„Grün hoch drei“Wie bepflanzte Dächer für kühlere Wohnzimmer in Bocklemünd sorgen

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Wolfgang Lenhart (vorn) und Oliver Seeck betrachten das fertig eingedeckte Gründach. 

Bocklemünd – Marie-Luise Lenhart bittet den Besuch in das Wohnzimmer. Die Terrasse oder der Garten hätten sich auch angeboten, denn die Sonne scheint an diesem Tag. „Merken Sie, wie gut das Klima hier im Raum ist?“, fragt sie nach einer Weile. Tatsächlich ist es angenehm. „Früher hatten wir bei solchem Wetter 26 Grad im Wohnzimmer“, sagt Ehemann Wolfgang. Heute sind es 22 Grad.

Die Lenharts wohnen in einem Flachdach-Bungalow in Bocklemünd. Dass ihr neues Dach schon unmittelbar nach der Fertigstellung spürbare Annehmlichkeiten mit sich bringen würde, hätten sie nicht erwartet. Dabei haben sie sich vorher gründlich informiert. Vor allem, weil die Kosten kein Pappenstiel waren. Nicht zuletzt wegen der städtischen Zuschüsse war eine gründliche Prüfung notwendig. Und viel Papierkram. Doch der Aufwand habe sich gelohnt.

Pioniere in Bocklemünd: die Familie Lenhart

Die Lenharts gehören zu den Ersten in ihrem Stadtteil, die am städtischen Programm „Grün hoch drei“ teilnehmen. Ein Fördertopf zur Begrünung von Dächern, Fassaden und Höfen. Unterstützung bekamen sie dabei vom SPD-Stadtverordneten Oliver Seeck, zu dessen Wahlkreis Bocklemünd gehört. Er hat die Vorbereitungen und die Umsetzung des Projekts genau verfolgt und ist überzeugt: „Das hat Pilotcharakter für den Stadtteil. Hier steckt noch sehr viel Potenzial.“

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In voller Blütenpracht zeigt sich ein begrüntes Dach erst im zweiten Jahr.

Ein Blick über die Dächer von Bocklemünd genügt, um zu erahnen, was er damit meint. Die in den 1960er Jahren entstandene damals neue und sehr moderne Siedlung aus Mietshäusern und Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern nördlich und östlich der dörflichen Stadtteile Bocklemünd und Mengenich besteht zu großen Teilen aus eingeschossigen Bungalows.

Sonneneinstrahlung heizt Flachdächer auf

Fast alle haben Flachdächer, die noch mit Kies oder Teerpappe bedeckt sind. Das Programm ist speziell auf dicht bebaute Gegenden ausgelegt, wo die Häuser bewirken, dass sich das Klima im Sommer stark aufheizt. Genau das hat Wolfgang Lenhart viele Jahre lang beobachten können. „Die flachen Dächer werden unter Sonneneinstrahlung schon sehr heiß.“ Das soll sich bei ihm spätestens im nächsten Sommer ändern.

Dann wird der grüne Teppich aus Sedum, auch Mauerpfeffer oder Fetthennen genannt, angewachsen sein. Noch sind auf dem Dach des Hauses erst ein paar wenige grüne Sprossen zu sehen. Doch die Saatgutmischung wurde auf der gesamten Fläche verteilt. Sie kam übrigens per Post. Marie-Luise Lenhart amüsiert: „Wenn da jemand nachgeschaut hätte, hätte er denken können, es handle sich um Marihuana. Es sah ein bisschen so aus.“

Alles steht und fällt mit der Statikprüfung

Die Fläche mit dem braun-grauen Granulat unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von den anderen Dächern. Doch das Dach wurde fachmännisch neu eingedeckt. „Das kann man nur jedem raten“, sagt Marie-Luise Lenhart. Wichtig sei es, einen Betrieb zu finden, der mit Begrünungen Erfahrung hat. Für Planung und Materiallieferung fiel die Wahl auf das Unternehmen Zinco aus Nürtingen bei Stuttgart, das auch im Rheinland Fachberater hat. Wolfgang Lenhart ergänzt: „Das Ganze steht und fällt mit der Statikprüfung.“

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Mit Hilfe eines Schlauchs wurde das Pflanzsubstrat auf dem Dach verteilt (Bild rechts). 

Immerhin neun Kubikmeter an Pflanzsubstrat seien auf seinem Dach verteilt worden. Dazu rollte ein Silowagen an. Das körnige Material wurde mit einem langen Schlauch auf das Dach gepumpt und verteilt. Hinzu komme der Unterbau aus Folie als Wurzelschutz, Filzmatte, Drainage-Schicht und noch einmal Filz.

Mehr Nachbarn sollen folgen

Um Nägel mit Köpfen zu machen, ließ der Hausbesitzer zunächst die Bitumenschicht erneuern. So wurde die Abdichtung gewährleistet. Von den Baustoffen hat er Muster behalten. Er will nämlich nicht nur in der Nachbarschaft Werbung machen, sondern bei vielen anderen Bungalowbesitzern in Bocklemünd und Mengenich.

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Die Lenharts sind Mitglied im Vorstand der Siedler-Interessengemeinschaft Bocklemünd, dem Zusammenschluss der Eigenheimbesitzer. Darunter sind nicht wenige, die seit Bestehen der Siedlung in ihren Häusern wohnen. Dass sich mancher im hohen Alter den Aufwand nicht mehr zumuten möchte, versteht Marie-Luise Lenhart. „Aber es findet ja ein Generationenwechsel statt“, sagt sie. Erben ziehen ein oder, nach Verkauf, junge Familien. Im Zuge notwendiger Modernisierungen der gut 50 Jahre alten Häuser könne eine Dachbegrünung sinnvoll sein.

Gründächer wirken wie ein Schwamm

Oliver Seeck begrüßt den Plan: „Es geht ja um viel mehr, als um bessere Wohnqualität in den Häusern selbst und ein besseres Klima im Viertel“, sagt er. Vor allem die Folgen der Starkregen im Juni und Juli hätten deutlich gezeigt, dass dringend etwas getan werden müsse. Die Gründächer wirken nämlich wie ein Schwamm, der Regenwasser zunächst aufsaugt, während sonst das Wasser von den Flachdächern direkt über ein Fallrohr in die Kanalisation gelange. Bocklemünd gehörte zu den Stadtteilen, wo sich in besonders vielen Kellern Wasser aus der überlasteten Kanalisation zurückstaute. „Es würde dem Stadtteil in vielerlei Hinsicht gut tun, wenn noch viel mehr Dächer begrünt würden“, sagt Oliver Seeck.

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