Der Absender, den es nicht gibtFake-Unternehmen fordert Geld von KStA-Redakteur

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Köln – Nein, solche Post erhält niemand gern – schon gar nicht am samstäglichen Frühstückstisch. Meine Ehefrau liest das Schreiben mit gerunzelter Stirn zuerst und reicht es dann zu mir herüber – immerhin sind als Adressaten „Herr/Frau Heidemarie Schwering“ angegeben.
Eine „EU Forderungs AG“ rückt uns dort mit einer nicht unerheblichen finanziellen Forderung auf die Pelle: 268,46 Euro sollen wir innerhalb von neun Tagen zahlen – genauer: überweisen –, weil wir angeblich den aus einer „kostenpflichtigen Dienstleistung“ erwachsenen Forderungen nicht nachgekommen sind. Konkret geht es um den Vertrag mit einem Gewinnspiel-Unternehmen namens „Eurowin-24 Eurojackpot-6/49“. „Hauptforderung“, „Mahnkosten“ und „Vorgerichtliche Inkasso-Kosten“ summieren sich dem Schreiben zufolge auf den genannten Betrag.
Keine einschlägigen Verträge abgeschlossen
Meine Frau ist leicht beunruhigt, forscht angestrengt in ihrer Erinnerung, ob sie irgendwann vielleicht in einem schwachen Augenblick bei einer Lotterie angeheuert, dort irgendetwas unterschrieben hat – und ich tue das auch. Nach kurzer Gewissenserforschung sind wir uns absolut sicher: Nein, wir haben keine einschlägigen Verträge abgeschlossen und unterschrieben – und dies allein schon deshalb, weil Lotteriespiele definitiv außerhalb unserer Interessensbereiche liegen.

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Gleichfalls haben die angeführten Mahnkosten in Höhe von 15,22 Euro offensichtlich keine Basis in der Wirklichkeit: Uns sind keine Mahnungen zugegangen – weder seitens „Eurowin-24“ noch einer „EU Forderungs AG“.
Erst einmal (zurückhaltend gesagt) misstrauisch geworden, untersuchen wir den Brief genauer. Auf den ersten Blick handelt es sich um ein Formschreiben, wie es Inkasso-Unternehmen gängigerweise versenden – Firmen, die im Auftrag von Gläubigern kostenpflichtig Schulden bei angeblich oder tatsächlich Zahlungssäumigen eintreiben. Da gibt es eine Aktennummer, da werden allerlei BGB-Paragrafen aufgeführt und zum Schluss auf einschüchternde Weise die Instrumente gezeigt – für den Fall dass man nicht zahlen will: Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid, Zwangsvollstreckung, Pfändung und weitere erhebliche Kosten werden angedroht. Entsprechend alarmistisch klingt bereits die tiefblau unterlegte Sachverhaltsangabe: „Letzte Außergerichtliche Mahnung“.
Häufung orthografischer Fehler
Vor aller inhaltlichen Befassung fällt die Häufung orthografischer Fehler auf, die im seriösen Inkasso-Schriftverkehr unüblich ist – um es einmal so zu formulieren. Das reicht von der merkwürdigen Anrede „Herr/Frau Heidemarie Schwering“ über falsche Kleinschreibungen bis hin zu krassen Drehern („ensttehen“).
Was aber hat es nun mit der fordernden „EU Forderungs AG“ auf sich? Als Adresse gibt diese den Kölner Theodor-Heuss-Ring 23 an. Seltsamerweise steht darunter aber eine Telefonnummer, die Solingen zuzuordnen ist. Ich starte das Experiment und rufe dort einfach mal an – die Nummer sei „ungültig“, werde ich beschieden.
Recherche im Internet
Daraufhin recherchiere ich im Internet die Firmenbelegung am Theodor-Heuss-Ring 23 – zweifellos eine gehobene Adresse, die auf Anhieb Eindruck macht. Residiert dort eine „EU Forderungs AG“? Die Antwort wird sich der geneigte Leser jetzt schon selbst geben können: Nein, das tut sie nicht, und es gibt sie überhaupt nicht – ganz gleich, ob in Köln oder anderswo. Der Firmenname ist fiktiv, genauer: er ist gefaket. Wie ich darauf komme? Ich rufe im Internet die Homepage des Bundesverbandes für Inkasso- und Forderungsmanagement auf, die die zugelassenen Mitgliedsfirmen verzeichnet. Eine „EU Forderungs AG“ findet sich dort nicht.
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Schließlich schaue ich auf das Konto, auf das ich besagte 268 Euro überweisen soll. Die IBAN weist unter dem Staatencode ein „GR“ auf – was „Griechenland“ bedeutet. Die „EU Forderungs AG“ sitzt dem Schreiben zufolge also in Köln, hat eine Solinger Telefonnummer und ihr Bankkonto in Griechenland. Allmählich werde ich – immer noch beim Samstagsmorgenskaffee – richtig sauer. Nicht, weil da Betrüger versuchen, mir das Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern weil sie es auf derart plump-dilettantische Weise tun. Für etwas intelligenter möchte ich, offen gestanden, eigentlich auch von offenbar international operierenden Gaunern gehalten werden.
Trügerische Gewinnbenachrichtigungen
Dann eine letzte Internetrecherche – sie gilt „Eurowin-24“ und „Eurojackpot-6/49“. Dabei erfahre ich, dass es sich auch bei der – angeblich in Wien ansässigen – Firma „EuroWin24 GmbH“ um ein hochbetrügerisches „Geschäftsmodell“ handelt, das seine Kunden unter anderem mit erfundenen Gewinnbenachrichtungen ködert. Verbraucherzentralen warnen eindringlich davor, mit „EuroWin24“ überhaupt in Kontakt zu treten.
Nach diesen Erkundigungen ist unsere familiäre Samstagsruhe wiederhergestellt. Nein, nicht ganz: Mittlerweile gilt meine Sorge der steinalten Mutter, die wir bereits inständig vor dem Enkel- und dem Falsche- Polizisten-Trick, aber auch vor dubiosen Teppich-Reinigungsangeboten zu warnen Anlass hatten.
Anzeigen gegen „EU-Forderungs AG“ und „Eurowin-24“
Denn die Sache ist klar: Wer dank der Gnade der späten Geburt noch alle Sinne und vor allem seine Erinnerungen beieinander hat, wird durch solche kriminellen Attacken kaum gefährdet. Die potenziellen Opfer sind andere: Senioren, lebenspraktisch Verunsicherte, Menschen mit reduzierter Alltagstauglichkeit, die ihrem Gedächtnis nicht mehr recht vertrauen.
Den Gang zur Polizei habe ich mir übrigens erspart. Wie ich erfahren konnte, sind sowohl gegen die „EU-Forderungs AG“ als auch gegen „Eurowin-24“ bereits Anzeigen anhängig.