Interview zu Köln-Ostheim„Der schlechte Ruf hat sich erheblich verändert”

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Rolf Blandow

Köln-Ostheim – Herr Blandow, Sie sind Sozialraumkoordinator für Ostheim und Geschäftsführer des Gemeinwesenvereins Veedel, der sich seit genau 33 Jahren in Ostheim – und inzwischen auch in Neubrück und Kalk – engagiert. Sind das gleichzeitig auch 33 Jahre Einsatz gegen den schlechten Ruf des Stadtteils?

Das kann man so nicht sehen. Wir setzen uns gegen die Armut im Stadtteil und für die Beteiligung von sozial-benachteiligten Bürgern ein. Das mit dem „schlechten Ruf“ hat sich in den vergangen elf Jahren erheblich verändert.

Das kann man heute nicht mehr so stehen lassen. Das war zu der Zeit stets verbunden mit dem Begriff „Koma-Schläger“. Und der geht zurück ins Jahr 2007, als ein 17-jähriger Jugendlicher aus Neubrück an Weiberfastnacht in Ostheim einen Familienvater angegriffen und ins Koma geprügelt hatte.

Was hat sich denn in den Jahren dazwischen verändert?

Seitdem arbeiten die Vereine und die Bürgerschaft im Stadtteil enger und besser zusammen. Von der Kriminal-Statistik her stehen wir gegenwärtig nicht schlechter dar als beispielsweise Merheim oder anderen Nachbar-Vororte. So haben vor allem die Wohnungseinbrüche stark nachgelassen.

Ostheim ist jetzt gerade kein sehr homogener Stadtteil, sondern von der Struktur her fast schon eine Art Flickenteppich.

Das stimmt. Aber gerade diese Vielfalt, auch die kulturelle, die wirtschaftliche und die finanzielle, ist durchaus eine der Stärken Ostheims. Es gibt fünf größere Siedlungen: die Saar-Siedlung, die Wohnstraßen rund um die evangelische Kirche und das Waldbadviertel. Dann die Gernsheimer Straße und der Buchheimer Weg.

Dazu kommen noch mehrere kleinere Wohnsiedlungen wie der alte Ortskern um die Servatiuskirche, die Einfamilienhäuser an der Henri-Dunant-Straße, die Humboldt-Siedlung an der Frankfurter Straße und die Häuser am Alten Deutzer Postweg. In der Kleinteiligkeit funktioniert die Nachbarschaft sehr gut. So auch in der Gernsheimer Straße.

Diese Hochhaus-Siedlung ist aber doch weiter das ganz große Sorgenkind im Veedel.

Vorstöße der Bewohner, den Straßennamen zu ändern, sind von Politik und Verwaltung abgelehnt worden.

Das hätte meiner Meinung nach auch nicht viel gebracht. Die Gernsheimer Straße, in der derzeit rund 2500 Menschen leben, ist nach Untersuchungen der Verwaltung die ärmste Siedlung in der Stadt – noch knapp vor dem Kölnberg in Meschenich. 52 Prozent der Bewohner leben von Hartz IV. Das ist ein Spitzenwert in Köln. Von dieser Armut sind 72 Prozent der dort wohnenden Kinder betroffen.

Den Kindern und Jugendlichen macht ihr Verein ja auch schon seit Jahren Angebote.

Der Spielplatz hinter der Siedlung am Vingster Berg, bei dessen Gestaltung die Jüngsten ihre Wünsche und Ideen mit einbringen konnten, ist für mich einer der schönsten in der gesamten Stadt geworden. In der OT am Wunschtor erlernen die Kinder und Jugendlichen sowohl in der Hausaufgabenbetreuung als auch in anderen offenen Gruppenangeboten ein soziales Miteinander und entdecken ihre Fähigkeiten. Damit helfen wir letztendlich auch den Familien.

Aber es ist sicher nicht einfach, diese Familien mit den weitaus besser betuchten aus der Saar-Siedlung oder aus dem Waldbad-Viertel zusammen zu bringen.

Das ist richtig. Es ist schon so, dass die einzelnen Viertel sich ein bisschen abschotten. Aber genau darin sehe ich auch eine Aufgabe des Veedel. Es gilt, Gemeinsamkeiten zu finden.

Haben Sie diese Gemeinsamkeiten schon gefunden?

Der Austausch und das gegenseitige Helfen zwischen den unterschiedlichen Vereinen funktioniert ganz gut. Was immer geht, sind gemeinsame Feste. Vom Karnevals- und Martins-Umzug über den Weihnachtsmarkt bis zum Stadtteilfest, das wir im Zwei-Jahres-Rhythmus in Kooperation mit dem Bürgerverein organisieren. Da machen Gruppen aus den unterschiedlichen Siedlungen Ostheims mit. Deswegen heißt das Motto ja „Wir sind Ostheim“. Bei allen Unterschieden, bei aller Vielfalt gibt es auch das Gemeinsame. Und das nimmt zu. Ostheim ist auf einem guten Weg, sich langsam von einem hässlichen Entlein zum Schwan zu entwickeln.

Woran machen Sie solche Behauptungen fest?

Auf einmal gibt es Leute, die sich für ihren Vorort interessieren. Für die nächste Ausgabe unsere Stadtteilzeitung, die wir zweimal im Jahr veröffentlichen, sind mehr Artikel eingegangen als sonst. Sogar viele von Leuten aus dem Waldbadviertel.

Ist diese Neubausiedlung mit den Eigenheimen denn ein Gewinn für Ostheim?

Ich denke schon. Da ist richtig investiert worden. Mit den neuen Bewohnern sind Geld und Kaufkraft ins Veedel gekommen. Diese Leute müssen wir mitnehmen – auf Dauer. Auch Künstler würden den Stadtteil aufwerten. So könnte ich mir in dem alten Umspannwerk der Rhein-Energie recht gut eine Künstler-Kolonie vorstellen – mit Veranstaltungen und Ausstellungen. Dieses schöne Bauwerk sollte doch auch einen Nutzen für Ostheim haben.

Konkurriert man mit solchen Gedankenspielen nicht schon bald mit Ehrenfeld oder Rodenkirchen?

Nein. Das sehe ich nicht so. Ostheim und die Ostheimer sind ein eigenes Völkchen. Wir sind halt typisch rechtsrheinisch – nicht ganz so hip, dafür aber viel bodenständiger Klientel.

Zur Person

Rolf Blandow (54) ist in Bergisch Gladbach geboren und aufgewachsen. Nach Ausbildung zum Koch hat er Geschichte und Sozialarbeit studiert. Seit Januar 1997 arbeitet er als Geschäftsführer bei Veedel. Blandow ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Familie wohnt nach zwölf Jahren in Vingst nun wieder in Bergisch Gladbach. (NR)

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