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Angriffe aufs Kölner Ordnungsamt„Machen uns Sorgen, ob wir gesund nach Hause kommen“

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Das Kölner Ordnungsamt im Einsatz. (Symbolbild)

Köln – Der Abendeinsatz ist traurige Routine. Der Leitstelle des Kölner Ordnungsamtes wird freitags vor einigen Wochen eine Party in Ehrenfeld mit lauter Musik gemeldet. Als ein städtischer Mitarbeiter klingelt, um mit dem Wohnungseigentümer zu sprechen, wird die geöffnete Tür plötzlich mit Gewalt wieder zugeschlagen. Trotz eingeklemmtem Arm des Stadtangestellten, ohne Rücksicht auf eventuelle Verletzungen.

Nachdem die zu Hilfe gerufene Verstärkung des Ordnungsamtes eingetroffen ist, öffnet sich die Wohnungstür erneut. Mehrere Personen stürmen heraus, schubsen, treten und schlagen wild um sich. Erst die um Unterstützung gebetene Polizei kann die Situation beruhigen.

17 Strafanzeigen wegen Körperverletzung in Köln

Im laufenden Jahr hat die Stadt nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ 160 Strafanträge wegen Übergriffen auf Mitarbeitende des Ordnungsamtes gestellt. Es wird beleidigt, bedroht, gespuckt und geschlagen. In 17 Fällen kam es zu Körperverletzungen. Die bisherige Höchstzahl der Übergriffe im Jahr 2020 mit insgesamt 140 Fällen ist damit jetzt schon überschritten. 2019 hatte es 75 Strafanzeigen gegeben, sechs davon wegen Körperverletzung.

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Etwa die Hälfte der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im laufenden Jahr hatten einen Corona-Bezug. Zuletzt beispielsweise wurde nachts am Aachener Weiher aus einer mit Lautsprecherboxen feiernden Menschenmenge eine Flasche geworfen, die einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes am Kopf verletzte.

Nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie sei die Arbeit des Ordnungsdienstes wichtig für die gesamte Stadtgesellschaft, kommentiert Stadtdirektorin Andrea Blome die Übergriffe. „Umso mehr verstört es mich, wie respektlos und aggressiv manche Personen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ordnungsdienstes gegenüber auftreten. Das ist inakzeptabel."

Bodycams für den Kölner Ordnungsdienst geplant

Eine Reaktion auf die Eskalationen ist auch der Plan der Stadtverwaltung, in einem Pilotprojekt etwa 50 sogenannte Bodycams für die Mitarbeiter des Ordnungsdienstes anzuschaffen. Mit den Geräten könnten eventuelle Übergriffe dann aufgenommen werden. Ein Konzept dafür werde erarbeitet, die Finanzmittel seien für den städtischen Haushalt des nächsten Jahres schon angemeldet worden, antwortete die Stadt zuletzt auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im Rat.

Aktuell will kein von Übergriffen betroffener Ordnungsamtsmitarbeitender sich öffentlich äußern. „Mein Eindruck ist, dass sich die Widerstände immer in dem Moment besonders gehäuft haben, an dem die Corona-Regeln nochmals verschärft wurden“, sagte eine Mitarbeiterin des Ordnungsdienstes in Mülheim vor einigen Monaten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Fleisch aus dem Unterarm unter Kölner Zoobrücke gebissen

Auch die Hemmschwelle für körperliche Attacken sei deutlich gesunken. „Bei einer Maßnahme zum Beispiel am Kölnberg wurden Kollegen absichtlich angehustet. Unter der Zoobrücke wurde einem Kollegen von einer Frau ein Stück Fleisch aus dem Unterarm gebissen, als dort eine illegale Ansammlung aufgelöst wurde“, so die Dienstgruppenleiterin: „Das alles ist binnen weniger Wochen passiert. Manche Leute demolieren unsere Autos, verwickeln uns in Handgemenge. Einige Kollegen mussten nach Einsätzen krankgeschrieben werden. Wir machen uns inzwischen mehr Sorgen, ob wir noch gesund nach Hause kommen.“

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