Dompolizist geht in den RuhestandDer Mann, der sich mit den E-Scooter-Fahrern anlegt

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Spitznamen hat er viele: Dompolizist, Bezirkssheriff, Plattenbulle – Burkhard Jahn in seinem Revier am Kölner Dom.

Spitznamen hat er viele: Dompolizist, Bezirkssheriff, Plattenbulle – Burkhard Jahn in seinem Revier am Kölner Dom.

  • Hauptkommissar Burkhard Jahn geht seit zwölf Jahren Streife am Kölner Dom. Das ist nun vorbei. Ende April geht er in Ruhestand.
  • Gesprochen hat er mit allen – mit Junkies und Obdachlosen, mit Touristen und dem Dompropst. „Es war mir eine Ehre, an diesem besonderen Ort arbeiten zu dürfen“, sagt der 62-Jährige.
  • Wir haben ihn auf einem seiner letzten Streifengänge begleitet.

Köln – Mit Burkhard Jahn einmal um den Dom zu spazieren, ohne aufgehalten zu werden, ist nicht möglich. „Alles jut, mein Freund?“, ruft ihm auf der alten Römerstraße am Roncalliplatz ein Mann in Arbeiterhose entgegen, ein Schmiedemeister aus der Dombauhütte. Jahn grüßt zurück. „Im Kopf ja“, antwortet der Hauptkommissar, „in den Füßen nicht“. Gelächter, ein kurzer Plausch, dann geht es weiter.

„Polizei“ steht auf Jahns neongelber Weste, die er über seiner Uniformjacke trägt. Es könnte aber auch „Service“ draufstehen, oder „Auskunft“. Passt fast genauso gut. Einem schwer bepackten Obdachlosen trägt Burkhard Jahn auf der Domplatte einen Rucksack hinterher, auf dem Alter Markt erklärt er niederländischen Schülern, die auf Köln-Rallye sind, wer Jan von Werth war: „Ein Ritter und sehr wichtiger Mann in dieser Stadt. Und eine große Karnevalsgesellschaft.“ Am Ende gibt er den Schülern den obligatorischen polizeilichen Sicherheitshinweis: „Passt auf eure Taschen auf, hier sind Diebe unterwegs.“

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Burkhard Jahn fotografiert eine niederländische Schülergruppe, die eine Stadtrallye durch Köln macht.

Es ist Mittwochmittag, 14.30 Uhr, einer der letzten Streifengänge von Burkhard Jahn. Ende April geht der gebürtige Westfale in den Ruhestand. Seit 43 Jahren ist er Polizist, 41 davon hat er in Köln verbracht, und seit zwölf Jahren ist der Bezirksbeamte das Gesicht der Polizei am Dom. Sein Hauptrevier erstreckt sich vom Bahnhof bis zum Rheinufer.

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Bezirkssheriff nennen ihn manche, Dompolizist andere

Der 62-Jährige ist das Bindeglied zwischen Polizei und Geschäftsleuten, Anwohnern und Passanten. Er spricht mit allen – mit Junkies und Obdachlosen, mit Touristen und dem Domprobst. Bezirkssheriff nennen ihn manche, Dompolizist andere, auch Plattenbulle hat er schon gehört. Liebevoll ist das gemeint, da ist er sich sicher. „Ich habe unheimlich viel Wertschätzung und Zuspruch erfahren, das tut richtig gut. Es war mir eine Ehre, an diesem besonderen Ort arbeiten zu dürfen.“

In all den Jahren gibt es eine Frage, die Burkhard Jahn am häufigsten gestellt wurde, erzählt er – oder eigentlich zwei: „Ist das da der Dom?“ Und: „Wo gibt’s hier Toiletten?“ Bei der Antwort auf die erste Frage belässt er es selten bei einem einfachen „Ja“. Stattdessen gelinge ihm fast immer ein kleiner Ausflug ins Besserwisserische, sagt der Hauptkommissar. Er erläutere dann zum Beispiel, dass es auch noch andere romanische Kirchen in der Stadt gebe – und welche.

Domfeger als Kölner „Helden der Arbeit“

Was er an der Domumgebung so mag, sagt er, sei, dass sich hier alles bündele wie in einem Brennglas. Ob Klimawandel oder politische Verwerfungen in Thüringen oder im Orient – Demonstrationen und Kundgebungen zu allen möglichen Themen finden meist in der Innenstadt statt. „Hier kommt alles zusammen“, sagt Jahn, der sich als „kölschen Katholiken“ bezeichnet und sich auch privat für Geschichte, Kunst und Kultur interessiert.

Eine letzte Umarmung mit „Domfeger“ Peter Hölzer von den AWB

Eine letzte Umarmung mit „Domfeger“ Peter Hölzer von den AWB

Vor der Domschatzkammer trifft er einen alten Bekannten mit Besen in der Hand, Peter Hölzer von den Abfallwirtschaftsbetrieben. „Wenn es in Köln Helden der Arbeit gibt“, sagt Jahn, „dann unsere Domfeger. Ohne die sähe es hier aus wie Hulle.“ In der Trankgasse bremst ein Motorrad neben Burkhard Jahn. „Coronafrei?“, fragt er den Fahrer, dann schüttelt er Thomas Joel die Hand. Joel ist Leiter der Kradstaffel des Ordnungsamtes. „Die Besten gehen leider immer zu früh“, sagt Joel mit Blick auf Jahn. „Von seiner Art bräuchten wir viel mehr.“ Mit Jahn können man wunderbar streiten, und im nächsten Moment sei alles wieder vergessen.

Kölner Polizist legt sich mit E-Scooter-Fahrern an

Konflikten ist Burkhard Jahn nie aus dem Weg gegangen. „Ich mache meinen Job nicht, um beliebt zu sein“, sagt er. Auf der einen Seite Kümmerer, der sich vor allem auch für sozial Schwache und Obdachlose engagiert – oder wie er sie nennt: „Mitmenschen, die auch schon mal der polizeilichen Fürsorge bedürfen.“ Der will, dass sich alle in seinem Revier „sicher und frei“ bewegen können. Dazu gehöre aber eben auch, dass die Menschen einen Unterschlupf hätten und versorgt seien. „Wer das ist, der wird seltener kriminell, das hängt schon zusammen“, ist Jahn überzeugt.

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Auf der anderen Seite legt er sich mit E-Scooter-Fahrern an, die Rennen um den Dom fahren. Mit Lieferwagenfahrern, die die Anlieferzeiten in der Fußgängerzone eigenmächtig ausdehnen. Mit Betrunkenen und Halbstarken, die sich nicht zu benehmen wissen. Als Zeuge vor dem NRW-Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht 2016 fasste Jahn das mal so zusammen: „Saufen, krakeelen, an den Dom pissen, in den Dom böllern, Obdachlose belästigen – das ist asoziales Verhalten.“ Teile der Gesellschaft würden immer lauter, rücksichtsloser, egoistischer. Eine „Tendenz zur Wohlstandsverwahrlosung“, nennt der Polizist das. „Wir könnten uns alle ruhig ein bisschen mehr Gelassenheit gönnen“, findet er. Auch künftig, im Ruhestand, will Burkhard Jahn immer mal wieder zurückkehren in sein altes Revier am Dom. Erkennen wird man ihn da ganz sicher auch ohne Uniform.

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