Kulturbunker EhrenfeldAusstellung mit erwünschten unangenehmen Gefühlen

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Künstlerin Silke Mohrhoff hat eine Wohnsituation im Bunker geschaffen.

Ehrenfeld –  „Raumgefühl“ ist wichtig, im Verkehr, auf dem Fußballplatz oder beim Tanz. Und jeder Mensch hat es mehr oder weniger und mehr oder weniger bewusst. Auf einer Wiese entwickelt sich ein anderes Raumgefühl als in in Großstadtstraße, in einem kleinen gemütlichen Zimmer ein anderes als in einem Bunker. Genau damit haben sich die acht Künstler beschäftigt, die im Ehrenfelder Hochbunker K101 die Ausstellung „Raumgefühl“ präsentieren. An diesem Ort prägen meterdicke Mauern, die völlige Abgeschlossenheit von der Außenwelt und eine schlechte Luft die Situation. Und anders als an den meisten Orten des Alltags tritt dort über die plötzliche Beklommenheit in der Befindlichkeit überhaupt erst ins Bewusstsein, wie sehr der Charakter des Raumes das eigene Gefühl bestimmt.

Mit Ines Braun, Andrea Bryan, Ulrike Oeter und Dietmar Paetzold konzipierten vier Künstler aus der Dünnwalder Art Factory das Projekt, zu dem sie vier weitere Künstler eingeladen haben: Grigory Berstein, Ute Küppersbusch, Silke Mohrhoff und Ute Vauk-Ogawa.

Sie alle verbindet das Konzept, nicht fertige Arbeiten in den historischen Bau hineinzutragen, sondern ihre Werke im Wechselspiel mit dem im Jahr 1942/43 errichteten Gebäude zu entwickeln. Im Zweiten Weltkrieg bot es vielen Menschen Schutz vor den Bomben der alliierten Luftangriffe, bis Mitte der 1950er-Jahre diente es ausgebombten Menschen als Notunterkunft, danach wurde es zu Zivilschutzzwecken für den Katastrophenfall vorrätig gehalten.

Was macht ein solcher Raum mit den Menschen, die sich in ihm aufhalten? Mit welchen Gefühlen saßen die Menschen im Zweiten Weltkrieg in diesen Gemäuern? Und welche Empfindungen entstehen, wenn Menschen sie heute betreten? Ausgehend von diesen Aspekten, thematisieren die Künstler den Schutzraum als Angstraum.

Bildhauerin Ute Küppersbusch aus Velbert konfrontiert uns bereits kurz hinter dem Eingang mit Kindermöbeln, und der Frage, ob es in einem Bunker so etwas wie Normalität geben kann.

Diesen Gedanken greift auch die Bremerin Silke Mohrhoff auf, wenn sie mit Teppich, alten Sesseln, Stehlampe, Bildern an den Wänden und Fotoalben auf einem Tisch eine wohnliche Ecke im Bunker eingerichtet hat. Die demonstrativ zur Schau gestellte Gemütlichkeit verweist allerdings nur auf das Gegenteil: Furcht, Nervosität, Ausgeliefertsein.

Mit einem beleuchteten Zelt führt Ines Brauns das Spannungsfeld von Innen und Außen vor Augen. Seltsame Tiere im Innern bringen als äußere Schatten auf der Zeltwand das Unheimliche ins Spiel. Der Schrecken, der bei Ines Braun aus vagen Konturen besteht, wird bei Grigory Berstein und Ulrike Oeter zum grausamen Bild. Auf einer von hinten beleuchtete Wand konfrontieren Bersteins lebensgroße expressiven Zeichnungen in rotbrauner Farbe mit verletzten, hilflosen Menschen, die sich verzweifelt gegen Gewalt und Zerstörung wehren, Schmerz in ihren Körpern, Verlorenheit in den Gesichtern, den Tod vor Augen. In Ulrike Oeters Installation „Schaumkronen des Todes“ ist auch der letzte Rest Hoffnung verschwunden. Die aus Pergament gefertigten weißen und schwarzen Rettungswesten machen spürbar, dass nichts dem Drama des Krieges standhält.

Ähnlich lässt sich der Gitterturm deuten, den die Bremerin Ute Vauk-Ogawa errichtet hat. Unzählige Menschen haben sich darin als schwarzen Schatten verfangen. Einige versuchen verzweifelt, sich zu befreien, andere hängen leblos. Im Raumbereich gegenüber sorgt Andrea Bryan zwischen Videoprojektionen, Schlagwörtern und Kabelverschlingungen mit anderen künstlerischen Mitteln für Bedrückung. Der Bunker beruhigte und beängstigte die Menschen im gleichen Moment, lautet ihre künstlerische Analyse. Dass der Mensch in einer solchen Umgebung nurmehr ein zuckendes, von Angst zersetztes Stück Fleisch ist, bringt schließlich Dietmar Paetzold im vielleicht radikalsten Ausstellungsbeitrag zum Ausdruck. Mit seinen blutroten Paketen will er das Schlachtfeld Krieg plastisch vor Augen führen. „Wir, die Nachgeborenen kennen Krieg doch nur vom Sofa aus,“ sagt er. Und erinnert daran, dass es zur Zeit weltweit 20 Kriege und 222 massive Konflikte auf der Welt gibt.

Paetzold und seine Künstlerkollegen wollen, dass die Kunstbetrachtung in ihrer Ausstellung von unangenehmen Gefühl begleitet wird. Dem liegt zweifellos die Einsicht zugrunde, dass nicht alle Einsichten auf unterhaltsame Weise vermittelt werden können.

Bunker K101, Körnerstraße 101, geöffnet Mi, Fr,Sa 17-21, So 11-21 Uhr, bis 9.6. Zur Finissage am Montag, 10.Juni, von 17 bis 21 Uhr, findet eine einer Performance von Andrea Bryan statt.

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