Grundstück-VergabeKölns Baudezernat plant radikale Wende im Kampf gegen Spekulanten

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Das Neubaugebiet Widdersdorf

Das Neubaugebiet Widdersdorf

  • Die Wohnungsnot in Köln ist groß, Mieten und Immobilienpreise steigen schwindelerregend.
  • Durch Bodenspekulationen werden zudem die Preise für Baugrundstücke immer weiter in die Höhe getrieben.
  • Dagegen aber will die Stadt Köln jetzt mit dem sogenannten Erbpachtmodell radikal vorgehen.
  • Wie das funktioniert und was das für Köln bedeutet, lesen Sie hier.

Köln – Im Kampf gegen die Wohnungsnot und Bodenspekulationen will die Stadt Köln bei Grundstücksverkäufen künftig verstärkt auf das Erbpachtmodell setzen. Das geht aus einer nicht öffentlichen Mitteilung des Baudezernats hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Am 24. Juni soll ein Grobkonzept den Vertretern der Wohnungswirtschaft in einer Sitzung des Wohnungsbauforums vorgestellt werden. Deren Anregungen sollen in das Konzept einfließen. Im Anschluss wird das Baudezernat ein Vorlage für den Stadtrat erstellen und den Erlass einer entsprechenden Richtlinie vorschlagen. Im Liegenschafts- und Finanzausschuss haben sich die Politiker bereits mit dem Thema beschäftigt.

Sinnvolle Bebauung und Nutzung ohne Verkauf

Das Erbbaurecht biete die Möglichkeit, städtische Grundstücke „einer sinnvollen Bebauung und Nutzung durch Dritte zuzuführen, ohne sie zu verkaufen“, heißt es in der Mitteilung der Verwaltung. So könne auch „kommenden Generationen Vermögen und Handlungsspielraum in der Flächennutzung gesichert werden“. Zudem würden die Flächen „für lange Zeit der Bodenspekulation entzogen“. Das wirke sich „dämpfend auf die Grundstückspreise aus“.

Renaissance eines selten genutzten Instruments

Das Erbbaurecht feiert 2019 seinen 100. Geburtstag. Es ist  ein altes Instrument, das in letzter Zeit aber eine Renaissance erfährt. Das Grundstück bleibt bei diesem Modell im Besitz des Eigentümers, während ein Investor gegen Zahlung eines Erbbauzinses darauf Wohnungen bauen kann. Das hat Vorteile für Gemeinden. Sie sichern  ihre kommunalen Liegenschaften und begrenzen privaten Bodenspekulationen. Gleichzeitig haben sie mehr Einfluss darauf, dass die Flächen langfristig für wohnungs- und stadtentwicklungspolitische Ziele genutzt wird.

Für Mietwohnungsbau setzen bislang nur wenige Städte das Instrument ein. Um bezahlbare Mietwohnungen mit dem Erbbaurecht zu bauen, ist eine marktgerechte Ausgestaltung der Verträge entscheidend. So ist eine Erbpacht zu den üblichen vier Prozent in der Niedrigzinsphase für Wohnungsunternehmen nicht attraktiv: Investoren können derzeit die Darlehen für einen Grundstückskauf innerhalb von 30 bis 40 Jahren tilgen. Der Erbbauzins läuft dagegen bis zum Ende des Erbbauvertrages zumeist deutlich länger. (pb)

Nach Auffassung der Stadtverwaltung eignet sich die Erbpacht für Ein- und Mehrfamilienhäuser, für Geschosswohnungsbau, Grundstücke für Kindertagesstätten, Schulen, Pflegeeinrichtungen und Gewerbe. Der Erbbauzins soll bei förderwürdigen Nutzungen wie Wohnungsbau einschließlich Studentenappartements zwei Prozent, bei sonstigen Nutzungen sechs Prozent betragen – immer bezogen auf den Verkehrswert der Grundstücks.

München schon einen Schritt weiter

Die Stadt Köln liegt mit ihren Erbpachtplänen im Trend. Eine Umfrage der Fachkommission Liegenschaften des Deutschen Städtetags hat ergeben, dass es in vielen Großstädten entsprechende Prüfaufträge an die Verwaltungen gibt. München ist längst einen Schritt weiter. Dort werden Flächen für den konzeptionellen Mietwohnungsbau an Private ausschließlich im Erbbaurecht vergeben – und zwar grundsätzlich als kapitalisierte Einmalzahlung zu Beginn. Die Laufzeit beträgt 60 Jahre. Lediglich Genossenschaften wird noch die Wahl zwischen Erbbaurecht und Kauf eingeräumt.

Der Senat der Stadt Hamburg hat im vergangenen Januar eine Neuausrichtung der Bodenpolitik beschlossen und dabei dem Erbbaurecht Vorrang eingeräumt. Für den sozialen Mietwohnungsbau hat die Stadt Leipzig ein vergleichbares Verfahren ein Jahr zuvor beschlossen und bereits drei Großprojekte auf den Weg gebracht.

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Das Ergebnis: Sowohl die Baukostengrenzen, die in Leipzig 2200 Euro pro Quadratmeter betragen, als auch die Miete von 6,50 Euro pro Quadratmeter werden eingehalten. Auch in Freiburg gibt es seit Oktober 2018 einen Beschluss des Gemeinderats, dem Erbbaurecht den Vorrang einzuräumen. Die Schweiz, die Niederlande und die großen Kirchen in Deutschland setzen schon lange auf dieses Instrument.

Keine Versteigerungsmentalität

Damit könnten „Städte und Gemeinden die Steuerungshoheit über ihre Grundstücke langfristig behalten und darauf Einfluss nehmen, dass Investoren bezahlbaren Wohnraum schaffen,“ sagte Michael Groschek, Präsident des Verbands für Wohnungswesen und ehemaliger Bauminister von Nordrhein-Westfalen bei einer Fachtagung Anfang April in Berlin. „Dafür sollten Kommunen beim Erbbauzins selbst nicht zum Preistreiber werden und Grundstücke in Versteigerungsmentalität vergeben, um höchstmögliche Erträge für die Stadtkasse zu erwirtschaften.“

DGB unterstützt Pläne der Verwaltung

Der Kölner DGB unterstützt die Pläne der Stadtverwaltung. Die Stadt sei jetzt gefordert, bei den großen neuen Wohnprojekten wie dem Deutzer Hafen „dafür Sorge zu tragen, dass 70 Prozent des Wohnraums bezahlbar und in öffentlich-rechtlichem oder genossenschaftlichem Eigentum liegt“, sagte DGB-Chef Witich Roßmann beim traditionellen Arbeitnehmerempfang zum 1. Mai am Dienstagabend im Rathaus, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorab vorlag. „Eine schnelle Entscheidung über die Einführung des Erbbaurechts in Köln kann dafür durchaus hilfreich sein.“ In Köln fehlten nach Analysen der Hans-Böckler-Stiftung 86.000 bezahlbare Wohnungen.

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