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Köln früher und heuteWie ein Ehrenfelder Kleingarten den Zweiten Weltkrieg überstand

Lesezeit 5 Minuten
Chistine Jung sitzt in ihrem Garten auf dem Rand eines Brunnens und lächelt in die Kamera. Das Bild ist 1934 aufgenommen worden.

Christine Jung gehörte 1925 zu den ersten Pächterinnen der Kleingartenanlage an der Subbelrather Straße. Das Foto ist 1934 aufgenommen worden.

Schon seit 1925 ziehen sich die Großstädter hierhin zurück, um ihr kleines Glück im Grünen zu finden.

Jeden Abend ging Christine Jung nach der Arbeit in ihre Parzelle mit der Laube aus Ziegelsteinen. Die Metzgerin gehörte 1925 zu den allerersten Nutzerinnen der gerade erst gegründeten Kleingartenanlage an der Subbelrather Straße 34.

Mit Hilfe ihrer beiden Vettern, die Architekten waren, verwandelte die ebenfalls gartenplanerisch bewanderte und auch sonst ziemlich gebildete Geschäftsfrau die Lehmwüste in eine blühende Oase. „Sie war eine tolle, ungewöhnliche Frau“, sagt Christine Jungs Enkelin Adelheid Kegler, die sich heute um die kleine Grünfläche kümmert. Was ihre Oma einst begann, führte später ihre Mutter fort. Ende der 1980-er Jahre übernahm Adelheid Kegler die Familientradition.

Gemauerte Brunnenanlage existiert noch heute

Seit 100 Jahren gehören die 300 Quadratmeter Ehrenfeld zur Familie. Auch deshalb hat die 86-Jährige weitgehend unverändert gelassen, was ihre Oma damals anlegte. Die Grundstruktur des Gartens ist geblieben – und damit auch die gemauerte Brunnenanlage in der Mitte, an der sich Christine Jung in den 1930-er Jahren fotografieren ließ.

Nur wenige Kolonien sind so dicht dran an der Innenstadt wie die des Kleingärtnervereins Colonius. Die Subbelrather Straße und die Autobahn 57 sind Hauptverkehrsachsen. Die Lärmentwicklung ist beträchtlich. Aber dazwischen gibt es hinter 1,50 Meter hohen Hecken trotzdem reichlich Erholung und Entspannung. Seit 1925 ziehen sich die Großstädter hierhin zurück, um ihr kleines Glück im Grünen zu finden.

Zu sehen ist Adelheid Kegler, die in ihrem Garten auf einer Mauer sitzt und in die Kamera schaut. Das Foto ist aktuell.

Adelheid Kegler hat ihren Garten weitgehend so erhalten, wie ihre Großmutter ihn vor 100 Jahren anlegte.

Von Osten schauen der Fernsehturm – seit 1992 Namensgeber des Vereins – und das Herkules-Hochhaus wie Riesen herüber. Als die noch junge Adelheid Kegler in den 1950-er Jahren den Garten ihrer Großmutter besuchte, gab es auch viele der Wohnblöcke ringsum noch nicht: „Man guckte vom Garten auf die Westseite, da war nichts, da war Acker.“ Möge sich drumherum die Welt weiterdrehen – zwischen Subbelrather Straße und Herkulesstraße bleibt alles beim Alten.

Die ausufernde Großstadt hätte wohl auch die Kleingartensiedlung aufgefressen, wäre sie nicht von Anfang an auf Dauer angelegt worden. Als erste Kölner Anlage ihrer Art wurde sie über einen Bebauungsplan abgesichert. Die Gärten waren damit fester Bestandteil des Inneren Grüngürtels, den in den 1920-er Jahren Baudirektor Fritz Schumacher auf dem Gebiet der aufgegebenen Inneren Stadtumwallung plante.

Ein Grund für die Ausweisung der Dauergärten war, dass die Not in den frühen 1920-Jahren mit ihren wirtschaftlichen Verwerfungen besonders groß war. Schon während des Ersten Weltkriegs förderte die Stadt die Selbstversorgung der Kölner, indem sie Freiflächen für Kleingärten zur Verfügung stellte. Im Zweiten Weltkrieg und danach sollte das Thema Selbstversorgung überlebenswichtig werden.

Fritz Schumacher plante die Anlage an der Subbelrather Straße

Auf Grundlage der Planung von Fritz Schumacher übernahm die neu gegründete Kleingartenabteilung des heutigen Grünflächenamts die Gestaltung der Anlage an der Subbelrather Straße. Die Struktur des Grünstreifens ist streng geometrisch, die Wege bilden von oben betrachtet ein leicht gekrümmtes Kreuz. Da auch die Öffentlichkeit von den grünen Daumen der Pächter profitieren soll, sind die Zugänge in den wärmeren Monaten tagsüber geöffnet. Die niedrigen Hecken offenbaren sogar, was dahinter so alles wächst und gedeiht.

Ausdruck der hohen gestalterischen Ansprüche der Stadt waren auch die einheitlichen Gartenlauben, die in den Jahren 1927 und 1928 entstanden. Wenig habe sich seitdem auf dem rund 18.000 Quadratmeter großen Gelände verändert, sagt Joachim Bauer, Vorsitzender des Kleingärtnervereins Colonius, zu dem auch 45 Parzellen an der Ludolf-Camphausen-Straße gehören. Das Areal an der Subbelrather Straße stehe mittlerweile sogar unter Denkmalschutz. Die Nachfrage nach den günstigen Parzellen sei groß, so Joachim Bauer: „Vor allem junge Leute sind hier aktiv, meistens junge Familien, oft auch aus dem akademischen Bereich.“

Kleingarten im Krieg von Granaten getroffen

Die Lauben allerdings haben die Jahrzehnte nicht unbeschadet überstanden. Die meisten wurden umgestaltet oder vergrößert. Das Häuschen von Christine Jung brach im Zweiten Weltkrieg durch einen Sprengbombeneinschlag zusammen. „Die Granateneinschläge zogen sich von einem Acker auf der Westseite der Gärten bis zum verbogenen Törchen am Hauptweg“, erinnert sich Adelheid Kegler.

Die Kleingartenvereine waren in der nationalsozialistischen Zeit im „Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands“ gleichgeschaltet worden, so auch der „Kleingärtnerverein Köln-Ehrenfeld-Süd“, wie der Verein damals noch hieß. Pächter jüdischer Abstammung durfte jetzt gekündigt werden.

Mitglied konnte nur noch „jeder der nationalsozialistischen Bewegung bejahende Reichsdeutsche arischer Abstammung“ werden, wie Joachim Bauer für eine Festschrift zum Jubiläum recherchiert hat. „Der Hitlergruß hatte sich damals eingebürgert, doch meine Großmutter hatte ihn niemals erwidert“, berichtet Adelheid Kegler. Nach dem Krieg seien einige Pächter wegen ihrer Verbindungen zum Nationalsozialismus nicht in ihre Gärten zurückgekehrt.

Eine Gartenlaube blieb erhalten

Franz Heltens Gartenlaube ist die einzige, die bis heute so erhalten geblieben ist, wie sie in den 1920-er Jahren gebaut wurde. Sogar der hölzerne Eckschrank ist noch vorhanden. Zufrieden steht der 89-Jährige mit der Gießkanne auf der winzigen Veranda. Das winzige Häuschen ohne Stromanschluss bietet mit den roten Klinkern und den grünen Fensterläden einen idyllischen Eindruck.

Zu sehen ist Franz Helten mit einer Gießkanne in der Hand vor seiner Gartenlaube stehen. Er lächelt in die Kamera.

Franz Helten bearbeitet seinen Garten seit 50 Jahren. Die Hütte aus den 1920-er Jahren ist original erhalten.

Seit 50 Jahren ist Helten Pächter an der Subbelrather Straße, einige Bäume auf seinem Grundstück begleiten ihn seitdem. Seine Wohnung ist nur einen Steinwurf entfernt. „Ich war in meinem Leben immer viel unterwegs, das hier war mein Ruhepol“, sagt der Rentner. Auch Johannisbeeren, Stachelbeeren, Tomaten und Kräuter wachsen auf seinen 250 Quadratmetern. Angenehmer Nebeneffekt seines sprießenden Rückzugsorts: „Wenn es heiß ist, wird es hier direkt ein paar Grad kühler.“

Christiane Martin, als Fraktionsvorsitzende der Grünen auch in der Kommunalpolitik aktiv, kümmert sich ein paar Meter weiter nicht nur um Spargel, Auberginen und Radieschen, sondern betätigt sich auch als Hobbyimkerin. Über die Hecke hinweg hält sie zudem manches Schwätzchen mit Passanten und Nachbarn.

Zu sehen ist Christiane Martin in ihrem Garten in der Vorderansicht, mit einem Fuß auf einer Schaufel stehend.

Für Christiane Martin sind Kleingärten aus ökologischer und sozialer Sicht ein wichtiger Beitrag für das Stadtklima.

Kleingartenanlagen hätten eine wichtige Funktion, sagt sie – nicht nur in ökologischer, sondern auch in sozialer Hinsicht. Adelheid Kegler liebt ihren Garten auch wegen der schönen Kindheitserinnerungen, die sie damit verbindet: „Der Garten bedeutet mir ein kleines Stück Freiheit.“