AboAbonnieren

„Das ist Zerstörung pur“Kölner Initiative und BUND kritisieren geplante Bebauung am Rather See

Lesezeit 4 Minuten
Arbeiten am See.

Arbeiten für einen neuen Parkplatz am See.

Mit einer Führung um den Rather See haben die Organisationen auf die negativen Umweltfolgen der geplanten Bebauung aufmerksam gemacht.

Die Führung hatte kaum begonnen, man war auf dem Brück-Rather-Steinweg gerade am Rand des Sees angekommen, als Holger Sticht die gut 50 Teilnehmer auch schon bat, innezuhalten und zu lauschen. „Achtung, das ist Girlitz-Revier.“ Zu hören war der scheue Vogel jedoch nicht, vielleicht haben ihn die Planierarbeiten für den neuen Parkplatz der Wasserski-Anlage zwischen Brück-Rather-Steinweg und Rösrather Straße schon vertrieben. „Wie die Vögel auf den Lärm reagieren, den vor allem die vielen Menschen verursachen, wenn die Anlage erst fertig ist, weiß niemand“, sagt Sticht.

Der Vorsitzende des BUND in Nordrhein-Westfalen, selbst in Brück zu Hause, lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Auswirkungen für Girlitz, Plappergrasmücke oder Feldlerche, die an den Rändern von Äckern oder in Uferböschungen leben, keine positiven sein werden.

Diese Arten stehen schon auf der Roten Liste für gefährdete Pflanzen und Tiere, oder sind knapp davor. „Das ist Zerstörung pur“, sagt Sticht mit Blick auf die Arbeiten in der unmittelbaren Umgebung des Rather Sees. „Und das in einem Landschaftsschutzgebiet: So kann die ökologisch nachhaltige Zukunft Kölns nicht aussehen.“

Rather See in Köln: Drei Sportplätze und bis zu 400 Wohnungen geplant

Während der Bau der Wasserski-Anlage längst beschlossene Sache und nicht mehr rückgängig zu machen ist, ist die Zukunft der Felder am Rather See der eigentliche Grund für die Führung an diesem Tag. Veranstalter ist das „Bündnis für die Felder“, das sich gegen die Pläne ausspricht, am Rather See Sportstätten für drei Vereine anzulegen, die in den kommenden Jahren ihre angestammten Plätze im Zentrum von Rath-Heumar aufgeben müssen.

Die Teilnehmer stehen am Rand und hören zu.

Holger Sticht (l.) mit Teilnehmern am Ackerrand

Auch für die Politik ein schwieriges Thema, deshalb haben sich zahlreiche Vertreter von Stadtrat und Bezirksvertretung der Führung angeschlossen. „Den Vereinen müssen wir helfen, das ist doch klar“, stellt Peter Jüde vom Bündnis klar. „Aber sie brauchen so schnell wie möglich neue Plätze, bevor noch mehr Mitglieder abwandern. Hier am Rather See würde es auch im besten Fall mindestens fünf Jahre dauern, bis alles fertig sind.“

Vor allem stört es die Leute vom Bündnis, dass der Eigentümer des Areals am Rather See, die Erbengemeinschaft von Stein, der auch das jetzige Gelände der Rath-Heumarer Vereine gehört, den Sportplatz-Bau mit Wohnungsbau nördlich der Straßen Am Ziegelfeld, Am Burgacker und Am Lusthaus verbinden möchte. Von 350 bis 400 Wohnungen ist die Rede. Für Holger Sticht wäre das eine Katastrophe: „Weitere Versiegelungen der Landschaft können wir uns nicht leisten.“

Auf bebautem Gelände fließe das Regenwasser umgehend in die Kanalisation und weiter in die Nordsee. Es werde aber vor Ort gebraucht, wo es im günstigsten Fall langsam versickert und dabei durch Verdunstung für eine Abkühlung der Luft sorge. Ein Effekt, der in Zeiten zunehmender Erwärmung aufgrund des Klimawandels unverzichtbar sei.

Schließlich sei die Feldflur am Rather See als Frischluftschneise für große Teile der Stadt bedeutsam. „Wohnungsbau an dieser Stelle würde auch den Getreideanbau verhindern, und seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges sehen wir wie prekär die Versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen plötzlich werden kann“, gibt Sticht zu bedenken.

BUND-Vorsitzender befürchtet negative Auswirkungen auf den Klimawandel

Für Holger Sticht sollte die Landwirtschaft selbstverständlich ohne Pestizide arbeiten, die das Grundwasser verunreinigen und Insekten schaden, die wiederum Vögeln als Nahrung dienen. Richtig betriebene Landwirtschaft, die auch großzügige Ackerrandbereiche erlaube, könne durchaus zur Artenvielfalt beitragen. Sticht weist seine Zuhörer auf das Rainfarn hin, den Spitzwegerich – das „beste Mittel gegen Atemwegserkrankungen“ – oder den schlitzblättrigen Storchenschnabel. Auch für den „Persischen Ehrenpreis“ findet er freundliche Worte. Der sei hier zwar nicht heimisch, sondern sei von Menschen hierher versetzt worden, passe aber ganz gut in unsere natürliche Umgebung.

Am besten aber, das macht Holger Sticht auch klar, halte sich der Mensch aus der Planung und Steuerung von Flora und Fauna komplett heraus. Er demonstriert das am Beispiel einer Fichtenschonung. Auf dem Waldboden könne in einer solchen Monokultur nichts wachsen, weil die Kronen der regelmäßig und so dicht wie möglich gepflanzten Bäume kein Sonnenlicht durchließen. Weil die Fichte, ebenfalls ein Neophyt, aber die immer wärmer werdenden Sommer nicht vertrage, hätten andere Pflanzen diese Flächen wieder zurückerobert: „Seit 1980 war die nicht mehr in einem so guten Zustand“, kommentiert Sticht das wilde Wuchern.