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Kölner Behörde überlastet9000 Einbürgerungs-Anfragen unbearbeitet – 320 Klagen gegen die Stadt

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Das Bild zeigt die Familie von Ezzat Abdulla (links) und Medea Al Abdallah (rechts) und Angelika und Markus Schöneberger (Mitte), die sie bei Anträgen zur Einbürgerung unterstützen. Foto: Sandra Milden

Die Familie von Ezzat Abdulla (links) und Medea Al Abdallah (rechts) wurde bekannt, weil die Syrer ihre Tochter Angela nannten. Angelika und Markus Schöneberger (Mitte) unterstützten sie bei den Anträgen zur Einbürgerung. 

Die Einbürgerungsstelle des Kölner Ausländeramts ist aufgestockt worden. An den Wartezeiten hat sich wenig geändert. Eine Bestandsaufnahme.

Ezzat Abdulla und Medea Al Abdallah, die vor einigen Jahren flüchtige Bekanntheit erlangten, weil sie ihre Tochter – aus Dankbarkeit für die Solidarität der damaligen Kanzlerin – Angela nannten, wollen nichts Schlechtes über ihr Einbürgerungsverfahren erzählen. Sie haben seit August den deutschen Pass und bei der Kommunalwahl im September zum ersten Mal gewählt. Sie fühlen sich angekommen in Köln – „und wir sind sehr froh, nicht mit der Angst leben zu müssen, irgendwann nach Syrien zurückgehen zu müssen“, sagt Ezzat Abdulla. Es habe „ein bisschen gedauert mit dem vielen Papier“, sagt der 35-Jährige, der bei einem Kölner Konzern im Lager arbeitet, „aber wir sind sehr glücklich“.

Vor zehn Jahren kam die Familie nach Köln, hier wurde wenige Monate später Tochter Angela geboren. Dass sich mit ihrer Einbürgerung ein Kreis schließt, wäre allerdings „ohne Angelika und Markus nicht denkbar“, sagt Abdulla. Angelika und Markus heißen mit Nachnamen Schöneberger, sie haben eine Patenschaft für die Familie übernommen und helfen ihr bis heute viel. Im August 2023 beantragten sie die Einbürgerung, im April 2024 sei es zum Erstgespräch gekommen, erinnert sich Angelika Schöneberger. „Wir haben alle erforderlichen Unterlagen abgegeben, erhielten aber in der Folge mehrfach die Aufforderung, bereits eingereichte Unterlagen einzureichen.“

Ohne Integrationshelfer sind auch Flüchtlinge, die viel für ihre Integration und zum Beispiel ihren deutschen Pass tun, verloren
Angelika und Markus Schöneberger, Paten einer Familie aus Syrien

Besonders absurd sei es gewesen, dass sie eine Geburtsurkunde für die im Juni 2024 geborene Isabella „gleich sechsmal“ einreichen sollten. Für ein anderes Kind – Josef – sollten sie noch zwei Monate vor der Einbürgerung einen neuen Aufenthaltstitel beantragen. Gehaltsabrechnungen mussten mehrfach nachgewiesen gewiesen – „weil die Anträge so lange nicht bearbeitet wurden“. Die Schönebergers erzählen viele Geschichten über mitunter kafkaeske Irrwege in Kölner Behörden. Ihr Fazit lautet: „Ohne Integrationshelfer sind auch Flüchtlinge, die viel für ihre Integration und zum Beispiel ihren deutschen Pass tun, verloren.“

Ab Juni 2024 konnten Ausländer schon nach fünf Jahren (und bei besonders guter Integration nach drei Jahren) in Deutschland eingebürgert werden – vorher mussten sie acht Jahre hier gelebt haben. In der Folge gingen Tausende Einbürgerungsanträge bei der Stadt Köln ein, die die Ausländerbehörden massiv überforderten – im vergangenen Sommer wurden für mehrere Monate keine Anträge mehr angenommen. Jüngst hat die neue Bundesregierung die „Turbo-Einbürgerung“ wieder zurückgenommen.

Köln: 2300 Einbürgerungen zwischen Juni und Ende September

Obwohl die Einbürgerungsstelle seitdem massiv ausgebaut wurde – aktuell gibt es dort 72,5 Stellen, zehn Prozent sind noch nicht besetzt – hat sich die Anzahl der zu bearbeitenden Anträge bislang nicht verringert: 9000 Anträge auf Einbürgerung werden aktuell bearbeitet, weitere 9000 Anfragen liegen noch unbearbeitet in der Behörde, teilt die Stadt mit. 320 Untätigkeitsklagen gegen die Stadt Köln sind in diesem Jahr bereits eingegangen, im gesamten Jahr 2024 waren es 291. Ein verlorenes Verfahren kostet die Stadt im Schnitt rund 1230 Euro. Da viele Verfahren noch liefen, könne sie nicht mitteilen, welche Kosten dadurch entstanden sind.

Untätig ist die Ausländerbehörde insgesamt nicht: Allein zwischen Juni und Ende September 2025 sind in Köln 2300 Einbürgerungsurkunden ausgestellt worden. Die Wartezeiten haben sich laut Stadtverwaltung zumindest geringfügig verringert: Dauerte es bis zu einem Erstgespräch im Jahr 2024 noch 14 und bis 16 Monate, warteten die Menschen aktuell „nur noch“ zwölf Monate auf einen ersten Termin.  Vom allerersten Kontakt mit der Behörde bis zur Einbürgerung vergehen der Stadt zufolge „im Schnitt zwölf bis 20 Monate“ – das gelte indes nicht für sogenannte „Altfälle“, die schon vor Januar 2025 vorlagen. Hier dauere es deutlich länger.

Zu den sogenannten „Altfällen“ zählt auch Barbara A. Cepielik. Ihre erste Mail an die Ausländerbehörde schrieb sie im März 2024 – „ohne Reaktion“. Bei ihrer zweiten Mail habe sie eine Eingangsbestätigung erhalten, auf Nachfrage dann aber erfahren, dass die Behörde keine Kapazitäten habe. „Ich sollte ins Internet gucken, wann wieder Termine vergeben werden.“ Am 4. Februar 2025 schließlich gab Cepielik, US-amerikanische Staatsbürgerin, die nur das erste Jahr ihres Lebens in den USA verbrachte, alle erforderliche Unterlagen in der Behörde ab. „Im Juli wurde ich dann gebeten, erneut Lebenslauf und Mietvertrag einzureichen.“ Seitdem herrsche Funkstille.

Das Build zeigt Barbara A. Cepielik. Foto: Arton Krasniqi

Barbara A. Cepielik ist in Texas geboren, im Alter von einem Jahr kam sie nach Deutschland. Ihre Einbürgerung lässt lange auf sich warten.

Die 66-Jährige hat über Jahrzehnte als Redakteurin für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ gearbeitet. Besonders grotesk sei es auch vor diesem Hintergrund gewesen, dass die Sachbearbeiterin sie nach einem B2-Nachweis ihrer Deutschkenntnisse gefragt und so lange darauf beharrt habe, bis sie „merkte, dass ich über 65 bin und deswegen keine Sprachkenntnisse mehr nachweisen muss“. Auf ihre Nachfrage Anfang Juli, ob es mit der Einbürgerung bis zur Kommunalwahl am 14. September klappe, habe die Behördenmitarbeiterin geantwortet: „Nein, das schaffe ich nicht.“ Ein Eishockey-Spieler der Kölner Haie sei jüngst nach wenigen Wochen eingebürgert worden. „Bei ihm ging es um die Saison einer Profimannschaft – das scheint in Köln wichtiger zu sein als eine Kommunalwahl.“

Das Bild zeigt Nina Giaramita Foto: Privat

Nina Giaramita ist in Deutschland geboren.

Während es bei Cepielik nur noch eine Frage von Wochen oder Monaten sein dürfte, bis sie ihren deutschen Pass bekommt, scheitern viele Kölnerinnen und Kölner schon an der Hürde eines Termins für ein Erstgespräch. Auf das sogenannte Antragsklärungsgespräch warten Einbürgerungswillige in Köln aktuell laut Stadtverwaltung im Schnitt ein Jahr – längst nicht alle bekommen indes einen Termin zugewiesen.

Am Telefon bin ich vertröstet worden, auf Mails kam nie eine Antwort. Das ist auch angesichts der aktuellen Debatten über Migration und Abschiebungen sehr traurig
Nina Giaramita, in Deutschland geboren, Mutter Finnin, Vater Italiener

Nina Giaramita, in Deutschland geboren, Mutter Finnin, Vater Italiener, hat im November 2023 ihre erste Mail an die Behörde geschickt. Außer einer Eingangsbestätigung habe sie nie eine Antwort erhalten, sagt sie. Fünf- oder sechsmal habe sie seitdem angerufen und Mails geschrieben. „Am Telefon bin ich vertröstet worden, auf Mails kam nie eine Antwort.“ In einer Whatsapp-Gruppe mit rund 80 Menschen, die auf ihre Einbürgerung warten, hätten viele ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. „Das ist nicht nur ärgerlich“, sagt Nina Giaramita, „das ist auch angesichts der aktuellen Debatten über Migration und Abschiebungen sehr traurig.“

Die Verwaltung bereitet aktuell eine digitale Beantragung der Einbürgerung vor. Auch die Bezahlung und die Terminvergabe sollen mittelfristig digital erfolgen. Wann das sein könnte, steht noch nicht fest.