Flächenbrand in der AfDNRW-Mitglieder zetteln massive Rebellion gegen Björn Höcke an

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Björn Höcke

Innerparteiische Rebellion gegen Björn Höcke 

  • Der seit vielen Monaten erbittert geführte Machtkampf der Lager innerhalb der AfD hat sich zu einem Flächenbrand ausgeweitet.
  • Seit anderthalb Jahren basteln Parteimitglieder aus NRW an einer Rebellion gegen den unverhohlen nationalistischen Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke.
  • Eine enorme Zahl an Mitgliedern ist an dem jetzt offenen Aufstand gegen den völkischen Flügel der Partei beteiligt.
  • Was genau steht in dem Brandbrief der NRW-Gruppe? Und was bedeutet der Aufstand für die Partei? Eine Analyse.

Der seit vielen Monaten erbittert geführte Machtkampf der Lager innerhalb der AfD hat sich spätestens am Mittwoch zu einem Flächenbrand ausgeweitet. Eine Gruppe „Gemäßigter“ um den stellvertretenden Bundessprecher Kay Gottschalk aus Viersen hat am frühen Morgen ein Papier veröffentlicht, in dem sie den Thüringer Landeschef und Flügel-Gründer Björn Höcke scharf attackiert.

Die bürgerliche Mitgliedschaft von mehr als 35.000 Personen lehne den „Personenkult“ um Höcke ab. Er sei „nicht demokratisch legitimiert, für die AfD als Gesamtpartei zu sprechen“, heißt es in dem als „Appell“ ausgewiesenen Schreiben. Darunter befindet sich eine Liste mit mehr als hundert Unterzeichnern, die dieser Zeitung vorliegt. Im Lauf des Tages sind angeblich weit über tausend Unterschriften dazugekommen.

Beim ersten Studium wirkt das Dokument nur wie eine weitere Episode im Dauerzwist zwischen den Bürgerlich-Konservativen und dem völkischen Flügel. Bei genauerer Betrachtung indes entfaltet es eine immense Sprengkraft. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Kreisen der Unterzeichner erfuhr, habe man bereits seit anderthalb Jahren an der Rebellion gegen Höcke gebastelt. Bislang aber hatte man auf eine gemeinsame Erklärung verzichtet. Nach der Rede Höckes auf dem Kyffhäuser-Treffen im thüringischen Leinefelde am Wochenende aber war der Anlass gegeben, öffentlich das Schwert gegen den Rechtsaußen und seine Sympathisanten zu ziehen. Bundessprecher Alexander Gauland war zwar eigens zum Kyffhäuser gereist, um Höcke öffentlich zur Mäßigung zu rufen.

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Doch den Flügel-Anführer kümmerte das wenig. Mit markigen Worten knöpfte er sich nacheinander parteiinterne Feinde und schließlich auch den Bundesvorstand vor. Damit habe er „die innerparteiliche Solidarität verletzt“, heißt es in dem jetzt veröffentlichten Brandbrief. Immer wieder kokettiert Höcke damit, bei den Wahlen für die neue Parteispitze Endes des Jahres selbst zu kandidieren.

Wenn man zwischen den Zeilen liest, kann der „Appell“ der Gemäßigten durchaus auch als Aufstand gegen Parteichef Gauland gedeutet werden. „Wir stehen geschlossen hinter unserem Bundesvorstand und seinen Entscheidungen“, heißt es zwar. Doch auf bedingungslose Treue kann sich der Chef offenbar nicht mehr verlassen. Gauland war in die Pläne angeblich nicht eingeweiht, auch seinen Namen sucht man auf der Liste der Unterzeichner vergeblich. Hinter den Kulissen wählen die Unterstützer des Appells wenig überraschend ganz andere Worte. „Gauland ist mit seinem Kurs gegenüber Höcke gescheitert“, sagt einer von ihnen. „Er hat den Zeitpunkt verpasst, klare Kante zu zeigen. Jetzt muss man einschreiten.“

Tatsächlich hatte es die Berliner Parteispitze in der Vergangenheit nicht geschafft, den Thüringer Landesfürsten unter Kontrolle zu bringen. Ganz im Gegenteil: Höcke konnte im Osten der Republik im Humus der Nationalisten zu einer Lichtgestalt wachsen. Ordensverleihungen, Flaggeneinmärsche, Gesänge – in der Partei redet man längst von einem „Führerkult“, den Höcke selbst befördert habe. Doch Gauland weiß freilich auch, dass ein offener Bruch mit dem mächtigen Landeschef die bereits kalkulierten Erfolge im Osten in Gefahr bringen könnte. Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg erwartet die AfD mitunter immerhin Ergebnisse jenseits der 20 Prozent. Geht es nach den Initiatoren des „Appells“ wird es den Flügel in seiner jetzigen Form bald nicht mehr geben. „Ich sehe einen fundamentalistischen Teil und ein Realo-Lager“, sagt Kay Gottschalk.

Realos in der Mehrheit

Die Realos seien mit 80 Prozent deutlich in der Mehrheit. Mit diesem Teil des Lagers, der intern schon Neo-Flügel genannt wird, wolle man auch weiterhin zusammenarbeiten. Höcke und der Rest dagegen seien mit der jetzigen Haltung entbehrlich. Jörg Meuthen hat in einer Stellungnahme Verständnis für den Brandbrief gezeigt.

„Der Unmut und die massive Kritik über das Auftreten und manche Äußerungen“ Höckes seien „in der Partei vernehmlich“, sagte der Bundessprecher, der bei den Vorstandswahlen Höckes größter Konkurrent sein könnte. Am Wochenende werden die beiden in Cottbus aufeinandertreffen. Dort sollen sie im Schein der Einigkeit zusammen Wahlkampf machen.

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