Wie soll dat nur wigger jon?Kölner Veedelszüge in Gefahr – Veranstalter schlagen Alarm

Lesezeit 4 Minuten
Der Zollstocker Zug geht über den Gottesweg.

Der Zollstocker Dienstagszug

90.000 Euro Fördermittel für die Veranstalter der Kölner Veedelsumzüge stehen nicht mehr zur Verfügung. Auch deshalb sehen viele Vereine die „Zöch“ in Gefahr.

Vom „Schönsten wat mer han“ ist spätestens dann in Kölns Stadtteilen die Rede, wenn an Karneval die Veedelszüge durch die Straßen ziehen. Doch hier, wo „m'r zosamme steiht, ejal wat och passet“ beschäftigt viele Jecke vor allem eine Frage: „Wie soll dat nur wigger jon?“ Vier Monate vor den tollen Tagen plagen viele der veranstaltenden Vereine Geldsorgen und nicht wenige sehen die Umzüge schon bald in Gefahr.

Als Grund werden die zum Teil erheblichen Kostensteigerungen genannt. Zudem fehlen insgesamt 90.000 Euro, die das Land und die Stadt Köln ab 2019 bereitgestellt hatten, um die Vereine zu unterstützen. „Die Gelder wurden auf die neun Stadtbezirke verteilt, und jeder Zugveranstalter erhielt je nach Teilnehmerzahl eine bestimmte Summe“, sagt Michael Siegenbruck, Vorsitzender des Vereines der Freunde des Zollstocker Dienstagszugs. 2000 Euro hatte er für 2023 bekommen – für einen Veedelsverein viel Geld.

Kölner Karneval: Land und Stadt streichen 90.000 Euro an Hilfsmitteln

Rund 1000 Euro fehlen nun dem Verein Fördergemeinschaft Merheimer Karnevalszug von 1979 „Für uns Pänz“, wie Zugleiter Patrick Offermann sagt. Jedes Jahr wird im Kölner Norden für den Zoch gesammelt, doch werde die Finanzierung immer schwieriger. „Da wir nicht mehr so viele Mitglieder haben, fällt es uns mittlerweile schwer, von Haus zu Haus zu gehen und zu sammeln“, so Offermann. Deshalb können Spenden inzwischen auch online übermittelt werden. Alles sei teurer geworden, zum Teil extrem, sagt der Zugleiter: Vor Corona habe der Sanitätsdienst, der den Zug begleitet, 200 bis 300 Euro gekostet, „zuletzt waren es 700 Euro“.

Alles zum Thema Festkomitee Kölner Karneval

Zwar könne der kommende Zug stattfinden, da man inzwischen genug Geld für Gema, Versicherung und Sicherheit eingesammelt habe. Doch ob man sich auch eine Musikkapelle leisten könne, stehe derzeit noch in den Sternen.

Von denen gebe es auch immer weniger, moniert Offermanns Kollege in Zollstock: „Wenn wir dann eine im Hunsrück gefunden haben, dann zahlen wir auch noch den Bus, sodass allein hier 1200 bis 1500 Euro zu Buche stehen“, sagt Siegenbruck. Nach seinen Angaben kostet in Zollstock allein der Sicherheitsdienst und das Aufstellen der Schilder 6000 Euro. Insgesamt seien für den Zug 13.000 bis 15.000 Euro nötig.

Karneval Köln-Zollstock: 1000 Kinder laufen im Zug mit

Geld, das neben Spenden durch zahlreiche Aktivitäten des Vereins zusammenkommen muss. Doch das selbstorganisierte Herbstfest auf dem Zollstocker Marktplatz etwa spülte zu wenig in die Kassen. Siegenbruck: „Das Geld sitzt bei den Leuten nicht mehr so locker wie einst, statt 2000 Litern Kölsch haben wir nur 1200 Liter verkauft.“

14 Jahre lang konnte der Verein Schulen und Kindergärten mit jeweils 200 Euro bezuschussen für Wurfmaterial und Kostüme. Ob dies auch 2024 der Fall sein wird, ist noch nicht abzusehen. „Es kann nicht sein, dass die Probleme auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden.“ Gerade die Pänz machten das schöne Bild des Dienstagszugs aus, so Siegenbruck. Von den 1500 Teilnehmern seien rund 1000 Kinder.

Die bunte Vielfalt des Kölner Karnevals zu erhalten, ist uns sehr wichtig.
Hiolger Kirsch, Zugleiter des Kölner Rosenmontagszugs

Auch in Kalk wird derzeit jeder Euro umgedreht. „Wir wissen noch gar nicht, wie viel Geld wir am Ende brauchen werden“, sagt Jonas Hartung. Er ist Vorsitzender des erst im April gegründeten „Nur ein Karnevalsverein e.V.“, nachdem sich Dieter Maaßen nach 26 Jahren als Organisator des Dienstagszugs aus Altersgründen zurückgezogen hatte. „Wir gehen erst mal davon aus, dass der Zug stattfinden wird“, sagt Hartung. Was man sich dann leisten könne, werden die kommenden Aktivitäten zeigen. So organisiert der Verein am 11.11. im Bürgerhaus Kalk eine Familienparty mit bekannten Kölner Bands, um weitere Einnahmen für den Zug zu generieren.

Holger Kirsch steht in der Messehalle vor Persiflagewagen

Zugleiter Holger Kirsch vom Festkomitee bietet den Vereinen Unterstützung an.

Beim Festkomitee (FK) weiß man um die Nöte der Veedelsvereine: „Die bunte Vielfalt des Kölner Karnevals zu erhalten, ist uns sehr wichtig. Dazu gehören natürlich auch all die kleinen, liebevoll organisierten Umzüge in den Veedeln“, sagt Zugleiter Holger Kirsch. So biete das FK seit fünf Jahren regelmäßig Vernetzungstreffen an, bei denen auch bei Sicherheitskonzepten oder Genehmigungsverfahren geholfen werde. Auch in Rechtsfragen könne das FK oft unterstützen. Als gemeinnütziger Verein könne man jedoch nicht als Finanzier für rund 50 Umzüge auftreten.

Dass die 90.000 Euro nicht mehr zur Verfügung stehen, stößt beim Zugleiter auf Kritik: „All die genannten Maßnahmen laufen ins Leere, wenn die Finanzierung nicht stabil ist und wichtige Fördermittel gestrichen werden, während gleichzeitig die organisatorischen Auflagen für die ehrenamtlichen Züge immer höher werden.“

Rat der Stadt Köln: Kein neues Geld beantragt

Die Finanzspritze wurde zum Doppelhaushalt nach einem Beschluss der Politik zur Verfügung gestellt, teilt eine Stadtsprecherin mit. Und: „Da coronabedingt nicht alle Mittel aufgebraucht waren, wurden sie in einzelnen Bezirken ins Jahr 2023 übertragen. Für nächstes Jahr steht nichts mehr zur Verfügung.“  Heißt: Seitens der Ratsfraktionen gab es keinen Beschluss, erneut Gelder für das Brauchtum zu beantragen.

Michael Siegenbruck zeigt sich enttäuscht darüber: „Alle reden über den 11.11. auf der Zülpicher Straße oder die großen Veranstaltungen, für die viel Geld ausgegeben werden. Aber der wahre Geist des Karnevals ist in den vielen Veedeln der Stadt zu finden.“

KStA abonnieren