„Carnival for Colors“Mit Bildung und Empathie gegen Ausgrenzung – Experten diskutieren über Rassismus im Karneval

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Das Experten-Panel bei der Diskussion „Carnival for Colors“.

Das Experten-Panel bei der Diskussion „Carnival for Colors“.

Erörtert werden sollte, wie der Kölner Karneval kulturell nachhaltig geöffnet werden kann.

„Held Carneval als Colonisator“ war 1885 das Motto des Kölner Rosenmontagszugs. Im Jahr zuvor hatte sich das Deutsche Kaiserreich Deutsch-Südwestafrika, Kamerun und Togoland als Kolonien angeeignet. Im Zug präsentiert wurden „Aechte Menschenfresser“, ein schwarzer Amazonenchor mit Pickelhauben sowie Wagen mit Strohhütten und Menschen in Baströcken. Die meisten Teilnehmer hatte sich mit Schuhcreme zu Schwarzen geschminkt, also das getan, was heute  „Blackfacing“ genannt wird.

Ist der Karneval befreit von rassistischem Ballast?

Für Marianne Bechhaus-Gerst, Gründerin und Vorsitzende von „Köln Postkolonial – ein lokalhistorische Projekt der Erinnerungsarbeit“, ist dieser Umzug ein Beispiel dafür, dass Rassismus im Kölner Karneval eine „lange Tradition“ habe. Ein weiteres Beispiel seien die Gruppen und Vereine, die in späterer Zeit die klischeehaften „Afrika-Bilder reproduziert“ hätten. Ist das nicht längst überwunden? Allgemeiner gefragt: Ist der Karneval befreit von rassistischem Ballast?

Zu denen, die das bestreiten, gehört Glenda Obermuller aus Guyana, die dem von der Stadt eingerichteten „Exper*innengremium (Post)koloniales Erbe Kölns“ angehört. Im Januar nahm sie an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Migrantisches im Kölner Brauchtum?“ teil, die sie als „sehr schlimmen Abend“ in Erinnerung hat. Ihr, der einzigen Schwarzen auf der Bühne, hätten andere „vorschlagen“ wollen, „wie viel Dosierung von Rassismus eigentlich in Ordnung ist“.

Die Erfahrung war Anlass für sie, als Vorsitzende des Vereins „Sonnenblumen Community Development Group“ eine eigene Veranstaltung zu dem Thema auf die Beine zu stellen. „Carnival Futures“, wahlweise „Carnival for Colors“ lautete der Titel der von der Stadt geförderten Podiumsdiskussion am Freitag im „Clouth 104“, an der sie selber und weitere Gäste teilnahmen. Erörtert werden sollte, inwieweit es Rassismus im Kölner Karneval gibt und wie er kulturell geöffnet werden kann. Die Moderation hatte Emilene Wopana Mudimu, Leiterin des Jugend- und Medienzentrums „KingzCorner“.

Mit Bildung und Empathie gegen Ausgrenzung

Weiße Menschen seien es gewohnt, machen zu dürfen, was sie wollten, sagte Obermuller. Ihnen gelte es aufzuzeigen: „Nein, es geht nicht alles.“ Es sei ermüdend, aber nötig, dies immer wieder zu tun. Daryl Rodulfo, der seine Wurzeln in Trinidad und Tobago hat und dem Verein „Soaked in Soca“ vorsteht, sagte, für nicht-schwarze Menschen sei es schwer nachempfinden, was es heiße, wegen der Hautfarbe diskriminiert zu werden.

Der Karneval in seiner Heimat und der in Köln hätten vieles gemeinsam, doch in Trinidad finde das ganze Land zusammen, alle Farben und Ethnien, man feiere sich gegenseitig. „Das vermisse ich hier in Köln.“ Schwerpunkt der Arbeit von „Soaked in Soca“ ist, karibische Tanz-, Musik- und Karnevalskultur zu verbreiten und zu unterstützen, um die kulturelle Vielfalt und Toleranz in Deutschland zu fördern. Er setze auf Bildung und Empathie, um Ausgrenzung zu begegnen, sagte Rodulfo.

Von offenem Rassismus wie bei der Darstellung von Schwarzen in früheren Rosenmontagszügen unterschied Bechhaus-Gerst die „kulturelle Aneignung“. So wie sie bei den als „Kölner Stämmen“ bekannten Vereinen praktiziert werde, deren Mitglieder sich als Hunnen, Wikinger oder Mongolen verkleiden und in Sommercamps historische Epochen und andere Kulturen in Szene setzen. Grundsätzlich gelte, dass der Karneval nicht von der Gesellschaft zu trennen sei, sagte Bechhaus-Gerst, einer Gesellschaft mit einem „strukturellen und systemischen Rassismus“. Wer „weiße Deutungsmacht“ infrage stelle, stoße auf „heftige Abwehr“. Einen „gewissen Optimismus“ stütze sie auf die Möglichkeit, Menschen durch Bildung zum Umdenken zu bringen, denn das Wissen um Kolonialismus und Versklavung sei sehr gering.

Vielfach sei Gedankenlosigkeit im Spiel, sagte Kulturmanager Phillip Budde vom BPC Network und setzte ihr die „Sensibilisierung“ entgegen. Köln als „Hochburg des Karnevals“ könne mit gutem Beispiel vorangehen. Er schlug vor, dass Politik und Karnevalsvereine „Leitlinien“ erarbeiten, ergänzt um eine öffentliche Kampagne. In Schulen und Kitas könne das Personal entsprechend geschult werden. Lob fand er dafür, dass bestimmte Clubs und Bars in Köln Leuten den Zutritt verwehren, die anstößige Kostüme tragen. Im Anschluss an die Diskussion fand eine Karnevalsfeier der Vielfalt statt.

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