In Wesseling und GodorfKlima-Aktivisten nach Shell-Blockaden in Köln wegen Nötigung vor Gericht

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Vier Personen sitzen in einem Gerichtssaal.

Die beiden angeklagten Männer mit ihren Verteidigerinnen.

Nach einer großen Protestaktion im August 2020 sind am Dienstag drei Demonstrierende vor dem Kölner Amtsgericht verhört worden.

Es war ein Aufsehen erregender Protest: Am 7. August 2020 blockierten rund 100 Aktivisten und Aktivistinnen sowohl die beiden Werkstore von Shell in Wesseling als auch den Hafen in Godorf. Damit wollten sie ein Zeichen gegen die aktuelle Klimapolitik setzen und unter anderem die Schließung der Shell-Raffinerie Rheinland erwirken.

Eine Frau und zwei Männer, die sich an der Demonstration, die alles in allem friedlich verlaufen war, beteiligt hatten, mussten sich am Dienstag im Kölner Amtsgericht einfinden. Der Vorwurf: Nötigung. Die Verhandlung fand unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt. Eine Vielzahl von Justizwachtmeistern stand auf dem Flur bereit, und abwechselnd saßen jeweils zwei von ihnen im Saal, in dem etliche Sympathisanten der Angeklagten den Prozess verfolgten.

Frau hing in Hängematte über Hafeneinfahrt in Köln-Godorf

Die Blockade der Werkstore, vor denen sich Leute an zwei Betonfässer angekettet hatten, spielte im Prozess keine Rolle. Es ging ausschließlich um die andere Aktion. Quer über die Einfahrt des Hafens hatten Protestierende ein Kletterseil gespannt. Daran befestigt war eine Hängematte, in die sich die beschuldigte, heute 24 Jahre alte Frau gelegt haben soll. Außerdem paddelten mehre Aktivisten in acht Kajaks herum, um die Ein- und Ausfahrt von Schiffen zu stoppen.

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Die Hafenzufahrt war stundenlang nicht passierbar; der Anklage zufolge konnten fünf Tankschiffe den Hafen nicht verlassen, und drei Schiffe wurden an der Einfahrt gehindert, sodass es nicht möglich war, mehrere Tausend Tonnen Raffinerieprodukte wie etwa Diesel und Xylol auszuliefern. Zwei Männer, die in den Kajaks saßen, wurden angeklagt; sie sind 27 und 30 Jahre alt. Die Identität anderer Beteiligter hatte nicht ermittelt werden können, obwohl sie ebenfalls in Gewahrsam genommen worden waren.

Im Kölner Amtsgericht: Chance für Protestaussagen genutzt

Vor der Verhandlung hatten die Angeklagten und etwa 20 Sympathisanten vor dem Justizzentrum an der Luxemburger Straße demonstriert. „Fossilen Kapitalismus kompostieren“, war auf einem großen Transparent zu lesen, und auf dem Boden stand mit Kreide geschrieben unter anderem „Öl-Multis enteignen“ und „Shell blockieren! Justiz blockieren!“ Die beschuldigte Aktivistin sagte, die Staatsanwaltschaft suche nach Anklagepunkten, „um politischen Protest zu unterdrücken“.

Schon zu Beginn des Prozesses, bei der Feststellung der Personalien, hatte die Vorsitzende Richterin, Denise Fuchs-Kaninski, einige Mühe, weil die Beschuldigten diesen Moment für Protestaussagen nutzten. Dass sie anschließend ostentativ Schiffe-Versenken spielten, indem sie Positionsangaben hören ließen, verbat sie sich.

Ebenso, dass sich der 27-jährige Angeklagte trotz Aufforderung weigerte, sein Käppi abzunehmen. Vor Gericht ist es als Zeichen des Respekts üblich, keine Kopfbedeckung zu tragen. Eine Ausnahme kann aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen gemacht werden. Erst als die Richterin den Druck erhöhte, einen Beschluss fasste und ein Ordnungsgeld drohte, legte der Mann sein Käppi ab.

Zeuginnen und Zeugen brachten wenig Klarheit für Kölner Prozess

Die Aktivisten, denen zur Verteidigung eine professionelle Anwältin und vier Laien zur Seite standen, äußerten sich nicht zur Sache. Stattdessen gaben sie politische Statements ab, sprachen von der globalen Klimakrise, vom Kolonialismus und seinen Folgen, der Ausbeutung ärmerer Länder zugunsten derer, die im Wohlstand leben, und der Ölverschmutzung des Niger-Deltas. Sie prangerten Shell als Mineralöl- und Erdgas-Unternehmen an, das sich in ein Image der Verantwortungsbewusstheit gebe, durch seine Arten der Energiegewinnung aber das Klima schädige.

Demonstrationen seien eines der wenigen Instrumente, die zur Verfügung stünden, um auf solche Missstände aufmerksam zu machen, sagte der 30-Jährige. „Wir halten das aus“, hatte damals Werkssprecher Mauritz Faenger-Montag Stellung zu der Blockade genommen. Shell respektiere das Recht zu protestieren, vorausgesetzt, es geschehe auf rechtmäßige und vor allem sichere Weise. „Wir haben dasselbe übergeordnete Ziel wie die Klimaaktivisten, aber wir unterscheiden uns in den Wegen dahin“, sagte er.

Die Zeugen, die am Dienstag gehört wurden, erwiesen sich zum Teil als wenig ergiebig, etwa als es um die Frage ging, wie viele Tankschiffe damals im Spiel waren. Richterin Fuchs-Kaninski regte schließlich eine Einstellung des Verfahrens an, doch die Vertreterin der Anklage zog nicht mit. So wurde das Verfahren zu weiteren Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft zurückverwiesen.

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