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Cessna-AbsturzKampfpilot versuchte, mit Flugmanövern Aufmerksamkeit zu erregen

Lesezeit 4 Minuten
Cessna 551 BEHM 050922

Unglücks-Cessna 551 und Eurofighter über Köln.

Köln – Es waren dramatische Stunden, die sich am Sonntagabend über Teilen des europäischen Luftraums abgespielt haben. Die Cessna 551 des Kölner Unternehmers und Karnevalsfunktionärs Peter Griesemann glitt führerlos durch die Lüfte. Mit an Bord waren seine Frau Juliane sowie seine Tochter Lisa mit ihrem Freund Paul. Was war passiert?

Alle vier hatten, so legen es die bisherigen Ermittlungen nahe, durch einen plötzlichen Druckabfall das Bewusstsein verloren. Das Flugzeug, das Griesemann wohl selbst steuerte, war im südspanischen Jerez mit dem Ziel Köln gestartet. Das Problem konnte der als erfahren geltende Pilot noch selbst an die Bodenkontrolle weitergeben.

Cessna-Absturz: Über Frankreich brach Kommunikation ab

Dann verstummte er, über Frankreich brach die Kommunikation ab, der Autopilot übernahm, wenige Stunden später war der Tank leer, um 19:45 Uhr stürzte die Maschine nahe der lettischen Küste in die Ostsee und zerschellte. Am Dienstag berichtet die lettische Seerettungskoordinationsbehörde von „menschlichen Überresten“, die man gefunden und zur weiteren Ermittlung an die Kriminalpolizei übergeben hätte.

So genannte Geisterflüge wie dieser seien eine absolute Seltenheit, sagte ein Sprecher der Luftwaffe dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ihm sei bislang kein vergleichbarer Fall bekannt, der sich im deutschen Luftraum ereignet hätte. Möglichkeiten zur Rettung einer solchen Maschine, etwa eine kontrollierte Landung via Fernsteuerung, gebe es nicht. „Da kein Kontakt mehr hergestellt werden konnte, waren Pilot und Passagiere quasi dem Tod geweiht. So tragisch und bedauerlich das klingt.“

Germanwings-Absturz 2015 löste Debatte aus

Debatten um ein Eingreifen von außen gibt es jedoch schon länger. Pilotenverbände stehen dem eher kritisch gegenüber. Zuletzt hatten die Ereignisse an Bord einer Germanwings-Maschine im März 2015 Forderungen nach neuen technischen Möglichkeiten laut werden lassen. Ein deutscher Pilot hatte die Maschine gezielt zum Absturz gebracht und 119 Insassen mit in den Tod gerissen.

2005 musste die griechische Flugsicherung stundenlang zuschauen, wie eine führerlose Boing 737 der Helios Airways über einem Gebirge nahe Athen kreiste und schließlich abstürzte. 121 Menschen kamen ums Leben. Wie im Fall von Griesemanns Cessna hatten die Piloten kurz nach dem Start einen Druckabfall gemeldet, danach brach der Funkkontakt ab. 

Es sind komplexe Vorgänge, die bei solchen Vorfällen im Hintergrund abgearbeitet werden müssen. Denn eine führerlose Maschine kann schnell auch zu einer Bedrohung für andere werden. Auch Entführungen aus terroristischen Gründen können nicht ausgeschlossen werden. Das Militär muss übernehmen.  

Flugsicherheit in Kalkar-Uedem übernahm

Schon die Franzosen hatten zur Begleitung von Griesemanns Privatmaschine Kampfjets aufsteigen lassen und das Nationale Lage- und Führungszentrum für Sicherheit im Luftraum (NLFZ SiLuRa) im niederrheinischen Kalkar-Uedem informiert. Von hier aus wurde auf Grundlage der übermittelten Daten - Kurs des Autopiloten und Treibstoff – eine minutengenaue Prognose über die voraussichtliche Dauer des weiteren Verlaufs des Fluges gestellt. 

Die Bundeswehr wusste also schon frühzeitig, wann und wo die Maschine abstürzen und dass es nicht auf deutschem Boden passieren würde.

Deutliche komplizierter wäre es geworden, wenn die führerlose Cessna zu einer Bedrohung für besiedelte Gebiete geworden wäre. In einem solchen Fall hätten sich die Experten des NLFZ in Uedem über das weitere Vorgehen beraten müssen. Drei Ministerien sind an dem Standort vertreten: Verteidigung, Inneres und Verkehr.

Mit Manövern Kursänderung erzwingen

Eine Möglichkeit bestehe zwar grundsätzlich, durch fliegerische Manöver eine Kursänderung des Flugzeugs zu erzwingen und somit unter Umständen auch Einfluss auf den Ort des Absturzes nehmen zu können, sagte der Luftwaffensprecher. Die finale Variante wäre jedoch ein Abschuss der Maschine.

Ein solches Vorgehen aber erklärte das Bundesverfassungsgericht im Zuge der Terrordebatte im Februar 2008 für verfassungswidrig. Unschuldige zu töten, verstoße gegen die Menschenwürde, hieß es in der Begründung. „Im akuten Fall müsste gegebenenfalls eine politische Entscheidung getroffen werden, die alle relevanten Belange berücksichtigt“, sagte der Luftwaffen-Sprecher.

Um 17:19 Uhr am späten Sonntagnachmittag erging aus Uedem der Befehl an die für den süddeutschen Raum zuständige Alarmrotte des Luftwaffengeschwaders 74 in Neuburg an der Donau. Ein Eurofighter stieg um 17:28 Uhr auf, raste mit etwa 1200 Stundenkilometern, knapp unterhalb der Schallmauer, Richtung südliches NRW und übernahm dort etwa 20 Minuten später den Flieger, die Franzosen drehten ab.

Kampfpilot versuchte mit Lärm und Flugmanövern aufzufallen

Der Pilot des Kampfjets habe sich zunächst neben das Cockpit der Cessna begeben, aber keinerlei Bewegungen oder Lebenszeichen feststellen können, sagte der Luftwaffen-Sprecher. Anschließend habe er vergeblich mit verschiedenen Flugmanövern versucht, optisch Aufmerksamkeit zu erregen. So habe er den Nachbrenner des Kampfflugzeugs benutzt, eine geräuschintensive Zusatzeinrichtung, die den Schub der Triebwerke erhöht. In der Cessna aber blieb es still.

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Als das Geisterflugzeug gegen 18:25 Uhr die Grenze zwischen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern passierte, übernahmen die weitere Begleitung zwei Eurofighter der Alarmrotte aus Laage bei Rostock, die für den norddeutschen Raum zuständig sind. Um 18:47 Uhr verließ Griesemanns Cessna den deutschen Luftraum, unmittelbar danach wurden die deutschen Eurofighter von dänischen Kampfjets abgelöst. Auch eine deutsch-spanische - ebenfalls aus Eurofighter bestehende - Alarmrotte des derzeit laufenden Air Policings der Luftwaffe im Baltikum aus Ämari (Estland) war bereits in der Luft. Um 19:45 Uhr krachte das Flugzeug mit 475 Stundenkilometern ins Meer.  

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