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Karneval in KölnTeilnehmer-Rekord bei Geisterzug auf der Schäl Sick

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Köln – Blutunterlaufene Augen, fahle Gesichter, Krallen statt Fingernägel: Finstere Kreaturen wandelten am Samstagabend auf der Schäl Sick. Unter wolkenverhangenem Himmel und im Schein der Straßenlaternen setzte sich der Geisterzug an der Waldecker Straße in Buchforst in Bewegung in Richtung Kalk. Erstmals seit zehn Jahren waren die Geister auf der rechten Rheinseite unterwegs.

„Die letzten Jahre waren wir mit dem Agrippina-Motto immer an einen Zugweg über die alten Römerstraßen linksrheinisch gebunden. Jetzt gibt es ein neues Motto, und wir haben uns überlegt, wo wir schon lange nicht mehr waren. Da fiel die Wahl direkt auf die andere Rheinseite“, sagte Ellen Wenge vom Verein Ähzebär und Co, der den Geisterzug traditionell organisiert. Wenge selbst lief an der Zugspitze, die sie zusammen mit anderen Geistern und Gründer Erich Hermans bildete. Er trug eines der opulentesten Kostüme im Zug mit meterlangen Metallflügeln an seinem Engelskostüm.

Der Geisterzug ist von jeher nicht rein karnevalistisch, sondern will auch immer eine politische Aussage treffen. Daher ist das neue Motto „Poppe, net Kloppe – mer trecke för dr Fridde“ eine freie Übersetzung des Slogans „Make Love not War“ aus den 60er Jahren ins Kölsche. Politische Statements waren bei den jecken Geistern allerdings wenig zu erkennen. Ein Geist mit Martin-Schulz-Maske war zu sehen und der Träger eines Schildes mit der Aufschrift: „Et jitt kei kölsche Wood för Rheinmetall“, das auf die deutschen Panzer in der Türkei anspielte.

Love, Peace und Happiness, passend zum Motto, verkörperten vereinzelte Hippies, die im Zug tanzten und ein leuchtendes Peace-Zeichen in die Höhe hielten. Was den Organisatoren mottogetreu jedoch gelang, war ein absolut friedlicher Umzug, der viele unterschiedliche Gruppen zusammenbrachte. „Die Stimmung ist toll, und wir sind einfach aus Spaß an der Freud dabei“, sagte Carmen Amelung von den Haaner Trommelwirbeln. Sie sorgte mit ihrer Trommel, die ständig ihre Farbe wechselte, für gute Laune. Die Jecken in Geister- und Normalo-Kostümen tanzten zu ihren Schlägen durch die Straßen Kalks.

Es spukten nämlich nicht nur lauter Untote und durchaus kreative Fantasiegeister im Zug mit, sondern auch viele Jecke in den üblichen Straßenkarnevalskostümen wie Piraten und Indianer. Die meisten Besucher und Teilnehmer kamen in ihren gewöhnlichen Karnevalskostümen, die sie, etwa durch weiße Schminke und Kunstblut, Geisterzug-tauglich umgewandelt hatten.

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Ein älterer Herr trug seinen barocken Mantel, an dessen Ärmelsäumen das weiße Rüschenhemd herausschaute. Sein Gesicht hatte er in einem schwarz-roten, narben-ähnlichen Muster bemalt. Er stoppte zwischendurch, beugte sich hinunter zu den Kindern am Straßenrand, hielt sich eine Kerze tief ins Gesicht und sagte langsam: „Ah, Kinderfleisch“. Die Reaktion fiel allerdings eher amüsiert als verängstigt aus. Beim Mitmach-Zug scherten die Teilnehmer ein und aus, wie sie es wollten. So machte es auch Maria Schmitz, die sich mit Freundinnen verabredet hatte. „Wir gucken ein bisschen zu und reihen uns mit ein. Es ist toll, dass man eben nicht nur Zuschauer sein muss“, findet sie. Das dadurch entstehende Wirrwarr schien die Begeisterung für den Geisterzoch nicht groß zu schmälern. Die Straßenränder waren gesäumt mit vielen Zuschauern. Die geschätzte Teilnehmerzahl von 2500 sollte übertroffen worden sein.

„Jedes Jahr mehr Zuschauer“

Zugleiter Achim Wenge freute sich: „Es werden jedes Jahr mehr Zuschauer. Das finden wir toll, obwohl es ein Zug sein soll, bei dem jeder mitmacht. Dass der Zug allerdings auch rechtsrheinisch so viel Zuspruch findet, überrascht uns. Aber es ist ein tolles Gefühl. Wir bieten den Leuten eben etwas Besonderes.“ Liebenswürdiges Chaos – das charakterisiert den Geisterzug wohl am besten. Hier macht jeder ein bisschen, was er will.

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