„Es fehlt sehr viel Leben“Kölner Pastor über seine Arbeit in Corona-Zeiten

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St. Severin

Süd­stadt-Ba­si­lika St. Severin (Symbolbild) 

Südstadt – Lange hatte die alte Sizilianerin im Severinsviertel gelebt. Nun wurde sie zu Grabe getragen. Wegen der Corona-Regeln durften nicht viele Menschen an der Beerdigung teilnehmen, alle auf Abstand, alle mit Mundschutz. Auf Beileidsbezeugungen von Angesicht zu Angesicht war zu verzichten.

Freundinnen der Tochter wollten ihr zeigen, dass sie mittrauerten, und sie in den Arm nehmen – unmöglich. „Das sind Szenen, die mir das Herz brechen“, sagt Johannes Quirl, Pastor von St. Severin. Die „schwierigsten Situationen“ während der Corona-Pandemie habe er auf dem Friedhof erlebt. Auch sonst ist in seinem Beruf und in der Gemeinde vieles anders geworden.

Johannes Quirl

Quirl (1)

Johannes Quirl 

Johannes Quirl (66) wurde in Düsseldorf geboren. In Bonn und Freiburg im Breisgau studierte er katholische Theologie. 1980 wurde er zum Priester geweiht. Seit 1983 ist er Pastor der katholischen Kirchengemeinde St. Severin, die aus fünf ehemals eigenständigen Pfarreien entstanden ist. Sie zählt knapp 10 000 Gläubige.

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Die Arbeit – häufig im Form von Zoom-Konferenzen, bei denen leicht verloren gehe, was „zwischen den Zeilen" gesagt werde - habe zugenommen, auch deshalb, weil er immer wieder auf neue Corona-Regeln reagieren müsse. „Jeden Tag muss man sehen: Was sagt die Politik, was sagen die Behörden“. Und die Menschen in der Gemeinde würden „ungeduldiger und dünnhäutiger“.

Die Besucherzahl ist eingebrochen 

In den drei Kirchen der Gemeinde - St. Severin, St. Maternus und St. Paul - dürfen sich höchstens 99 Gläubige versammeln; sie werden registriert und müssen sich an die Hygienevorschriften halten. Vor der Pandemie kamen beim Weihnachtsgottesdienst in St. Severin bis zu 500 Besucher zusammen. Nun bietet sich ein ganz anderes Bild: Die 99 Plätze seien nur in Ausnahmefällen nötig, sagt der Pfarrer, denn die Besucherzahl sei „heftig eingebrochen“. Gottesdienste streamt die Gemeinde nur zu Hoch-Zeiten, so am Gründonnerstag, Karfreitag und in der Osternacht. Singen darf die Gemeinde nicht, Chöre können sich nicht treffen. Ganz auf Musik müssen die Gläubigen aber nicht verzichten; dafür sorgen Musiker an der Orgel und Instrumentalsolisten. Die Gemeinde engagiert sie auch deshalb, um deren Existenz zu sichern.

Kölner Pastor steht vor neuen Herausforderungen 

„Es fehlen die vielen Kontakte“, sagt Quirl, „es fehlt sehr viel Leben“. Seelsorgegespräche führt er nun oft am Telefon „Die Gespräche dauern sehr lange, vor alle die mit älteren Menschen“. Die Seniorenarbeit ruht. Wenn er zu Kranken gerufen werde, komme er immer gern. Auch hier ist Schutz geboten.

Einmal musste der Pfarrer in ein Altenheim, wo ein Covid-19-Patient die Krankensalbung wünschte. Er tat es – im Schutzanzug, mit bedecktem Haar, besonderer Maske und Handschuhen. Die Erstkommunion wurde im vergangenen Jahr verschoben – in den Herbst, in dem zur Entzerrung sieben Feiern stattfanden. Dieses Jahr hat noch kein Kurs begonnen, denn man will den Kindern im Homeschooling nicht zumuten, schon wieder vor einem Bildschirm zu sitzen.

Kaum Hochzeiten und Taufen wegen Corona 

Zum ersten Mal getauft wird in diesem Jahr am Samstag in acht Tagen. Und gerade mal drei Hochzeiten gab es im vorigen Jahr. „Die Leute möchten zwar gerne ihre Kinder taufen lassen und heiraten, aber nicht unter solchen Bedingungen“, sagt Quirl. Deshalb habe sich ein großer „Stau“ gebildet, „so wie im Suezkanal“. Da sei der „Pfropf“ - das Containerschiff - inzwischen beseitigt, der „Hochzeit- und Taufpfropf“ in der Gemeinde St. Severin aber müsse sich noch lösen. Das beginne voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte.

Missbrauchsskandal ist ein permanentes Gesprächsthema 

In die Corona-Krise hinein spielt die Debatte um die Aufarbeitung von Missbrauch. Im Januar exponierte sich die Pfarrei St. Severin mit Kritik an der Bistumsleitung um Kardinal Woelki. Auf ihre Homepage stellte sie einen offenen Brief von Pfarrgemeinderat, Kirchenvorstand und Seelsorgeteam, in dem es heißt: „Uns begegnen täglich vielfältige Kritik und mehr noch Unverständnis, Wut, Enttäuschung, Trauer, Verärgerung sowie Resignation. Lohnt sich ein seelsorgliches, caritatives, ehrenamtliches Engagement in dieser Kirche überhaupt noch?“

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Und weiter: „Wir missbilligen aufs Schärfste die Art und Weise, wie man an entscheidenden Stellen des Erzbistums Köln bis heute immer wieder mit Opfern von institutioneller Macht und sexualisierter Gewalt durch Kleriker umgeht und die Interessen der Kirche als Institution über die der Menschen stellt“. Viel Zuspruch dafür habe die Pfarrei im Severinsviertel und der Südstadt dafür bekommen, sagt Quirl. Das Problem sei „permanentes Gesprächsthema“ in der Gemeinde gewesen, und noch immer gelte: „Das bewegt uns alle sehr.“  

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