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Unterwegs mit Ingo Donot„Als wir nach Köln gezogen sind, war die Schäl Sick noch nicht gentrifiziert“

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Das Bild zeigt Ingo Knollmann (Ingo Donot), Frontmann und Sänger der deutschen Punk-Band Donots,stehend in einem Hauseingang. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Ingo Knollmann (Ingo Donot), Frontmann und Sänger der deutschen Punk-Band Donots, steht in einem Hauseingang.

Seit mehr als 30 Jahren ist Ingo Knollmann mit seiner Band Donots unterwegs. Ein Gespräch über Köln, Freundschaft und die Herausforderungen eines Akustik-Albums.

„So sehr ich Köln auch vermisse, die subkulturelle Vielfalt und das gut gemeinte rumstehen am Büdchen mit so Leuten wie David Schuhmann von KMPFSPRT und Hammerhead, mit Familie nutzt du eine Großstadt nicht mehr wie eine Großstadt.“

Ingo Knollmann und ich warten an einer Ampel in Münster, ein bisschen spazieren wollen wir, denn Laufen ist besser als sitzen und viel besser als sich über Zoom zu unterhalten und das werde ich heute tun, mich mit Ingo Knollmann unterhalten. Ingo Knollmann ist der Sänger der Band Donots und diese Band bringt im September ein neues Album heraus. Also bin ich nach Münster gefahren, um ihn zu treffen. Münster grenzt direkt an Ibbenbüren und Ibbenbüren ist die Heimat von Ingos Band. Schon immer gewesen. Wo kann man jemandem näher kommen, als in der Heimat?


Wie trinkst du deinen Kaffee, fragt Ingo mich, bevor er im Cafe Knut verschwindet, um zwei zu bestellen, denn er ist zuvorkommend. „Der gute Nebeneffekt ist“, erzählt er, „ich bin nicht mehr den ganzen Tag weg, wenn wir im Studio sind. Von Haustür zu Haustür sind es acht Minuten mit dem Auto.“

2013 sei er nach Köln gezogen, zehn Jahre habe er dort gelebt, zuerst auf der Deutzer Freiheit, dann an der Venloer in Ehrenfeld.

Jahre auf der Schäl Sick

„Das war, als wir 2013 nach Köln gezogen sind, noch die Zeit, wo die Schäl Sick noch gar nicht gentrifiziert war. Da haben die abends um Acht die Bürgersteige hochgeklappt.“

Wir sprechen über die Schäl Sick, denn auch ich lebe auf der angeblich falschen Rheinseite und etwas was auch über diese Rheinseite bekannt ist, ist das Trash Chic in Kalk. Ein Gespräch mit dem Donots-Sänger braucht keine Anlaufzeit, stelle ich fest – man ist sofort drin. „Da sind wir super gerne essen gegangen. Heutzutage ist es viel, viel leichter, aber damals war das so der erste Anlaufpunkt für uns, wo man eine vernünftige vegetarische / vegane Speisekarte hatte. Aber es war immer ein richtiger Struggle da, noch einen Platz zu bekommen.“

Eine Gang von Freunden

Seit mehr als 30 Jahren spielt Ingo Knollmann nun in der Band Donots und fast genauso lange hat sich die Besetzung nicht mehr geändert.

„Dieser Gang-Gedanke ist mir super wichtig. Wir stehen alle auf diese 80er Jahre Romantik, Stranger Things, Goonies, Stand by Me … diese Kinder-Gangs, gemeinsam loszuziehen usw. Das machen die Hosen auch noch, die setzen sich zusammen ins Auto und fahren los, spielen die Magical Mystery-Tour und pennen daheim bei ihren Fans. Ich mag den Gedanken, dass wir seit 30 Jahren beste Freunde sind.“

Das Bild zeigt die Punkrockband Donots. Foto: Marcel Weste

Machen seit Mitte der 90er-Jahre zusammen Musik: die donots aus Ibbenbüren.

Wir gehen weiter zum Münsteraner Hafen, vorbei an der besten Pizzeria Münsters, wie ich erfahre, sprechen über Familie, das Älterwerden mit Kindern und das man trotzdem sein Leben nicht um 180-Grad drehen müsse.

Zwölf Alben haben die Donots seit 1996 veröffentlicht, unzählige Touren gespielt, keine Band ist häufiger bei Rock am Ring aufgetreten, als die Westfalen – 10 mal insgesamt standen die Donots bei dem Doppel-Festival in der Eifel und Nürnberg auf der Bühne, ihr Auftritt 2022 wird zum Highlight der 40-jährigen-Festival-Geschichte. „Sie haben uns angefragt, ob wir Bock hätten zu spielen und natürlich hatten wir das, wir lieben Rock am Ring. Sie hatten uns den dritten oder vierten Slot auf der Hauptbühne angeboten und wir haben gesagt, wir wollen den ersten.“

Nach der Pandemie erfolgreicher denn je

Im Sommer 2022 steckt die Welt noch mitten in der Pandemie, die Lockdowns waren vorbei, die Regeln gelockert, aber es gab sie noch. Die Band erkennt die Zeichen der Zeit, nach zwei Jahren ohne RaR / RiP sehnt sich das Publikum nach kollektiver Ekstase.

Das Bild zeigt einen Crowdsurfer während des Auftritts der Donots beim Rock am Ring-Festival 2024. Foto: IMAGO/Eibner

Crowdsurfer beim Auftritt der Donots während des Rock am Ring-Festivals 2024.

„Zuerst haben sie gefragt ‚Habt ihr Lack gesoffen? Wer will denn freiwillig als erstes spielen?‘, wir wollten die Band sein, die nach drei Jahren die ersten Töne bei Rock am Ring spielt. Das haben sie dann verstanden und das ganze als großes Re-Opening angekündigt.“
90.000 kamen auf einen Freitagnachmittag, „die Leute sind komplett durchgedreht, haben kollektiv Rotz und Wasser geheult, weil sie endlich wieder gemeinsam durchdrehen konnten.“ Nach mehr als 25 Jahren Bandgeschichte machen die Donots nach der Pandemie noch mal einen Sprung nach vorne.

„Eigentlich ist alles das was seit Corona passiert ist, konterkarierend zu dem, was dem Gros Bands passiert ist – deren Shows kleiner wurden, Dinge, haben nicht mehr funktioniert, die früher funktionierten. Bei uns ist es genau das Gegenteil. Wir haben unser erstes Nummer 1 Album gehabt, die Shows sind explodiert, jede Tour ist im Vorfeld ausverkauft.“
Mittlerweile können die Donots ohne Übertreibung auf einer Stufe mit den Toten Hosen oder den Ärzten genannt werden, den großen Punkrock-Granden hierzulande.

Donots: Schwert aus Holz

Die Band habe nun ein ganz anderes Standing bei den Leuten, spielt auf dem Wacken-Festival, „das war definitiv was von unserer Bucket List, denn einige in der Band sind Riesen-Metallheads“, bei einem Electro-Festival in Kiel „wo sonst nur DJs aufgelegt haben“, wird zum Jazzfestival Gronau eingeladen. „Wir denken immer, dass kann doch nicht funktionieren und dann kommt das Punk-Ding durch und wir machen es einfach und sind jetzt spätestens mit dem Akkustik-Album an einem Punkt angelangt, wo wir uns sagen: Wir können alles machen.“


Das Bild zeigt das Cover-Artwork des Donots-Alb.ums „Schwert aus Holz“. Motiv: Donots / Promotionmaterial

So sieht es aus, das Cover-Artwork des ersten Unplugged-Album der Donots, „Schwert aus Holz“

„Schwert aus Holz“ heißt dieses Unplugged-Album und es erscheint am 19. September. Am selben Tag wird die Band ein Open Air an der Kölner Südbrücke spielen, ein normales Set, bevor es direkt im Anschluss auf den zweiten Teil der Unplugged-Tour durch kleinere Clubs geht.
„Die erste Akkustik-Show in Köln im Gloria von uns war irre. Was wir da wie ein Feedback bekommen haben. Aber ich bin von der Bühne gegangen und habe gedacht, ‚Oh Gott, Oh Gott, zum Glück schnell fertig geworden‘. Ich war richtig auf der Flucht vor dem Konzert.“


Als die Donots 1993 anfingen, spielten sie noch Fun-Punk und sangen auf Englisch. Immer wieder änderte die Band in den vergangenen Jahrzehnten ihren Stil, ohne sich anzubiedern, sondern getrieben von dem Willen sich als Band stets neu zu erfinden, einfach zu machen.

„Ich finde das Gros der Unplugged-Alben wahnsinnig blutleer“

„Alex ist angekommen und hat gesagt, dass wenn man jetzt mal zurück blicken würde auf 12 Alben und all das was wir gemacht haben, wäre ein Akkustikalbum zu machen eigentlich folgerichtung und ich war der erste der gesagt hat ‚Ich kotz im Strahl‘.” Im Gegensatz zu mir, findet der Donots-Sänger nicht, dass es viele gute Unplugged-Alben gebe.

„Ich finde das Gros der Unplugged-Alben wahnsinnig blutleer, das ist Leichenfledderei im Backkatalog. Ganz oft eben ohne jegliche Idee dahinter. Stecker ziehen, betreten auf eine Kerze gucken, schrammel, schrammel und möglichst sonor die eigenen Songs noch mal darbieten aber eben nicht mit dem Verve, den sie eigentlich hatten.“

So eine Platte, umambitioniert, ohne wirklichen Mehrwert, habe er nicht machen wollen. Die neuen Versionen hätten mindestens genauso gut, wenn nicht besser als die Ausgangssongs werden müssen.
„Am Ende haben wir uns die Frage beantworten müssen, ob der Song, wie er jetzt ist, eine Daseinsberechtigung hat. Wenn nicht, ‚Fuck it’.
Wenn das auch nur ein bisschen scheisse geworden wäre, wäre das im Giftschrank gelandet und niemand hätte davon erfahren.“

Produzent Kurt Ebelhäuser & die Essenz eines Songs

Dann habe man sich mit Kurt Ebelhäuser, früher unter anderem bei Blackmail mit dem Kölner Musiker Aydo Abay und Scumbucket aktiv, und Michael Wern zusammen gesetzt, die seit Jahren das Produktions-Team der Donots bilden.
„Kurt kam irgendwann an und hat gemeint ‚Ihr seid so eine geile Live-Band, aber warum klingt jedes Album von Euch so beschissen? Kommt zu mir, und ich zeige Euch, wie es geht. Das hat uns herausgefordert.
Kurt ist ein wahnsinniger Visionär, der ist sehr, sehr gut da drin die Essenz eines Songs zu finden, zu packen und den ganzen Staub von all den Jahren abklopfen.“

Das Bild zeigt Ingo Knollmann, Sänger der Donots, wie er in Münster an einer Hauswand lehnt. Foto: Kevin Goonewardena

Immer politisch: Ingo Knollmann lehnt an einer Hauswand in Münster.

Die Band nimmt sich den schwersten Song zuerst vor, „wenn wir den nicht geknackt gekriegt hätten, dann hätten wir es komplett sein lassen können“, erzählt Ingo.
„Whatever Happened to the 80s“ hieß der Track, der erste Single-Hit der Band, das Video lief Anfang der Nullerjahre auf MTV rauf und runter.
„Das ist eigentlich ein No-Brainer-Partytrack, der will wenig, der Text ist einfach Bullshit-Bingo aus 80er-Jahre-Zitaten zusammengesetzt, aber irgendwie hat der Song was und den akustisch zu machen, ist eigentlich unmöglich.“ Die Band knackt den Song – und legt damit den Grundstein für das Album.


Alles neu bei den Donots

„Kurt hat gesagt: ‚Okay, passt auf, wir machen komplett neue Harmonien drunter wir probieren andere Gesangslinien aus, auch die Arrangements müssen anders werden‘“, er habe noch gesagt, erzählt Ingo, er wolle auch nicht, dass man „alles so kitschig mit Streichern und so ‘nem Scheiss vollklatsche, das müsse alles hemdsärmelig und Punkrock bleiben.“

Aus dem einstigen Party-Track wurde so ein „fast schon The Cure-mässiger Song und als der fertig war, waren wir alle im Studio und haben gesagt: ‚Ja okay, so kann man es machen‘ und haben uns dann Peu-a-Peu Song für Song vorgenommen.“
„Schwert wie Holz“ klingt wie ein neues Album und vor allem klingt es nicht, wie ein Unplugged-Album. Die Stücke sind komplett verändert, sie sind eigenständig, wirken wie neue Songs und haben sich vor allem die Kraft des Punkrock erhalten.

Das Bild zeigt die Band Donots bei ihrem Konzert auf dem Gamescom City Festival 2024. Foto:Dirk Borm

Konzert der Band Donots auf dem Gamescom City Festival 2024. Foto:Dirk Borm

Der Ruf der einnehmenden Liveband

„Als wir die Platte fertig hatten, fanden wir das Ergebnis richtig geil – aber wir hatten das Gefühl, dass wir den Leuten gelernte Live-Momente klauen würden. Wenn uns ein Ruf vorrauseilt, dann der, eine sehr einnehmende Liveband zu sein. Wir können kleine Clubs genauso wie große Hallen oder Festivals spielen, das funktioniert immer.
Und dann die großen Momente auf Konzerten, etwa „So Long“, der seit Ende 2012 das Ende bildet, wo das Publikum immer noch so sieben, acht Minuten mitsingt, mit so einem großen Finale. Und jetzt soll diese Band da angewurzelt an einem Piano sitzen? Das kann auch richtig in die Hose gehen.“

Die Band geht noch bevor die Platte rauskommt auf Akustik-Tour durch kleine Clubs. Wäre das nichts geworden, dann wäre es bei einem abgeschlossenen Projekt geblieben, mit dem man nichts weiter gemacht hätte.

Donots: Live, tonight, sould out!

„Wir hatten ein so frenetisches Publikum bei den Akkustik-Konzerten. Die Tour war schon lange im Vorfeld komplett ausverkauft. Irre! So dass wir dann gesagt haben, dass es das nicht gewesen sein könne.“

Das sie als Band immer am Ball bleiben würden, alles selber machen, die Band neu denken, dass sei das, was die Fans so an ihnen schätzen würden, vermutet Ingo Knollmann. Wie damals beim Bühnentausch mit Kraftklub in Köln. Die Donots hätten damals im E-Werk, Kraftklub gegenüber im Palladium spielen sollen.

„Wir haben den Jungs einen Tag vorher eine SMS geschrieben und sie gefragt, ob wir nicht beide am gleichen Tag auf die Minute genau einen Stromausfall fingieren sollen. Und wenn das Licht angeht, die jeweils andere Band auf der Bühne steht.“

Das sei mega angekommen, erzählt der Donots-Frontmann. „Am nächsten Tag war das eine der Schlagzeilen im Express, wir haben dafür den deutschen Popkulturpreis bekommen. Wir gehen an sowas aber trotzdem nicht mit der Idee ran, einen Buzz zu kreieren. Wir finden sowas lustig und glauben, wenn wir das lustig finden, dann könnte das auch anderen gefallen.“


Das Album „Schwert aus Holz“ erscheint am 19. September via Solitary Man Records / Warner. Als Gäste mit dabei: Campino und Kuddl (Die Toten Hosen), Frank Turner, Chuck Ragan (Hot Water Music), Matt Hensley (Dropkick Murphys) und Shitney Beers.

Donots on tour: 21.09. Wiesbaden, Schlachthof (Akustik) 22.09. Ludwigsburg, Scala (Akustik) 23.09. Erlangen, Redoutensaal (Akustik) 25.09. Bremen, Schlachthof (Akustik) 21.11. Münster, Grand Münster Slam 22.11. Münster, Grand Kiddie Slam 22.11. Münster, Grand Münster Slam (ausverkauft)