Gefahr für ältere MenschenKölnerin macht sich Sorgen um Hitze in Großstädten

Lesezeit 3 Minuten
Kaffee Ristow

Annetta Ristow auf der Deutzer Freiheit 

  • Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  • Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Heute spricht sie mit Annetta Ristow über die Gefahr von Hitze für ältere Leute.
  • 2018 starben rund 20.000 Menschen durch extreme Temperaturen in Deutschland – vor allem in Großstädten wie Köln.

Köln – Als uns in diesem kühlen, verregneten August die Bilder aus Griechenland und anderen südeuropäischen Ländern erreichten, fühlte sich meine heutige Gesprächspartnerin sehr in ihrer Arbeit bestätigt. Auch wenn Hitze in diesem Sommer bei uns nicht das große Thema war, könnte das schon im nächsten Jahr völlig anders sein, und dann gerät vor allem die Bevölkerungsgruppe in Gefahr, die aus Sicht von Annetta Ristow viel zu wenig berücksichtigt wird: die älteren Menschen.

Ich bin heute für meine Kaffee-Rubrik mal wieder auf der „Schäl Sick" unterwegs und begegne Ristow auf der Deutzer Freiheit. Sie sei Griechin, in Thessaloniki geboren, erzählt sie mir beim Cappuccino im Café Heimisch, „aber schon mit drei nach Deutschland gekommen“. Extreme Hitze kennt die 61-Jährige jedoch nicht allein aus ihrer Heimat. „Im Sommer 1987, als ich mit meinem Sohn schwanger war, war es hier auch besonders schlimm“, erinnert sie sich. Der große Unterschied besteht aus Ristows Sicht darin, dass die Menschen in Griechenland und in anderen südlichen Regionen sich viel besser und klüger gegen Extrem-Temperaturen wappnen, als man es hierzulande tut, wo man in Sachen Klima-Anpassung noch hinterherhinke.

Die Nähe zum Rhein nützt bei Hitze nicht – im Gegenteil

Aktuelle Studien zeigten, dass in Deutschland mittlerweile mehr Menschen durch Hitze sterben als in anderen Teilen der Welt. Tendenz steigend. Stellt man zwei Zahlen gegenüber – nämlich die rund 20.000 Hitzetoten allein in der Bundesrepublik im Jahr 2018 und die rund 30.000 Menschen, die in 2020 an oder mit Corona verstarben – dann ist es für Ristow schwer nachvollziehbar, dass dem Thema Hitze, insbesondere in Großstädten wie Köln, so wenig Dringlichkeit und Handlungsbedarf zugeschrieben wird.

Das könnte Sie auch interessieren:

Sie sei Koordinatorin des Seniorennetzwerks Deutz, erzählt die sechsfache Mutter, und sehr glücklich über ihre Arbeit, weil Seniorenarbeit „so schön und so menschlich“ sei. Dass nun ausgerechnet dieser Stadtteil für ein Modellprojekt in Sachen Hitzeanpassung ausgewählt worden sei, freue sie einerseits, zeige auf der anderen Seite aber auch, dass die Situation gerade in Deutz besonders brenzlig und der Stadtteil mehr als andere Veedel betroffen sei. „Trotz der Nähe zum Rhein ist es hier noch mal zwei oder drei Grad heißer.“

Man trinkt nicht, um nicht müssen zu müssen

Nur sei man hier eben - anders als etwa in Griechenland - kaum auf Extremtemperaturen eingestellt. „Wir wissen nicht, wie man Wohnungen kühl halten kann. Wir haben keine Übung darin, enge Gassen mit großen Tüchern abzuschirmen. Wir lernen nicht, dass wir durch den Verzehr von Nüssen wichtige Nährstoffe kompensieren, die wir bei starker Hitze ausschwitzen. Wir kennen keine Siesta.“

Im Zusammenhang mit dem sperrigen Wort „Hitze-Resilienz“ seien zunächst Recherche-Aufgaben vonnöten: Wo gibt es schattige Plätzchen – wo keine? Wie lang sind die Wege? Wo gibt es Bänke? Wo krieg ich ein Glas Wasser? Wo gibt es Toilettenhäuschen?“ Letzteres, räumt Ristow ein, sei das Hauptproblem: „Wenn Menschen nicht trinken, weil sie Angst haben zu müssen!“ Anders als in Griechenland, „wo das Alter noch ganz anders geschätzt wird“, werde hier zu wenig drüber nachgedacht, dass alte Menschen nicht mehr kilometerweit laufen können. Derzeit sei sie mit ihrer Seniorengruppe dabei, ein „Hitzetelefon“ zu organisieren. Im besten Fall sei das auch noch eine Maßnahme gegen ein anderes, zunehmendes Problem: „Einsamkeit." 

KStA abonnieren