200 Jahre Kölner KarnevalEine WDR-Doku mit janz vill Jeföhl

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Die Roten Funken während einer Mitgliederversammlung in einem Kölner Gewölbe

Die Roten Funken während einer Mitgliederversammlung in einem Kölner Gewölbe.

Der WDR feiert 200 Jahre organisierten Kölner Karneval mit einer 90-minütigen Dokumentation in seiner Mediathek.

Irgendwie kommt uns das alles doch sehr vertraut vor: Alkoholisierte Menschen, die pöbelnd durch die Straßen der Altstadt ziehen, Männer, die sich an Hauswände erleichtern. Zusammengefasst: „Alkohol und Unzucht an jeder Ecke“. Doch wir befinden uns nicht in der Gegenwart, sondern 200 Jahre zuvor. „Wir müssen das wieder in ordentliche Bahnen lenken, die Tradition bewahren, bevor sie ganz untergeht“, raunt Heinrich von Wittgenstein (Moritz Heidelbach) seinem Freund Matthias Joseph de Noël (Piet Fuchs) zu.

Die Angst, dass der Karneval aus dem Ruder läuft, ist eben kein Phänomen unserer Zeit. So erzählt es „Alaaf – 200 Jahre Kölner Karneval“, eine 90-minütige Dokumentation mit Spielszenen, die der WDR an diesem Freitag zur Primetime sendet – auf den Tag genau 200 Jahre, nachdem der erste Rosenmontagszug damals noch um den Neumarkt zog.

Die ältesten Filmaufnahmen vom Zug stammen aus dem Jahr 1913

Im Februar 1823 gründeten einige Männer aus der Kölner Oberschicht das sogenannte „Festordnende Komitee“ – den Vorläufer des heutigen „Festkomitees Kölner Karneval“. Sie wollten einem Verbot des Karnevals durch die preußischen Herrscher zuvorkommen und das Fest wieder in geregelte Bahnen lenken. Der Rosenmontagszug war ein Instrument auf dem Weg zu festen Strukturen.

Der Film von Lutz Heineking Jr., Wilm Huygen und Dirk Kämper zeichnet – erzählt von Annette Frier – die darauf folgenden 200 Jahre nach: Die Entstehung der Traditionskorps (von Kabarettist Jürgen Becker als „Salatblatt auf dem Käsebrötchen“ bezeichnet), die unterschiedlichen Phasen des Sitzungskarnevals, die Verankerung in die Stadtgeschichte. Die Prunkwagen beim Rosenmontagszug wuchsen beständig in die Höhe, die Zuschauerzahlen ebenso.

Die ältesten Filmaufnahmen vom Zug stammen aus dem Jahr 1913. Die teilweise bis zu zehn Meter hohen Aufbauten musste man irgendwann wieder aufgeben. Der Zug würde sonst gar nicht mehr überall durchkommen. Heute nennt Zugleiter Holger Kirsch ihn übrigens „ein logistisches Monster“. Das klingt eher bedrohlich als erfreulich. Aber der Karneval war eben bei allem Frohsinn immer auch eine ernste Angelegenheit.

Reizvolles Archivmaterial

Wer das Brauchtum kennt, trifft natürlich auf viele bekannte Gesichter und Geschichten. Aber es gibt auch Neues zu entdecken. Oder wussten Sie, dass die Narrenkappe im Jahre 1827 von Baron Carl Heinrich Maximilian von Czettritz und Neuhauß – und somit ausgerechnet von einem Preußen – eingeführt wurde?

Gerade das Archivmaterial, das der Film aus fast 100 Jahren zutage gefördert hat, ist reizvoll. Sehr schön sind zum Beispiel Szenen aus einer Schwarz-Weiß-Doku des Südwestfunks aus dem Jahr 1960, die das Phänomen Kölner Karneval zu erklären versuchte. „Man sieht es den Menschen nicht auf den ersten Blick an, aber es steckt etwas Wundersames in ihnen. Die Fähigkeit, überdurchschnittlichen Frohsinn zu verbreiten“, heißt es darin.

Viele Entwicklungen des Karnevals greift die kurzweilige Doku auf. Es geht um die Entstehung des Geisterzugs, die Stunksitzung und die zunehmende Bedeutung der Musik – nicht nur in den Kneipen, sondern auch bei Sitzungen. Glücklicherweise spart der Film auch die heiklen Themen nicht aus. Die Mär von den aufmüpfigen Karnevalisten während der NS-Zeit etwa ist schon lange widerlegt, Aufnahmen von antisemitischen Wagen und Gruppen zeigen das eindrucksvoll. Und auch, dass der Karneval besonders in den Traditionskorps noch immer eine Männerveranstaltung ist, kommt zur Sprache.

Alles in allem ist dieser Film aber eine Liebeserklärung an die Stadt und den Karneval. Bekannte Kölnerinnen und Kölner wie Gaby Köster, Mirja Boes, Ludwig Sebus, Stephan Brings und Festkomiteepräsident Christoph Kuckelkorn sprechen über ihre ganz persönliche Beziehung zu den jecken Tagen. Vermutlich geht es vielen wie Jürgen Becker: „Auf Weihnachten könnte ich verzichten, auf Karneval nicht.“


Karneval im WDR

10. Februar, 20.15 Uhr: „Alaaf – 200 Jahre Kölner Karneval“ 16. Februar, 22.15 Uhr: „Stunksitzung 2023“ 18. Februar, 11 Uhr: „Divertissementchen 2023: Fastelovend zesamme!“ 18. Februar, 20.15 Uhr: „Die Karnevals-Countdown-Show“ 19. Februar, 8.25 Uhr: „Die Sendung mit der Maus“ 19. Februar, 12.20 Uhr: „Schull- un Veedelszöch 2023“ 20. Februar, 9 Uhr (Im Ersten von 14 bis 15.30 Uhr): „Rosenmontagszug Köln 2023“ 20. Februar, 20.15 Uhr (DasErste): „Karneval in Köln 2023“

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