„Gute Gespräche“Das Autonome Zentrum könnte noch 2024 von Sülz an neuen Standort ziehen

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Das Autonome Zentrum anLuxemburger Straße.

Das Autonome Zentrum befindet sich aktuell noch an der Luxemburger Straße.

Das AZ soll an einen neuen Standort ziehen - doch für die aktuellen Mieter in Kalk stellen sich noch viele Fragen.

Der Umzug des Autonomen Zentrums (AZ) von der Luxemburger Straße nach Kalk rückt näher. Am 1. Februar sollen Vertreterinnen und Vertreter des AZs, der Verwaltung und ein in Kalk ansässiger Busunternehmer eine Absichtserklärung unterzeichnen. Darin sollen nächste Schritte für eine einvernehmliche Lösung für den möglichen neuen Standort „In den Reihen 16“ des AZs festgelegt werden (wir berichteten).

Autonomes Zentrum muss der Parkstadt Süd weichen

Ein Umzug des AZs wird von Seiten der Stadtverwaltung seit Jahren geplant. Die Stadt braucht die Fläche direkt neben dem Justizzentrum für eines ihrer größten Stadtentwicklungsprojekte, die „Parkstadt Süd“. Der Innere Grüngürtel soll vollendet werden, um den jetzigen Großmarkt herum soll ein neues Quartier mit Wohnungen, Büros und Gewerbe entstehen. 3000 Wohnungen und 4000 Arbeitsplätze sind geplant. Wie der Großmarkt braucht deshalb auch das AZ einen neuen Standort. Die Suche danach ist kompliziert: Ein Angebot über eine Fläche an der Herkulesstraße hatte das AZ 2020 noch abgelehnt. Das AZ war 2014 in das Gebäude des ehemaligen Kanalbauamtes gezogen, ursprünglich sollte es nur bis 2018 an der Luxemburger Straße bleiben. Seitdem ist der Vertrag aber immer wieder verlängert worden, auch weil der Bau der Parkstadt langsamer als geplant vorankommt.

Die letzte Nutzungsvereinbarung des AZs ist Ende 2023 ausgelaufen. Doch: „Das AZ bekommt eine Verlängerung an der Luxemburger Straße, da wir nach wie vor in Gesprächen mit der Stadt zu einem Umzug an den Standort ‚In den Reihen‘ sind“, teilt das AZ auf Anfrage mit. „Diese Gespräche laufen, von beiden Seiten, gut und lösungsorientiert. Wir halten es für realistisch, dass eine Einigung zu dem Umzug gelingen kann.“ Auch aus der Verwaltung sind positive Signale zu vernehmen. „Der Umzug soll schnellstmöglich vonstattengehen“, heißt es. „Noch 2024 sollen erste Umzugsaktivitäten stattfinden.“

2013 verlief der Umzug des AZs nicht so geräuschlos. Damals standen Aktivistinnen und Aktivisten des AZs kurz vor einer Eskalation mit Stadt und Polizei, als sie ihr damaliges Quartier in er ehemaligen Kantine von Klöckner-Humboldt-Deutz verlassen mussten.

AZ will gut erreichbaren Standort in Köln

Der nun von der Verwaltung vorgeschlagene Standort „In den Reihen“ befindet sich in Kalk in Nachbarschaft zum Betriebshof der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) und ist 900 Meter fußläufig von der Bahnhaltestelle Kalk Kapelle entfernt. Damit ist der Ort mit dem öffentlichen Nahverkehr gut angebunden, was eine wesentliche Forderung des AZs für einen möglichen Umzug war. Am neuen Standort soll aus Sicht des AZ weiterhin das bislang angebotene Programm stattfinden können – also Kunst, Kultur, Workshops, Infoveranstaltungen und linke Politik.

Autonomes Zentrum, Luxemburger Straße

Außenaufnahme des AZs von 2022.

Eine Forderung des AZs in Bezug auf „In den Reihen“ war aber auch: Die bisherigen Mieterinnen und Mieter dürfen dort nicht verdrängt werden. An der Adresse sitzen unter anderem das Busreiseunternehmen „Piccolonia“, aber auch Einzelmieter aus dem sozialen und kulturellen Bereich. Einige Künstlerinnen und Künstler sind mittlerweile über Vermittlung der Stadt in Ateliers nach Rodenkirchen gezogen. Doch andere der alten Mieter sitzen noch immer „In den Reihen“ – und warten auf Informationen, wie es für sie weitergeht.

Bisherige Mieter in Kalk sind verunsichert

Darunter ist der Verein „Exit Enter Life“, der sich für Bildungsgerechtigkeit einsetzt. Geschäftsführer Jan Tölle sagt: „Die Stadt hat uns noch kein Angebot für einen Alternativstandort gemacht.“ Ein Umzug ergebe für den Verein keinen Sinn, wenn das neue Mietverhältnis „zeitlich begrenzt und teurer“ wäre, so Tölle. Eine Kündigung für „In den Reihen“ habe der Verein noch nicht erhalten. „Ich versuche aktuell, mich davon nicht zu sehr verrückt machen zu lassen“, sagt er.

Eine weitere, noch „In den Reihen“ verbliebene Mieterin ist die Musikerin Saskia von Klitzing. Auch sie habe von der Stadt „noch nichts gehört“. „Ich warte ab, bis die Abrissbirne kommt“, sagt sie. Sich von der Stadt in eine Zwischennutzung vermitteln zu lassen, ergab für sie keinen Sinn. „Meiner Meinung nach schreibt die Stadt sich so nur auf die Fahne, die Leute losgeworden zu sein, die laut geworden sind“, sagt sie. „In den Reihen“ sieht sie trotzdem keine Zukunft. „Ich will nicht zwischen die Fronten des AZ und des Busunternehmens geraten.“

„Piccolonia“-Busunternehmer will Betrieb gesichert sehen

Denn das Gelände „In den Reihen“ soll den Plänen nach geteilt werden, auf der einen Seite das AZ, auf der anderen Seite „Piccolonia“-Busreisen. Dessen Geschäftsführer Markus Klein bestätigt den Termin am 1. Februar. Sagt aber auch: „Unsere Interessen und die des AZs zusammenzubringen, ist schwierig.“ Er könne noch nicht ganz erkennen, „wo die Reise hingehen soll“. Für seine Busse brauche er viel Stellfläche, ursprünglich wollte er daher das gesamte Gelände der Stadt abkaufen. „Damit habe ich noch nicht ganz abgeschlossen“, sagt er.

Sollte das AZ nach Kalk ziehen, bräuchte es aus seiner Sicht einen größeren zeitlichen Vorlauf – „sicherlich drei bis vier Jahre“. Dass das AZ noch in diesem Jahr die Luxemburger Straße verlassen soll, nennt er „sportlich“. Das Gelände „In den Reihen“ müsse so hergestellt werden, dass sein Betrieb ungehindert weiterlaufen kann. Die Stadtverwaltung will den Umzug aber „möglichst in diesem Jahr realisieren“. Dafür soll das Gelände „rudimentär“ instandgesetzt werden.


Hintergrund: Die Geschichte des Autonomen Zentrums in Köln

2009 besetzt die „Kampagne Pyranha – für ein Autonomes Zentrum“ ein leerstehendes Gebäude an der Moselstraße nahe des Südbahnhofs. Sie setzen sich für einen selbstverwalteten, unkommerziellen Raum für Kunst, Kultur und linke Politik ein. Nach zwei Tagen ziehen sie wieder ab.

2010 im April besetzt die Kampagne die frühere Kantine von Klöckner-Humboldt-Deutz an der Wiersbergstraße in Kalk. Das Haus gehört der Sparkasse Köln-Bonn.

2011 soll das Haus von der Polizei geräumt werden, Aktivisten errichten Straßensperren und verbarrikadieren sich, ein gewaltsamer Konflikt steht kurz bevor. Erst in letzter Sekunde gibt es eine Einigung, Sparkasse und Autonomes Zentrum (AZ) setzen einen Vertrag zur Nutzung bis 2013 auf.

2013 geht es von vorne los, mutmaßliche Sympathisanten des AZ kleben die Haustür von SPD-Oberbürgermeister Jürgen Roters zu, veröffentlichen Adressen von SPD-Politikern und drohen ihnen. Das AZ distanziert sich davon. Später zieht das AZ in ein leerstehendes Gebäude am Eifelwall 7, dort steht heute das neue Historische Archiv.

2014/2015 Das AZ zieht um in das leerstehende Haus an der Luxemburger Straße 93 in direkter Nachbarschaft zum Justizzentrum. Dort soll es bis 2018 bleiben, die Stadt brauche dann das Grundstück, um dort die „Parkstadt Süd“ samt Grüngürtel zu bauen, hieß es.

2018 wird der Vertrag zur Nutzung verlängert, das Prozedere wiederholt sich danach bis heute.

2019 stürmen Aktivisten das Stadthaus der Verwaltung in Deutz, wollen unter anderem gegen das Aus für das AZ an der Luxemburger Straße demonstrieren. Ihr Motto: „Wollt ihr uns nicht mit einbeziehen, ziehen wir bei euch ein.“

2020 lehnt das AZ das Angebot der Stadt über eine unbebaute Fläche an der Herkulesstraße ab.

2022 bietet die Stadt das Gelände „In den Reihen“ in Kalk an. AZ und Stadt steigen darüber in Gespräche ein.

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