„Wir drücken den Reset-Knopf“Schmerzklinik in Köln-Ehrenfeld bietet seit zehn Jahren Behandlungskonzepte

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Acht Frauen, eine davon im Arztkittel, viele in Schwesternkleidung, sitzen um einen Tisch und haben Unterlagen vor sich.

Oberärztin Katrin Empt (l.) und ihr Team besprechen sich täglich.

Die interdisziplinäre Schmerzklinik am Ehrenfelder St. Franziskus-Hospital wurde vor zehn Jahren eröffnet.

Er pocht, zwickt, sticht oder brennt – Schmerz hat viele Erscheinungsformen. Jeder Mensch empfindet anders und geht anders damit um – egal ob selbst betroffen oder nicht. Schmerz zu behandeln, ist daher eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Am St. Franziskus-Hospital wurde eine ganze Schmerzklinik eingerichtet, um chronisch von Schmerzen Betroffenen zu helfen. Sie besteht inzwischen seit genau zehn Jahren.

Schmerztherapie am St. Franziskus-Krankenhaus in Köln-Ehrenfeld

Wer hierher kommt und auf eine Spritze, ein Medikament oder ein paar gezielte Therapien hofft, um fortan schmerzfrei leben zu können, ist bei Oberärztin Katrin Empt aber an der falschen Adresse. Schon in der ersten Sprechstunde stellt sie klar: „Sie werden nicht innerhalb von drei Wochen schmerzfrei.“ Die Zeit in der Klinik bei der multimodalen Schmerztherapie sei nur eine „Auftaktveranstaltung“.

In der Schmerzklinik werden viele Fragen gestellt. Ursachenforschung, denn Schmerz hat oft tiefliegende Gründe. Schon der anfangs ausgehändigte Fragebogen umfasst zwölf Seiten. Aber in den täglichen Übungsstunden und Sitzungen kommt vieles weitere zur Sprache. Das interdisziplinäre Team weiß am Ende weit mehr über die Patientinnen und Patienten als nur, wo es gerade zwickt und zwackt.

Das höchste Risiko, dass Schmerz chronisch wird, ist übrigens Unzufriedenheit am Arbeitsplatz
Katrin Empt, Oberärztin Schmerzklinik

„Die Entwicklung chronischer Schmerzen und persönlicher Krisen fallen oft zeitlich zusammen“, sagt Katrin Empt, die seit 2013 zum von Chefarzt Michael Granitzka geleiteten Klinikteam gehört. „Das höchste Risiko, dass Schmerz chronisch wird, ist übrigens Unzufriedenheit am Arbeitsplatz“, fügt sie hinzu. Das könne in einen Teufelskreis münden, den das Team mit einem multimodalen Therapieansatz zu durchbrechen versucht.

Zwei Frauen stehen vor einem Spiegel in einem Behandlungsraum. Die Therapeutin steht hinter der Patientin.

Haltungstraining beim Biofeedback: Therapeutin Ute Lohmer mit Patientin Ilse Stark.

Auf dem Laufband, dem Gymnastikball oder auch vor dem Spiegel: Mit Eitelkeit hat es nicht das Geringste zu tun, wenn Ilse Stark lange konzentriert davor steht und ihr Gegenüber anschaut. Dicht hinter ihr steht Ute Lohmer. Die Biofeedback-Therapeutin begutachtet und korrigiert die Haltung von Ilse Stark. Im Blick hat sie dabei den Monitor neben dem Spiegel. Zeigt der einen grünen Balken ist die Haltung korrekt.

„Das merken Sie jetzt auch, dass es so besser ist, oder?“, fragt Ute Lohmer. Ilse Stark nickt. Sie ist Patientin und hat die erste Woche ihres dreiwöchigen Aufenthalts in der Schmerzklinik am St. Franziskus-Hospital in Ehrenfeld hinter sich. Seit Jahren schmerzt ihre Lendenwirbelsäule. Es fing an, nachdem sie einen mehrfachen Beinbruch hatte. Inzwischen ist klar: Ihre Haltung muss besser werden.

Biofeedback-Therapie an der Schmerzklinik in Köln-Ehrenfeld

Daran arbeitet sie nun mit Unterstützung des Biofeedbacks, der speziellen Schmerz-Physiotherapie, Entspannungsübungen sowie Sitzungen bei der Psychotherapeutin. Wie viele Patienten, die sich schon auf einem Bewertungsportal äußerten, ist auch Ilse Stark beeindruckt, wie intensiv man sich um sie kümmert, sich Zeit nimmt und zuhört. „Und die Stimme der Entspannungstherapeutin ist so angenehm“, sagt sie.

Im Krankenbett liegen die Schmerzpatienten die wenigste Zeit. Das liegt nicht nur an der Erkenntnis, dass Bewegungsmangel und Schonhaltungen das Leiden verstärken, sondern auch daran, dass vieles neu erlernt werden muss. Haltungen, Bewegungen, Umgang mit Stress.

Sich der Ziele bewusst werden und den Weg dorthin verstehen lernen, sind die wichtigsten Bestandteile der Selbstwirksamkeit, die im Zentrum des Behandlungsansatzes steht. Dass dies in erster Linie Kopfsache ist, weiß die psychologische Psychotherapeutin Marie Krischke am besten. „Natürlich fragen viele in der Sitzung, was sie hier sollen, wo sie doch Schmerzen im Körper haben“, berichtet sie. In den Einzel- und Gruppenstunden geht es um Verhaltensweisen und die Einstellung dem Schmerz gegenüber.

Positiv wirke sich schon aus, drei Wochen lang von den alltäglichen oder beruflichen Belastungen befreit zu sein. Das helfe und motiviere, das in der Klinik Erlernte, anschließend im Alltag umzusetzen. Als neuer Mensch verlässt allerdings niemand die Klinik. „Es ist ja im Grunde schon in den Menschen drin, nur eben verlernt. Wir drücken sozusagen den Reset-Knopf“, sagt Schmerz-Physiotherapeutin Ursula Gewers.


Ein Patientenforum „Gemeinsam gegen den Schmerz“ bieten das St. Franziskus-Hospital und die Unabhängige Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland an. Am Dienstag, 12. September, 18 Uhr, finden Vorträge und eine Fragerunde zum Thema im Hörsaal der Klinik statt. Um Anmeldung per E-Mail wird gebeten. (Rös)

info@schmerzlos-ev.de

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