„Raus aus dem Krisenmanagement“Festkomitee sieht Stadt Köln beim 11.11. in der Pflicht

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FK-Präsident Christoph Kuckelkorn bei einem Besuch in der JVA-Ossendorf.

FK-Präsident Christoph Kuckelkorn bei einem Besuch in der JVA-Ossendorf.

Im Oktober wählt das Festkomitee Kölner Karneval seinen Vorstand. Der amtierende Präsident Christoph Kuckelkorn stellt sich erneut zur Wahl.

Christoph Kuckelkorn möchte eine weitere Amtszeit Präsident des „Festkomitee Kölner Karneval“ bleiben. Im Interview spricht er über seine Ziele, die Zukunft von kleineren Karnevalsgesellschaften nach der Pandemie und den 11.11.

Herr Kuckelkorn, im Oktober stehen im Festkomitee Vorstandswahlen an, Sie treten wieder an. Warum haben Sie sich dazu entschieden?

Christoph Kuckelkorn: Wir haben uns in den vergangenen Jahren viel mit dem Jubiläum beschäftigt und damit, über die Corona-Zeit den Karneval zu erhalten. Nicht nur, dass die Vereine überleben, sondern auch, dass die Infrastruktur vom Karneval überlebt. Das ist uns geglückt. Jetzt wollen wir wieder in die Normalität zurück und ich möchte Akzente setzen, die ich eigentlich schon längst vorhatte zu setzen.

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Wir müssen wegkommen von dem zufallsgenerierten Karnevals-Event in der Schule, weil ein paar Lehrer Bock drauf haben
Christoph Kuckelkorn

Welche sind das?

Der soziale Anteil im Karneval muss nach Corona wieder ans Laufen kommen. Das heißt, dass Spendengelder generiert werden, um die vielen Spendenzwecke zu bedienen, die sich zum Teil ausschließlich aus dem Karneval finanzieren. Das hat unter Corona sehr gelitten. Wir haben in den letzten Jahren viel im Bereich des Nachwuchses gearbeitet. Auch damit sind wir noch nicht fertig mit. Wir müssen wegkommen von dem zufallsgenerierten Karnevals-Event in der Schule, weil ein paar Lehrer Bock drauf haben. Es muss in die Lehrpläne der Schulen integriert werden, unser Brauchtum erklärt und fühlbar gemacht werden. Das öffnet den Karneval für Kinder und ganze Familien, die noch gar keinen Zugang zum Karneval haben.

FK-Präsident Christoph Kuckelkorn stellt sich im Oktober wieder zur Wahl.

Nicht im Ornat, sondern im Anzug: FK-Präsident Christoph Kuckelkorn stellt sich im Oktober wieder zur Wahl.

Wie steht es um kleinere Gesellschaften, die in der Pandemie besonders gelitten haben?

Wir sind gerade in der Aufarbeitung und checken, welche Vereine jetzt echt Schwierigkeiten haben. Da sind wir mit den einzelnen Gesellschaften im Gespräch und wir versuchen auch im Nachgang da zu unterstützen, wo Förderungen nicht genügend gegriffen haben. Es geht auch darum, zu überlegen: Wie kann man die Marke, die ich bin als Verein, nach außen bringen? Das Angebot war noch nie so vielfältig, umso mehr müssen sich die einzelnen Gesellschaften mit ihren Veranstaltungen voneinander abheben.

Wie kommen die Gesellschaften noch an das nötige Kleingeld, um Sitzungen zu finanzieren? Das Publikum will die Großen auf der Bühne sehen. Das können sie sich aber nicht leisten.

Man muss überlegen, brauche ich denn zehn Nummern in einer Sitzung? Tun es nicht auch neun? Dann bin ich ja schon finanziell entlastet. Muss es immer noch die Sitzung sein, die wir seit 1953 feiern? Da kann man viel mehr machen. Die Welt wandelt sich, unser Anspruch an Veranstaltungen wandelt sich. Da müssen auch wir Karnevalisten mit der Zeit gehen.

Die Jecken zahlen auch im Alltag für alles mehr. Und dann kostet im Foyer ein Kölsch drei Euro, das Ticket kostet schon 50 Euro – ist das nicht auch eine Gefahr, dass die Schere im Karneval auseinandergeht?

Wir stellen über die Zeit der letzten Finanzkrisen immer wieder fest, dass der Karneval in solchen Zeiten eher noch exzessiver gefeiert wird als sonst. Deswegen haben wir gar keine so große Not bezüglich des Interesses. Aber natürlich müssen wir genau die Kosten im Blick behalten.

Christoph Kuckelkorn fordert Bekenntnis der Stadt zum Karneval

Schauen wir auf den 11.11. und das Epizentrum: Zülpicher Viertel. Wie sieht momentan der Austausch mit der Stadt aus?

Wir finden den Turnaround, den die Oberbürgermeisterin gegangen ist, nämlich weg von einem Austauschkreis hin zu einer aktiveren Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen, absolut begrüßenswert. Man kann nicht nur immer meckern, man muss auch tun. Und das ist jetzt der Fall. Am Ende des Tages wird im Stadtrat und in der Stadtregierung hoffentlich das Bekenntnis zum Karneval kommen. Das ist die Basis für alles.

In den vergangenen Jahren hat sich die Stadt nicht klar genug bekannt?

Wir sind uns einig, dass wir was tun müssen. Aber wie wir es tun, das ist die Frage. Die Stadt Köln kann natürlich sagen, sie versucht das zu managen, was passiert. Das versucht man eben mit diesen Ausweichflächen. Das ist aber nur Krisenmanagement. Da muss man raus. 

Wenn wir sagen, am 11.11. wollen wir einen Magnet bilden, der junge Leute vom Zülpicher Viertel wegzieht, dann muss der Magnet laut und groß sein
Christoph Kuckelkorn

Warum will die Stadt nicht der Veranstalter sein? Sie ist es bei anderen Veranstaltungen schon gewesen.

Die Dimensionen sind hier andere. Wenn wir sagen, am 11.11. wollen wir einen Magnet bilden, der junge Leute vom Zülpicher Viertel wegzieht, dann muss der Magnet laut und groß sein. Und der zieht natürlich auch zusätzlich Leute an, die sonst nicht nach Köln gekommen wären. Da hat jeder sehr große Hochachtung vor.

Wer könnte denn der Veranstalter sein?

Es gibt private Veranstalter, die dafür beauftragt werden könnten. Dann gibt es natürlich aus der Clubszene auch Leute, die das mittragen würden.

Ist es möglich, dass es schon in diesem Jahr am 11.11. noch eine weitere Ausweichfläche neben den Uniwiesen geben wird?

Es gibt Areale, die angedacht sind, es gibt Sperrkonzepte. Es gibt auch die Idee einer Art Karnevalsparade. Am Ende aber ist die Frage, geht die Stadt das mit? Wir würden uns darüber freuen.

Die Deutzer Werft stand auch mal als Ausweichfläche im Raum.

Die Stadt steht sich da selbst im Weg. Auf bestimmten Plätzen dürfen nur eine gewisse Anzahl von Veranstaltungen stattfinden. Die Deutzer Werft wäre dabei ein total guter Standort. Der Stadt fehlt es gänzlich an solchen Veranstaltungsorten. Das wäre stadtplanerisch langfristig gesehen auf jeden Fall ganz wichtig. Und Deutz wäre die Chance gewesen.

Henriette Reker hat in einem Interview des „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt, das Festkomitee habe die Aufgabe, den jungen Menschen beizubringen, wie man Karneval feiert.

Das können wir gerne machen, wenn die Stadt Köln die Infrastruktur dafür bereitstellt. Ein Brauchtumstag in den Schulen wäre beispielsweise ein wichtiger Schritt dabei.

Beim Kardinal fehlt in bestimmten Themen inzwischen ein gemeinsamer Wertekonsens
Christoph Kuckelkorn

„Wat e Theater – wat e Jeckespill“: Gibt es schon konkrete Ideen für eine Umsetzung des Mottos, die man verraten kann?

Es gibt zwei Deutungsebenen in dem Motto. Die eine Deutungsebene bezieht sich auf diesen Ausruf „Wat e Theater!“. Wenn man sich heute in der Welt umschaut, denkt man, meine Güte, was passiert hier? Da kann man politisch im Zug ganz viel drüber machen. Natürlich wird das Theater auch eine Rolle spielen. Vielleicht geht es dem Karneval an manchen Ecken nicht gut, aber dem Theater geht es stellenweise richtig dreckig. Da wollen wir mit dem Motto auch die Aufmerksamkeit drauf lenken. Wie genau wir das machen, bleibt aber noch eine Überraschung.

Sie haben öffentlich Kardinal Woelki für dessen Abmahnung eines Pfarrers in Mettmann kritisiert. Geht das FK auch sonst auf Distanz zur Kirche?

Der organisierte Karneval und die Kirchen sind eng miteinander verbunden. Unser Brauchtum fußt auf einem christlichen Fest, auch heute noch gibt es unzählige gute Beispiele für eine enge Zusammenarbeit zwischen Kirche und Karneval. Man denke nur an die vielen Pfarrsitzungen oder gemeinsamen sozialen Projekte. Von einer grundsätzlichen Distanz zur Kirche würde ich also nicht sprechen. Beim Kardinal fehlt allerdings in bestimmten Themen inzwischen ein gemeinsamer Wertekonsens.

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