Mohamed Badarne hat mit seiner Kamera in die Gesichter der Arbeitsmigranten in Katar geschaut und ihre Familien besucht. Eine bewegende Ausstellung über ihre Schattenseiten begleitet die WM 2022 im Sportmuseum.
„Forgotten Team“Bewegende Kölner Ausstellung über Arbeitsmigranten in Katar

Fotograf Mohamed Badarne in seiner Ausstellung „Forgotten Team“
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„Meine Schwester war erst 24 Jahre alt, als sie dieses Jahr in Katar verstarb.“ Sätze wie dieser stehen nun vielfach an den Wänden des Deutschen Sport- und Olympiamuseums. Sabitri Tamang ist auf einer Fotografie neben dem Zitat von ihr in pinkem Kleid vor einer kahlen Wand zusehen. Das junge Mädchen gehört zu einer Reihe von Familien in Indien und Nepal, die der Fotograf Mohamed Badarne seit fünf Jahren begleitet. Die traurige Gemeinsamkeit der Protagonisten und Protagonistinnen von Badarne liegt darin, dass sie sogenannte Arbeitsmigrantinnen und -migranten in Katar sowie ihre Angehörigen sind. In der Ausstellung „Forgotten Team“ erzählt der palästinensische Künstler und Aktivist im Sportmuseum ihre Geschichten. Am Freitag, zwei Tage vor dem Start der WM in Katar, hat sie eröffnet.
Arbeitsmigration in Katar: Mohamed Badarne zeigt „das Leben hinter seinem Hotel“
„Ich kam nach Katar wie Tausende von Arbeitern“, zitiert Badarne den Arbeiter Mohamed Khan. Ihn hat der Fotograf in Katar getroffen – auch sich selbst in Gefahr begebend. 2017 fing Badarne an, die Missstände zu dokumentieren. Während einer Ausstellung in dem arabischen Land habe er „das Leben hinter seinem Hotel“, das Katar verstecken will, nicht verdrängen können. Er hat seine Protagonisten bei der Arbeit aufgenommen, konnte ihre Verletzungen gesehen und durfte bis in die kleinen Privaträume vordringen, die ihnen zur Verfügung stehen.
Fünfzig Menschen teilten sich in den Lagern eine Dusche, zwölf ein Zimmer, berichtete Badarne von seinen Eindrücken bei der Eröffnung im Sportmuseum. „Ich erzähle die Geschichte dieser Menschen, ich bringe das Wissen über die Lage rüber“, beschrieb er seine Motivation hinter dem mittlerweile fünfjährigem Projekt.
„Forgotten Team“: Mohamed Badarne zeigt die Gesichter der Arbeitsmigranten
Die Aufnahmen, die in die Gesichter der Arbeitsmigranten schauen, zeigen nicht nur das Leben Vieler in Katar, sie stehen auch für das Schicksal von Menschen in Dubai oder Bahrain, deren grausame Realitäten Mohamed Badarne ebenfalls ins Bewusstsein rief. „Mein Projekt wird weitergehen, auch wenn die Fifa-WM beendet ist“, verspricht der Fotograf.
Badarnes Nähe zu den Betroffenen spiegelt sich in der Ausstellung, kuratiert von Salah Saouli aus Beirut, wider. Von verrosteten Metallbetten schauen die Arbeiter die Besucherinnen und Besucher an, die Komposition der Fotografien der Angehörigen in Nepal lässt eine schmerzhafte Abwesenheit um sie herum spüren. Eine der wenigen Fotografien, die nicht in Badarnes nahbarem und damit berührendem Stil eine Person porträtiert, ist die Aufnahme des Reisepasses von Gobinda Roka. Doch auch diese prägt sich den Betrachtenden ein: Ein eingestempeltes „Passed Away“ („Verstorben“) entkräftet das so wertvolle Dokument nüchtern. Es ist alles, was der Familie von Gobinda Roka geblieben ist.
Der nur auf den ersten Blick banalen Aufnahme kommt mit ihrer vielschichtigen Symbolkraft in der Thematik eine Schlüsselrolle in der Ausstellung zu. Oftmals werden Arbeitsmigranten und -migrantinnen die Pässe weggenommen, so dass sie nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können. Die Menschen, die Mohamed Badarne kennengelernt hat, waren teils mehrere Jahre nicht bei ihren Familien.
1. FC Köln und Sportmuseum zeigen Missstände um die WM in Katar
Für diese Ausstellung ist – anders als gewöhnlich – der 1. FC Köln auf das Museum zugekommen, um auf die Menschenrechtsverletzungen in Katar aufmerksam zu machen. „Wir entfernen den Fußball immer weiter vom Volkssport, und das erreicht mit der WM in Katar jetzt vielleicht seinen traurigen Höhepunkt“, sagte FC-Vizepräsident Eckhard Sauren zur Eröffnung. „Ich finde es richtig und wichtig, dass das Thema diskutiert wird, damit man künftig bei Vergaben soziale und menschenrechtliche Kriterien stärker berücksichtigt“.
In der Ausstellung ruft ein eingedellter Fußball in Erinnerung, weshalb diese tausende von Menschen sterben und leiden. Er steht in der einzigen Vitrine im Zentrum des Raums. Auf ihm haben die Betroffenen, die Mohamed Badarne in Nepal und in Katar besucht hat, unterschrieben. „Sie sind auch Helden“, sagt der Fotograf über die Arbeiterinnen und Arbeiter, deren Namen im Vergleich zur Fußball-Elite niemand kennt. „Ich hatte mir Geld geliehen, um zu kommen, aber nie erwartet, dass ich bleiben würde – in Armut und Hunger, auf einem Holzbett mit einer fünf Zentimeter dicken Matratze schlafend und von abgelaufenen Konserven essend“, wird der Arbeiter Mohamed Khan in der Ausstellung weiter zitiert.
Neben den Fotografien hängt auch eine Kleiderstange im Ausstellungsraum. Auf Bügeln sind rote Fußball-Trikots aufgehängt. „M. Bollapally“ aus Indien mit der Nummer 43, „Sujan Miah“ und „Suman Miah“ aus Bangladesh mit den Nummern 32 und 34 sind die Namen dieser „Helden“, die Badarne im Sportmuseum in die Reihen der WM-Teilnehmer stellt. Doch nicht etwa ein Vereinsname steht unter ihren Namen auf dem Shirt-Rücken, sondern „Died in Katar“ heißt es in großen Lettern. Sie sind das „Forgotten Team“.
Die Ausstellung „Forgotten Team“ zur FIFA Weltmeisterschaft 2022 in Solidarität mit Arbeitsmigranten und -migrantinnen in Katar hat bis zum 15. Januar im Deutschen Sport und Olympia Museum geöffnet, der Besuch ist im allgemeinen Eintrittspreis von 8 Euro, ermäßigt 5 Euro, enthalten. Das Museum ist dienstags bis sonntags und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet.