Nach 25 JahrenTrotz Petition – Kult-Kiosk „Kemal“ muss schließen

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Der Eingang von Kemals Kiosk an der Liebigstraße.

Zufluchtsort für Frauen, Hausaufgabenstube, Treffpunkt: Kemals Büdchen war im Veedel gut bekannt.

25 Jahre lang führten Kemal und Zahide ihren Kiosk in Köln-Ehrenfeld, jetzt hören sie auf. Ihre Kunden starteten sogar eine Petition dagegen – denn das Büdchen ist fester Teil der Veedelskultur.

Das Schild ist bereits abgerissen. Wo viele Jahre lang rote Lettern an der blassen Häuserwand prangten, sind heute nur noch Schatten erkennbar. Im Herzen Neuehrenfelds hinterließ der Name über die letzten 25 Jahre seine Spuren: Kemal.

Der Kiosk in der Liebigstraße 151 muss zum 31. Dezember seine Türen schließen. Wo früher Getränke-Kästen standen ist heute Leere. Übrig geblieben in dem lichtdurchfluteten Raum sind drei Kühlschränke an der rechten Wand und ein paar restliche Bierkästen und mit Süßigkeiten gefüllte Holzregale links. Zahide Genc-Özer bringt es auf den Punkt: „Der Laden ist tot“.

Kioskbesitzer hören auf – „Endlich Zeit für die Familie“

Sie sei aber froh, nun habe sie Zeit für Ihre Kinder und Enkelkinder, sie ist gerade Oma geworden. „Jetzt können wir es endlich mal ruhig angehen lassen und zusammen mit der Familie essen. Gemeinsam am Tisch sitzen, dafür hatten wir nie Zeit“, blickt Genc-Özer erleichtert in die Zukunft.

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Jeden Tag 16 Stunden arbeiten, auch an Wochenenden und Feiertagen, das reicht ihr jetzt. „Nie wieder selbstständig!“ fährt es aus ihr mit einem Lächeln heraus, das Erleichterung versprüht. Kemal sieht das etwas anders. Er hätte gerne noch ein paar Jahre weitergemacht, doch der Mietvertrag wurde nicht verlängert. Auch die Miete sei zu teuer gewesen.

Welche Bedeutung der Kiosk für Neuehrenfeld hat, zeigt eine Initiative von Stammkunden, die versucht haben, durch eine Unterschriftenaktion eine Rettung des Kiosks herbeizuführen. Vergeblich. Die Bilder der Unterschriftenaktion präsentiert die Kiosk-Betreiberin stolz auf ihrem Smartphone.

Ehrenfelder Büdchen: „Ein Ort der Zusammenkunft“

Das übrig gebliebene Sortiment lässt nichts vermissen, was man von einem Kiosk gewohnt ist. Kühle Getränke, Süßigkeiten, Kaffee aus dem Vollautomaten, Zigaretten. Aber „das ist ein sauberer Ort“, betont Kemal Genc-Özer. Bevor er den Kiosk – ursprünglich als kleiner Laden geplant – öffnete, hat er als Hausmeister für die Stadt Köln gearbeitet.

Niemandem unter 18 Jahren sei in diesem Kiosk je eine Schachtel Zigaretten verkauft worden. Das ist beiden wichtig. Kemal würde sich selbst zwar nicht als Autoritätsperson für seine junge Kundschaft bezeichnen, muss aber stolz schmunzeln, als er erzählt, dass die Jungs, die vor ihren Vätern rauchten, die Zigarette plötzlich versteckten, als sie an Kemals Kiosk vorbeischlenderten.

„Das war nicht nur ein Kiosk, sondern ein Ort der Zusammenkunft, ein Treffpunkt“, beschreibt Genc-Özer seinen Arbeitsplatz. Viele Leute kehrten nach langer Zeit zurück. Zum Beispiel Jordan. Ein Junge, der um die Jahrtausendwende zum ersten Mal den Weg in Kemals Kiosk gefunden habe, komme auch heute noch ab und zu vorbei, um das Ehepaar zu besuchen.

Erinnerung bleibt Teil der Veedelsgeschichte

Kemal scherzt über einen Nachmittag, an dem der Junge gar nicht nach Hause wollte: „Jede Minute, die du ab jetzt bleibst, kostet zehn Cent“, habe er den Jungen augenzwinkernd ermahnt. Kinder kamen nach der Schule her, um sich auszutauschen und – zu Zahides Überraschung – Hausaufgaben zu machen.

Es sei auch ein sicherer Ort für Frauen gewesen, die es in den eigenen vier Wänden nicht mehr aushielten. Mit der Schließung von Kemals Kiosk verschwindet also auch ein wichtiger Ort der Begegnung und des Austausches. Ehrenfeld verliert 25 Jahre Kiosk-Kultur. Wer der Nachmieter sein wird, weiß Kemal nicht.

„Irgendwie unter der Hand“, vermutet er. Aber auch wenn die Schatten seines Namens an der Wand verblassen und voraussichtlich übermalt werden, die Geschichten und Erinnerung rund um Kemals Kiosk werden Teil der Ehrenfelder Geschichte bleiben.

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