Kindheit unterm Hakenkreuz

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Barbara Weßler (l.) und Theaterpädagogin Sigrid Nüsser-Backes ließen Schüler auch in die Rolle von Juden schlüpfen.

Barbara Weßler (l.) und Theaterpädagogin Sigrid Nüsser-Backes ließen Schüler auch in die Rolle von Juden schlüpfen.

Sülz –  Der Luftangriff auf Köln im Jahr 1942, die Widerstandsbewegung der Edelweiß-Piraten in Ehrenfeld oder der Eintritt in die Hitlerjugend. Nur einige der Themen, die die Klasse 6a des Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasiums (EvT) im Theaterstück „Kindheit unterm Hakenkreuz“ in zwei Vorstellungen für Eltern und Mitschüler in der Aula des Gymnasiums vorgestellt haben. In einzelnen Szenen spielten die Schüler unter der Leitung von Theaterpädagogin Sigrid Nüsser-Backes und Klassenlehrerin Barbara Weßler szenenhaft Ereignisse aus der Zeit des Nationalsozialismus in Köln nach. Geschrieben haben Nüsser-Backes und Weßler das Stück inspiriert von dem Jugendbuch „Billes Geheimnis“ von Eva Stein. Darin findet eine Gruppe Kinder ein altes Tagebuch aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Schon seit mehreren Jahren führen die Sechstklässler am Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasiums jährlich einwöchige Theaterprojekte durch. Weßler, die die 6a als Klassenlehrerin in den Fächern Deutsch und Geschichte unterrichtet, sah darin eine Möglichkeit, um auf aktuelle Probleme aufmerksam zu machen. „Das Thema Nationalsozialismus nehmen wir gewöhnlich erst in der neunten oder zehnten Klasse durch. Aber nach dem rechtsextremen Anschlag in Halle haben meine Schüler vermehrt nachgefragt, was der Grund für die Tat gewesen sei“, so Weßler. „Daher kamen Frau Nüsser-Backes und ich auf die Idee, das Thema des Nationalsozialismus im Rahmen der Projektwoche aufzugreifen, um den Jugendlichen den geschichtlichen Hintergrund zu erklären.“ Seit 20 Jahren steht Theaterpädagogin Nüsser-Backes am EvT bei solchen Theaterprojekten mit Rat und Tat zur Seite. Auch in diesem Jahr gab es in der etwa vierwöchigen Vorbereitungszeit viel zu tun: „Neben dem geschichtlichen Inhalt mussten wir natürlich auch das Theaterspiel proben und einüben. Wo kommt die Stimme her, wie kriege ich die Mimik richtig hin, wie bewege ich mich – darin habe ich die Schüler geholfen. Und auch wenn es manchmal turbulent war, alle haben super mitgemacht.“

Das Theaterstück sollte möglichst viele Facetten der NS-Zeit in Köln abdecken. „Daher haben wir versucht, die Szenen unterschiedlich anzugehen – da werden Schilder gezeigt, es wird geschauspielert und die Schüler halten kurze Moderationen“, so Nüsser-Backes. Außerdem wechselten die Schüler während des Stücks ihre Rollen. So spielten sie in einer Szene ein Mitglied der Hitlerjugend, in der nächsten einen jüdischen Flüchtling. „Dadurch setzen sie sich stärker mit der Problematik auseinander und mussten im Vorfeld überlegen, wie sie die verschiedenen Haltungen auf der Bühne präsentieren können“, so Weßler.

Barbara Weßler (l.) und Theaterpädagogin Sigrid Nüsser-Backes ließen Schüler auch in die Rolle von Juden schlüpfen.

Barbara Weßler (l.) und Theaterpädagogin Sigrid Nüsser-Backes ließen Schüler auch in die Rolle von Juden schlüpfen.

Den Schülern hat das Projekt gefallen. Vor allem der Versuch, sich über das Theater an die Geschichte heranzuwagen, hat Eindruck hinterlassen. „Mir hat das Theaterspielen eine Menge Spaß gemacht“, so die elfjährige Ira aus der 6a. „Aber auch den Besuch des NS-Dokumentationszentrums fand ich interessant und beeindruckend. Da ist mir klar geworden, wie schlecht es den Opfern damals gegangen ist.“ Der Besuch der Klasse im in der NS-Dokumentationsstätte am Appellhofplatz bildete den Auftakt der Projektwoche. Dort sahen die Kinder anhand von Bildern, wie stark Köln durch die Bombardierung der Alliierten zerstört wurde. Außerdem besichtigten die Sechstklässler die Keller des Gestapo-Gefängnisses und erhielten Eindrücke von den schrecklichen Bedingungen, unter denen die Häftlinge dort gefangen gehalten wurden. Mit der Projektwoche und dem Theaterstück hofft Klassenlehrerin Weßler die Neugierde der Schüler geweckt zu haben: „Wir wollen die Kinder animieren, Fragen über diese Zeit zu stellen und auch bei aktuellen Ereignissen kritisch zu sein. Gerade jetzt, wo antisemitische und rechtsextreme Tendenzen in der Gesellschaft stärker und Juden wieder beschimpft und ausgegrenzt werden“, so Weßler. „Aus meiner Sicht haben die Schüler da in dieser Woche viel mitgenommen.“

Barbara Weßler, Lehrerin

Die Klasse 6a brachte Szenen aus dem Buch „Billes Geheimnis“ auf die Bühne.

Die Klasse 6a brachte Szenen aus dem Buch „Billes Geheimnis“ auf die Bühne.

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