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„Stimme meines Sohnes“Kölnerin berichtet von Schockanruf – Betrüger lockten sie nach Düsseldorf

6 min
Die Kölnerin Eva Ostmann (Name geändert) erhielt einen Schockanruf von Trickbetrügern.

Die Kölnerin Eva Ostmann (Name geändert) erhielt einen Schockanruf von Trickbetrügern.

Eva Ostmann (Name geändert) erhielt einen Anruf von Trickbetrügern. Hier erzählt sie die Geschichte, die sich liest wie ein Krimi.

Dass mir so etwas passieren könnte, hätte ich nie gedacht. Ich weiß mir gut zu helfen und bin nicht auf den Mund gefallen. Aber die Täter haben den richtigen Nerv bei mir getroffen und den richtigen Ton, und dann auch noch die richtige Gelegenheit.

Es war an einem Freitagvormittag. Mein Mann war mit unserem ältesten Sohn im Harz, der andere Sohn mit seiner Freundin im Skiurlaub und meine beiden Töchter in München. Ich war alleine zu Hause und freute mich auf ein freies und ruhiges Wochenende.

Gegen 10.30 Uhr klingelte das Festnetztelefon, eine unterdrückte Nummer. Ich ging ran und hörte die Stimme meines Sohnes. Er klang weinerlich und aufgeregt: „Mama, mir ist was Schlimmes passiert.“ Ich fragte: „Alex, was ist los?“ Er sagte: „Ich hatte einen Unfall. Ich habe eine Frau überfahren, die ist tot.“ Bei mir gingen alle Alarmglocken an, zwei Gedanken schossen mir durch den Kopf: Wie fühlt sich mein Sohn jetzt? Und: Wie geht es der Familie der Frau?

Ich hatte einen Unfall. Ich habe eine Frau überfahren, die ist tot
Nachgeahmte Stimme des Sohnes von Eva Ostmann

Ich fragte: „Wo bist du?“ Er stammelte: „Bei der Polizei in Köln.“ – „Seid ihr früher vom Skifahren zurückgekommen?“ – „Ja.“ – „Gib mir doch mal jemanden von der Polizei.“ Eine Frau kam ans Telefon, den Namen weiß ich nicht mehr. Sie sagte: „Ihr Sohn kommt jetzt in Untersuchungshaft. Es sei denn, Sie bezahlen eine Kaution.“

Ich stand total unter Schock. Die Frau sagte: „Sie bleiben bitte bei mir am Festnetz, der Staatsanwalt wird Sie gleich auf dem Handy anrufen. Wie ist Ihre Nummer?“ Ich wollte meinen Sohn nochmal sprechen, aber die angebliche Polizistin meinte, das ginge gerade nicht, er werde psychologisch bereut. Das konnte ich in dem Moment auch nachvollziehen. 

Mein Handy klingelte. Ein Mann, der sich Grünthal nannte, meldete sich, er sei Staatsanwalt. Er sagte, ich müsse 65.000 Euro hinterlegen, dann käme mein Sohn bis zum Prozessbeginn wieder frei. Aber es müsse schnell gehen, es sei schließlich Freitag. „Wie viel haben Sie zu Hause?“ – „10.000 Euro“, sagte ich. Unsere Kinder hatten zur Kommunion und zur Firmung je eine Krügerrand-Münze geschenkt bekommen, also fügte ich hinzu: „Und acht Krügerrand-Münzen.“ Herr Grünthal sagte, da müsse er erstmal Rücksprache halten mit dem Oberstaatsanwalt.

Ihr Sohn kommt jetzt in Untersuchungshaft. Es sei denn, Sie bezahlen eine Kaution.
Falsche Polizistin am Telefon

Wäre mein Mann zu Hause gewesen, hätte er wohl sofort versucht, parallel unseren Sohn auf dem Handy zu erreichen. Aber ich war alleine, ich telefonierte auf beiden Leitungen, ich war total blockiert und hatte Angst um meinen Sohn.

Der Staatsanwalt meldete sich wieder: Das mit den Münzen und den 10.000 Euro sei natürlich grundsätzlich zu wenig, aber weil mein Sohn nicht vorbestraft wäre, sei es ausnahmsweise in Ordnung. Den Rest sollte ich bis Dienstag überweisen. Ich willigte ein. Ich hatte keinen anderen Gedanken als: Ich muss alles tun, damit er nicht ins Gefängnis geht.

Der Staatsanwalt sagte, er sei in einer halben Stunde am Amtsgericht in Köln, dort solle ich ihm das Geld und die Münzen übergeben. Die Polizistin am anderen Ohr fragte: „Geht das mit dem Staatsanwalt voran?“ Dann wieder der Staatsanwalt: Sein Chef habe ihn gerade zu einem Prozess ans Amtsgericht Düsseldorf geschickt, ob ich ein Auto hätte und ihn dort treffen könnte? Ich sollte mein Handy und ein Ladekabel mitnehmen und unterwegs nicht auflegen.

Im Nachhinein sind das so Sachen, wo man als Außenstehender sagen würde: Sag mal, geht’s noch?
Eva Ostmann

Im Nachhinein sind das so Sachen, wo man als Außenstehender, der nicht unter diesem Druck steht, sagen würde: Sag mal geht’s noch?

Ich stieg ins Auto und fuhr nach Düsseldorf, das Handy die ganze Zeit auf Laut. Der Staatsanwalt sagte, er müsse jetzt in den Prozess, aber er habe einen Knopf im Ohr, er höre mich, und er komme raus, sobald ich ihm meldete, dass ich da sei. Klar, jetzt weiß ich: Er wollte mich am Telefon halten, damit ich niemanden anrufe, meinen Sohn zum Beispiel.

Aber diese Fahrt nach Düsseldorf brachte mich trotzdem zum Nachdenken. Konnte das ein Fake sein? Dann hatte ich wieder die weinerliche Stimme meines Sohnes im Ohr. Ich weiß nicht, wie die das gemacht haben, aber ich war mir sicher, es war seine Stimme.

Kurz bevor ich das Amtsgericht in Düsseldorf erreichte, fragte ich: „Herr Grünthal, sind Sie noch da?“ Er bejahte und sagte, er könne jetzt nicht rauskommen. Seine Mitarbeiterin hole gerade Unterlagen im Krankenhaus ab. „Fahren Sie bitte da hin, geben Sie Ihr die Münzen und das Geld, Sie kriegen eine Quittung.“ Und da fiel bei mir der Groschen. Ich war davon ausgegangen, ich treffe den Staatsanwalt im Gericht, in einem Büro, irgendetwas Offizielles. Aber einer fremden Frau 10.000 Euro und acht Krügerrand-Münzen auf der Straße übergeben? Niemals.

Rufen Sie sofort die Polizei, ich habe einen Betrüger am Telefon
Eva Ostmann

Ich fuhr zum Krankenhaus, steckte mein Handy in die Hosentasche und sagte leise zu der Dame an der Anmeldung: „Rufen Sie sofort die Polizei, ich habe einen Betrüger am Telefon.“ Grünthal hörte mich sprechen und fragte: „Wo sind Sie? Mit wem reden Sie? Ich sagte doch, die Zeit drängt. Wo sind Sie gerade?“ – „Im Krankenhaus.“ – „Sie sollten da nicht reingehen!“ – „Ich muss aber auf die Toilette, ich muss mich übergeben. Ich brauche jetzt gerade mal zwei Minuten.“

In aller Kürze schilderte ich der Polizei am Telefon, was los war, und die sagten: „Bleiben Sie vor Ort, die Kollegen kommen sofort. Und geben Sie nichts raus, das ist ein Trick.“

Kurz darauf erschienen sechs Polizisten in Uniform. Ich fragte Grünthal: „Ich bin jetzt vor dem Krankenhaus, was soll ich machen?“ – „Gehen Sie um die Ecke, da ist rechts eine Kirche, meine Mitarbeiterin kommt auf Sie zu.“ Die Polizisten wiesen mich an: „Machen Sie, was er sagt. Wir bleiben in Ihrer Nähe.“

Ich ging um die Ecke, eine Frau kam auf mich zu. Die Polizisten waren nicht mehr zu sehen. Ich sagte zu der Frau: „Wir können zu meinem Auto gehen und das Geld und die Münzen holen.“ Da wurde der Staatsanwalt am Telefon richtig giftig: „Sie sollten meiner Mitarbeiterin die Sachen auf der Straße übergeben! Dann gehen Sie jetzt sofort zu Ihrem Auto und holen die Sachen. Die Zeit drängt, das Amtsgericht macht gleich zu, meine Mitarbeiterin muss die Unterlagen noch fertig machen.“

Ich ging zu meinem Auto, weit und breit sah ich keine Polizei. Ich nahm eine alte Tasche aus dem Wagen, stopfte unauffällig Papier da rein, um sie zu beschweren und gab sie der Frau. Das Geld und die Münzen trug ich in einer anderen Tasche unter meinem Arm. Grünthal am Handy sagte: „Die Quittung stellen wir gleich im Amtsgericht aus, ich rufe Sie an, sobald alles fertig ist.“

Da erschienen zwei Zivilpolizisten und hielten die Frau fest. Noch mehr Polizei kam hinzu. Ein Beamter fragte mich, ob der Staatsanwalt noch am Telefon sei. Er nahm mein Handy: „Guten Tag, hier ist die Kripo Düsseldorf, mit wem spreche ich?“ Aber da hatte Grünthal schon aufgelegt.“


Die Frau, die die die Polizei festgenommen hatte, wurde zwei Monate später vom Amtsgericht Düsseldorf wegen banden- und erwerbsmäßigen Betrugs zu einem Jahr Haft verurteilt. Die Hinterleute blieben unerkannt. Eva Ostmann hat die Geschichte mehrfach im Bekanntenkreis erzählt, um andere zu warnen. Die Polizei Köln will sie demnächst als Vortragende zu einer Präventionsveranstaltung zum Thema Telefonbetrug einladen.