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InterviewWarum nennen Sie ihre Veranstaltung „Zigeunernacht“, Herr Krauthäuser?

4 min
Jan Krauthäuser (Humba)

Jan Krauthäuser (Humba)

Jan Krauthäuser ist Organisator der „Kölner Zigeunernacht“ Ein Gespräch über Tabu-Begriffe und kulturelle Vielfalt.

Herr Krauthäuser, am Freitag veranstalten Sie mit ihrer Initiative wieder eine „Kölner Zigeunernacht“. Warum verwenden Sie immer noch eine Bezeichnung, die seit geraumer Zeit als tabu gilt?

Das Konzert ist Teil der „Gypsy Power Tour“. Sie will die Vielfalt regionaler Sinti- und Romakulturen vorführen. Mitveranstalter dieses Kulturprojekts sind Sonja Grupe, Markus Reinhardt und Rudi Rumstajn, die ich seit den 1990er Jahren kenne. Wie viele der beteiligten Künstler verwenden sie für ihre Kunst den Begriff „Zigeunermusik“.

Und Sie deshalb auch.

Ja, weil ich es für falsch hielte, ein Wort nicht mehr zu benutzen, dass viele derjenigen, um die es geht, mit Stolz verwenden.

Aber dass es für eine ganze Gruppe als beleidigender, diffamierender und diskriminierender Begriff verwendet wurde, ist doch unbestreitbar.

Das gilt für viele andere Vokabeln auch – und die Betroffenen haben es immer wieder verstanden, aus „Unwörtern“ Kampfbegriffe zu machen. Ich nenne als Beispiel mal den Begriff schwul. Beim Begriff Zigeuner muss man zweierlei wissen: Erstens ist die Ersatzformulierung „Sinti und Roma“ keine allgemein akzeptierte Selbstzuschreibung, sondern ein von Außenstehenden erfundener Kunstbegriff. Und zweitens sind viele alte Sinti jedes Mal erschrocken, wenn sie damit angesprochen werden.

Aber man könnte doch mit Rücksicht auf diejenigen, die bei Ihrem Wort erschrecken oder zumindest zusammenzucken, auch darauf verzichten.

Auch dazu zweierlei: Ich würde niemanden persönlich Zigeuner nennen, der nicht so genannt werden will. Das ist eine Frage der Sensibilität. Aber: Dass das Wort Zigeuner als Kulturbegriff verschwinden soll, ist genau so kränkend für diejenigen, die für den Erhalt ihrer Kultur kämpfen. Man wird es am Ende nicht allen recht machen können. In solchen Fällen plädiere ich dafür, die Verschiedenheit der Ansichten zuzulassen und auszuhalten.

Also Toleranz für Ihre Art, zu sprechen?

So funktioniert Sprache, und so funktioniert Gesellschaft. Es tut uns insgesamt nicht gut, wenn wir die Unterschiede dogmatisch hochfahren. Aber ich habe den Eindruck, diese Erkenntnis gewinnt gerade an Boden.

Woran machen Sie das fest?

Es ist im Moment mehr noch ein Gefühl: Dieses ganze Getue um Sprachhygiene lässt nach, weil man einfach merkt, dass man damit nicht wirklich zum Ziel gekommen ist. Und genau das ist meine Hoffnung, dass sich Diskursräume wieder öffnen, dass sich die Gesellschaft etwas lockert – und moralisch abrüstet, zumal auch auf der linken Seite.

Die „Kölner Zigeunernacht“, hier mit Elemer Balogh

Wieso gerade auf der linken Seite?

Weil ich mich selbst diesem politischen Spektrum zuordne und es immer bedauert habe, dass wir uns in der eigenen Blase so verhärtet haben. Am Wort Zigeuner kann ich das sehr gut festmachen. Ich bin mit wunderbaren Menschen befreundet, die sich selbst Zigeuner nennen und sagen: „Wir möchten, dass dieser alte Kulturbegriff weiterlebt und wir damit positiv arbeiten.“ Wie kann es dann sein, dass andere aus meinem Umfeld trotzdem lieber an vermeintlichen Sprachdogmen festhalten, statt auf die Leute selbst zu hören und ihnen zu glauben?

Sind Sie deswegen eigentlich selbst unter Druck geraten? Sie brauchen ja bestimmt Fördermittel für Ihre Veranstaltungen.

Bisher hatten wir bei Förderanträgen wenig Probleme. Aber der Korridor ist enger geworden – wie in vielen Bereichen. Allerdings lässt er sich im Gespräch auch immer wieder weiten. Dazu müssen wir diesen oberflächlichen Moralismus überwinden, der lieber Symbolpolitik betreibt, statt wirklich in die Themen einzusteigen.

Was meinen Sie im konkreten Fall damit, „in die Themen einzusteigen“?

Ich setze mich für kulturelle Vielfalt ein. Wenn wir ein „Zigeunerfest“ feiern, dann wollen wir damit niemanden vor den Kopf stoßen. Wir wollen die Schönheit und Stärke dieser Kulturen zeigen. Es geht dabei auch um Teilhabe und Gerechtigkeit, und darum, Menschen aus der Opferrolle herauszuholen, in die man sie gedrängt hat. Anstatt über Begriffe zu streiten, sollten wir die positiven Errungenschaften der Zigeunerkultur feiern, die die europäische Kulturentwicklung ganz entscheidend geprägt haben. Warum gibt es Museen für fast alles – aber keines für die ziganen, die mobilen Kulturen Europas? Gerade auch in der Musik – in der Klassik, im Jazz und vielen regionalen Traditionen – wird dieser Reichtum auf mitreißende Weise deutlich.


Die „Kölner Zigeunernacht - Gypsy Power Finale 2025“ findet in der Lutherkirche in der Kölner Südstadt statt. Der Abend – so die Veranstalter – widmet sich „dem reichen Liederschatz der Sinti, Roma und Gitano-Kulturen, vorgestellt von Meistern und Talenten der Kölner und der niederrheinischen Szene“. Unter anderem mit: Markus Reinhardt & Janko Wiegand, Daniel de Alcala & José Primo / Flamencogitarren, Elemer Balogh / Cimbalon, Rudi Rumstajn & Markus von Wrochem / Gesang, Gitarre, Sax.

Freitag, 5. Dezember, 20 Uhr, in der Lutherkirche, Martin-Luther-Platz 2-4, 50677 Köln.

Tickets zu 22 Euro (VVK) oder 25 Euro (Abendkasse, ermäßigt 15 Euro) gibt es hier: https://lutherkirche.ticket.io