Turiner Straße in KölnHaus Fox könnte Zukunft haben

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Innenstadt – Die letzten Reste, die an die legendäre Limonadenproduktion an der Turiner Straße erinnern könnten, sind verschwunden. Wo früher die Afri-Cola-Lieferwagen mit der geheimen Grundmischung das Haus verließen, steht mittlerweile ein Hotel mit 235 Zimmern auf sechs Geschossen. Auf der Rückseite des Komplexes jedoch klafft eine Baulücke, die den Blick auf eine kuriose Szenerie frei gibt: Von eilig arrangierten Gittern eingepfercht, steht inmitten des von Baumaschinen aufgewühlten Innenhofes ein kleines Häuschen mit ausgebautem Giebeldach.

„Ein sogenanntes Handtuchhaus“, sagt Inge Schubert-Fox. Wer etwas über seine Geschichte und das Innenleben erfahren will, den führt die Eigentümerin zum „Haus Fox“ in den Thürmchenswall 28. In der leerstehenden Kneipe befindet sich der einzige Zugang des im Normalfall gut versteckten Hinterhauses.

Leben hinter der Theke

Die Ruheständlerin, die viele Jahre ihres Lebens selber hinter der Theke des Lokals verbracht hat, fummelt im Halbdunklen am Sicherungskasten, dann springt das Deckenlicht an. „Früher hatten die Leute keine großen Grundstücke und haben eben schmal, lang und hoch gebaut“, berichtet sie und lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Stufe im rückwärtig gelegenen Schanksaal. Hier beginnt das zweite Haus, das bis Anfang des 20. Jahrhunderts den Vorbesitzern als Stall für ihr Pferd diente. Um die alten Fliesen nicht zu beschädigen, habe man jeden Abend, wenn man von der Feldarbeit kam – zwischen Thürmchenswall und Agneskirche existierten damals noch Ackerflächen – einen Teppich für das Tier ausgerollt. Die köstliche Anekdote hat Inge Schubert-Fox , die mittlerweile in Worringen lebt, noch von einer Zeitzeugin dieser Tage.

Seit 1981 sind die beiden Häuser im Familienbesitz. Ihr Adoptivvater Toni Fox, ein Wirt aus dem Viertel, hatte das Haus von einer Erbengemeinschaft erworben, um unabhängiger von den ständig steigenden Mietpreisen zu sein. Ein Problem, das schon in den 70ern viele Kölner belastete. Mit Hilfe eines Architekten wurde aus der Immobilie hinter der Kneipe ein kleines Wohnhaus mit Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad.

Früher von ihrem Vater genutzt, sind die Räume derzeit als Büro zweckentfremdet. Die Baufirma Wolff und Müller, die das benachbarte Hotel aus dem Boden gestampft hat, hatte händeringend etwas in der Nähe der Großbaustelle gesucht. Für 15 Monate wurden sich beide Parteien einig.

Hinter den schweren Rollläden zum Hof, die das kölsche Original mittlerweile nur noch mit viel Mühe hochgezogen bekommt, wartet ein trauriger Ausblick. Eine verwilderte Konifere ist umlagert von Bauschutt und Containern, aus denen zwei Arbeiter treten. Schubert-Fox und die Männer mit ihren Schutzhelmen grüßen sich kurz. Man kennt sich.

Welche Oase inmitten der Großstadt die Familie Fox mit ihrem pittoresken Hinterhaus tatsächlich einmal besaß, davon zeugen alte Fotos, die Inge Schubert-Fox aus einem Umschlag hervorholt. Sie zeigen üppiges Grün, gepflegte Blumenbeete und meterhohen Efeu, der an den umgrenzenden Steinwänden ranken. Ein besonders schöner Blickfang ist die kleine, kunstvoll verzierte Laube am Ende des schmalen Gartenstücks. „Die wurde vom Künstler Charly Pirot bemalt“, berichtet die Rentnerin. Im Jahr 1995 nimmt ihr Vater am Wettbewerb „Kölsche Riviera“ teil und gewinnt nach einer eingehenden Inspektion des Anwesens den ersten Preis in der Kategorie „Schönster Hof“.

Vögel stoppen Weiterbau

„Die Kneipe, das Haus und der Garten waren sein Lebenstraum“, sagt Schubert-Fox. Den Abbruch und die Baumaschinen erlebt ihr Vater zum Glück nicht mehr mit. Er starb 2008 nach schwerer Krankheit. „Wie das hier so richtig losging, hat mir wirklich das Herz geblutet“, erinnert sich sie. Versuche, die Laube zu retten und später wieder aufzubauen, scheitern. Anders verhält es sich kurzzeitig mit dem wilden Efeu an der Fabrikwand: Die Arbeiten werden mehrere Monate eingestellt, weil darin Vögel nisten. Erst ein Vogelkundler gibt grünes Licht, eine Aktion über die Schubert-Fox noch heute schmunzelt.

Die Chance auf einen Neuanfang für das Haus Fox und sein geheimnisvolles Hinterhaus stehen allerdings gut: Wolff und Müller haben zugesagt, den Garten mit einem Landschaftsarchitekten nach Ende der Arbeiten wieder herzustellen. Die Pflanzen darf die Eigentümerin selbst bestimmen. Ein Umstand, der vor allem ihre zwei neuen Mieter freuen wird, die ab dem 1. März neues Leben in die Kneipenbrache bringen wollen. „Einer von ihnen hat schon angekündigt, ins Hinterhaus einzuziehen“, berichtet Schubert-Fox. Ihm werden die neidvollen Blicke aus dem angrenzenden Hotelzimmerfenstern gewiss sein.

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