Kolumne „Jetzt rege ich mich auf”Karneval im Sommer ist völlig sinnlos!

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Fast alle großen Kölner Bands treten bei „Jeck im Sunnesching” auf.

  • Natürlich ist es möglich, unter einem bescheuerten Motto am Ende des kalendarischen Sommers zusammenzukommen und die Sau rauszulassen – aber es ist völlig sinnlos.
  • Das findet jedenfalls Redakteur Frank Nägele, der in seiner Kolumne „Jetzt rege ich mich auf” jede Woche montags über das schreibt, was um ihn herum passiert.
  • „Jeck im Sunnesching” bedeutet für ihn vor allem: „Betrinken wir uns angemalt und benehmen uns daneben!“
  • Lesen Sie hier auch weitere Nägele-Folgen.

Köln – 10.000 Menschen werden unter dem eindeutigen Motto „Jeck im Sunnesching“ am Samstag im Kölner Jugendpark am Rhein Karneval feiern. Danach wird das Spektakel in den Kneipen weitergehen. Alles ist freiwillig, alles ist fröhlich, man müsste sagen: Lasst sie doch, das Leben ist ernst genug!

Wenn da nicht ein Punkt wäre: Es ist nicht Karneval. Karneval endete 2019 wie jedes Jahr in Deutschland am 46. Tag vor dem Ostersonntag mit dem Aschermittwoch, diesmal am 6. März,. Diese Berechnung geht zurück auf die Synode von Benevent im Jahr 1091. Aber das macht ja nichts. Feiern wir Karneval, wann es uns passt. Kostüm an, Musik laut, Schnaps her, Alaaf!!!!

Müssen wir uns denn eigentlich alles vorschreiben lassen? Warum geht Heiligabend nur am 24. Dezember? Es ist doch eine wunderbare Sache, Geschenke zu bekommen. Als Kind wollte mir nicht einleuchten, warum das außer dem Geburtstag nur einmal im Jahr sein sollte. Wer Karneval im Sommer feiert, weil ihm ein Vierteljahr offizielle Karnevalszeit nicht genug ist, der kann doch auch im Juli einen Weihnachtsbaum aufstellen und „Stille Nacht, Heilige Nacht“ singen. Und wer hat eigentlich bestimmt, dass wir Eier nur zu Ostern verstecken dürfen? Wir leben in einer freien Gesellschaft. Sollte nicht jeder feiern können was er will und wann er es will?

Also ich will es mal so sagen: NEIN!

Frank Nägele ist Redakteur im Sport-Ressort. In seiner Kolumne schreibt er über alles, was (ihm) im Leben wirklich wichtig ist.

Frank Nägele ist Redakteur im Sport-Ressort. In seiner Kolumne schreibt er über alles, was (ihm) im Leben wirklich wichtig ist.

Natürlich ist es möglich, unter dem bescheuerten Motto „Jeck im Sunnesching“ am Ende des kalendarischen Sommers zusammenzukommen und die Sau rauszulassen – aber es ist völlig sinnlos. Das alleine wäre nicht schlimm, denn eine Welt voller ernsthafter Zwänge wie die unsere braucht prinzipiell mehr Sinnbefreites. Aber hier wird die Konditionierung des Rheinländers durch Karneval außerhalb der dafür festgelegten Zeit dazu missbraucht, die Lust an der hedonistischen Übertreibung zu Geld zu machen. Diese Konditionierung erlaubt es, einen erstaunlich großen Teil der Menschen mit einfachsten Feierformeln und wenigen simplen Tönen in feierndes Volk zu verwandeln, das sich um seine Gesundheit, sein Ansehen und vor allem seine Finanzen nicht mehr schert. Von diesem Prinzip leben auch die Macher des Festivals, dessen Motto ehrlicherweise lauten müsste: „Betrinken wir uns angemalt und benehmen uns daneben!“ Aber ganz ehrlich: Wer würde dafür Geld bezahlen? Wenn man allerdings „jeck“ reinschreibt, werfen die Menschen hemmungslos mit Geld um sich. Beide Großveranstaltungen und die Tickets vieler Kneipen waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.

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Auch wenn das vielleicht niemand hören will: Es gibt einen Grund, warum Karneval nicht das ganze Jahr über stattfinden darf. Man muss die Menschen davor beschützen. Im Mittelalter verbot der Kölner Stadtrat mehrfach „die Mummerey und heidnische Tobung“, stets nur mit mäßigem Erfolg, denn die Natur der Menschen hier brach sich auch damals schon ungeregelt in unziemlichem Treiben Bahn. Schließlich etablierte sich der Karneval nach den seit langer Zeit gültigen Gesetzen, die ein Gleichgewicht schufen zwischen Vernunft und Narretei und jenen, die Karneval schwer ertragen können, ihre sommerlichen Ruhezeiten garantierten.

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Jeck im Sunnesching – für die einen ein Graus, für die anderen ein tolles Fest.

Es regt mich auf, dass Geschäftemacher dieses heilige Prinzip außer Kraft setzen und die Nachfrage als Beleg dafür verstehen, dass sie im Recht sind. Sind sie nicht. Ohne das Chiffre des Karnevals würde ihr Kalkül nicht funktionieren. Sie haben es gestohlen, und die Konditionierten können sich nicht dagegen wehren. Ich fürchte jedoch, dass das außer mir nicht genug andere Menschen so sehen und der erste Weihnachtsbaum im Juli nicht mehr fern ist. 

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