Polizeieinsatz in Köln-EhrenfeldVier Festnahmen bei Razzia in Flüchtlingsunterkunft

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Razzia in Neuehrenfeld: Die Kölner Polizei kontrollierte am Donnertagmorgen die Bewohner in der Flüchtlingsunterkunft Herkulesstraße.

Razzia in Neuehrenfeld: Die Kölner Polizei kontrollierte am Donnertagmorgen die Bewohner in der Flüchtlingsunterkunft Herkulesstraße.

Ehrenfeld – Die junge Frau hat sich die Bettdecke über den Kopf gezogen. Sie liegt auf einem Feldbett, von der Decke scheint grelles Neonlicht. Vor der Tür ihres schmalen Wohncontainers wachen zwei Polizisten. Es ist 6.50 Uhr am Donnerstag. Mehr als 600 Beamte haben die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft an der Herkulesstraße in Neuehrenfeld im Schlaf überrascht. Von allen Seiten haben die Einsatzkräfte das Gebäude umstellt. Rein kommt niemand, raus darf erst, wer seine Personalien angegeben hat. Nach und nach notieren Polizisten die Daten aller 670 Bewohner.

Die Razzia sei Teil eines grenzübergreifenden Schwerpunkteinsatzes gegen Einbrecher, Metall- und Taschendiebe gewesen, berichtet Kriminaloberrat Thomas Schulte am Nachmittag. Beteiligt waren verschiedene Polizeibehörden im Rheinland, aber auch in benachbarten Bundesländern sowie in Frankreich und den Benelux-Staaten.

Grüne und Linke kritisieren starkes Polizei-Aufgebot

In Köln richtete sich der Fokus auf die Herkulesstraße – allerdings nicht auf die Masse der unbescholtenen, vielfach traumatisierten Flüchtlinge, wie Polizeipräsident Wolfgang Albers betonte. „Aber wir wissen, dass Straftäter dieses Heim als Unterschlupf missbrauchen.“ Insgesamt 159 Laden- und Taschendiebe, die die Polizei in diesem Jahr in Köln erwischt hat, gaben als Wohnsitz die Unterkunft in der Herkulesstraße an. Sie seien für mindestens 420 Taten verantwortlich. „Davor darf die Polizei nicht die Augen verschließen“, so Albers.

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Davon kann an diesem Donnerstag auch nicht die Rede sein: Mehr als 600 Polizisten für 670 Bewohner – nicht nur die Grünen und die Linke kritisieren das starke Aufgebot als „völlig unverhältnismäßig“. Von einer „unzumutbaren Belastung“ spricht der Kölner Flüchtlingsrat: „Unglaublich, wie massiv die Polizei hier aufgetreten ist. Wie wirkt das auf die etwa 300 Kinder?“, fragt Geschäftsführer Claus-Ulrich Prölß. Es seien „annähernd so viele Polizisten“ beteiligt gewesen wie bei dem Einsatz gegen fast 5000 Hooligans bei der Demo am 26. Oktober, schimpft der Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Köln, Tayfun Keltek. Und Peter Krücker von der Caritas, zugleich Sprecher des Runden Tisches für Flüchtlingsfragen, kritisiert, „Willkommenskultur“ sehe anders aus.

Aber Krücker findet auch Worte des Lobes: „Es ist den Polizisten gelungen, für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Die Flüchtlinge haben alles ruhig und gelassen hingenommen.“ Nur einmal kommt Hektik auf, als ein Mann die Flucht ergreifen will. Polizisten halten ihn auf. Wie sich herausstellt, handelt es sich um einen völlig unbescholtenen Flüchtling, der beim Anblick der Polizisten in Panik geraten ist. Viele Bewohner aus Kriegsgebieten hätten aus ihren Heimatländern andere Eindrücke von uniformierten Polizisten, sagt Albers. Aber darauf seien die Beamten vorbereitet gewesen.

Und warum das hohe Aufgebot? Man hätte auch bloß eine Hundertschaft einsetzen können, sagt Einsatzleiter Schulte, habe die Kontrollen aber zügig durchziehen wollen, „um die Belastung für die Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung geflohen sind, möglichst gering zu halten“.

Gemessen am ursprünglichen Ziel der Aktion, Straftäter aufzuspüren, fällt die Bilanz der Razzia eher dürftig aus: Vier Festnahmen, darunter nur ein Taschendieb. Die drei anderen Männer müssen wegen Widerstands, illegalen Aufenthaltes oder Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz mit auf die Wache. Eine 17-jährige Staatenlose, die als vermisst gemeldet war, wird dem Jugendamt übergeben. Außer einem Handy finden die Beamten keinerlei Diebesgut.

Dennoch spricht der Einsatzleiter von einem „Erfolg“. Es mache durchaus Wirkung auf die Intensivtäter, wenn man sie mal zu Hause besuche, sagte Schulte. Er habe sich zwar auch ein paar Festnahmen mehr gewünscht, aber das sei eben wie beim Angeln: „Es kann funktionieren, muss aber nicht.“ Gerüchte, wonach die Razzia im Vorfeld verraten worden sein könnte, wollte er nicht kommentieren. Nur so viel: „Ich halte es nicht für wahrscheinlich, aber auch nicht für unmöglich.“ Durch die Razzia habe die Polizei neue Hinweise erhalten. Schulte spricht von „Erkenntnisgewinnung und -verdichtung“. So seien 50 polizeibekannte Personen angetroffen worden, die gar nicht in der Herkulesstraße gemeldet seien. Das gebe Aufschluss über Verbindungen zu anderen Bewohnern.

Und schließlich habe die Polizei mit der Aktion auch auf Klagen von unbescholtenen Flüchtlingen reagiert. Manche von ihnen hätten zuletzt immer wieder Drangsalierungen und Angriffe von Intensivtätern erlebt.

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