebtes Verfahren natürlich: Wenn ein Gutachten im Ergebnis nicht passt, versucht man die Gutachtenden zu demontieren.“

Bei der Verwaltung hat die SPD damit bislang keinen Erfolg. Man sehe „aufgrund der in den Fragen genannten Argumente keine Veranlassung, das Gutachten infrage zu stellen“, schreibt das Liegenschaftsamt.

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