Gin ist inEdel-Schnaps ist in Köln sehr beliebt – Hersteller haben Ärger mit Brauerei

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Arno Kunert (l.) und Peter Leusch sind stolz auf den Erfolg ihres Daisy Gins, dessen Flaschenkorken mit Wachs versiegelt werden.

Arno Kunert (l.) und Peter Leusch sind stolz auf den Erfolg ihres Daisy Gins, dessen Flaschenkorken mit Wachs versiegelt werden.

Köln – Ein wenig versonnen schaut Arno Kunert aus seinem Bürofenster auf den Rhein. Immer zu liefern unzählige Containerschiffe hier im Niehler Hafen Waren an und nehmen neue Lasten auf. Wenn Kunerts Plan funktioniert, soll auch sein Produkt irgendwann die Welt erobern: ein süffiger Bio-Gin namens „Daisy“.

Kunert zählt mit seinem Partner Peter Leusch zu den rheinischen Newcomern im bundesweit heiß umkämpften Spirituosen-Markt. Auch, wenn der Gin-Macher solche Attribute nicht gerne hört, so treffen sie doch den Punkt: „Einen guten Gin zu machen ist eine Kunst“.

Kunerts Augen beginnen zu leuchten, wenn er davon erzählt wie er im Sommer 2015 begann, mit Freunden einen eigenen, exklusiven Wacholderschnaps zu kreieren. Sofort referiert er über die Herstellung mittels sogenannter Botanicals, Gewürze und Aromen, die in Reinalkohol eingelegt werden. Das Ganze erinnert an ein Try-and-Error-Verfahren – mit viel geschmacklichem Feingefühl.

Das Mazerat wird anschließend in der Brennanlage destilliert, also unter ständigem Rühren erhitzt, bis der Alkohol die Aromen aufnimmt und als Dampf empor steigt. Hier trennt sich bald die Spreu vom Weizen: Je nach Destillationsverfahren entsteht mehr Klasse als Masse. So kommt jener geschmackliche Kick zum Tragen, nachdem anspruchsvolle Gin-Kenner suchen.

Gin-Absatz steigt stetig

Gin ist in. Der Absatz hochprozentiger Nobel-Schnäpse steigt stetig, immer wieder wirbeln neue Sorten nebst überraschender Geschmackserlebnisse die Branche durcheinander – in Köln und Umgebung sorgen derzeit etliche Gin-Start-Ups für Furore. Manche Neukreation reift im Eichenfass oder enthält Sprengsel von Koriander, Kubeben-Pfeffer samt Anis-Samen. Jeder Bartender, der etwas auf sich hält, könnte heutzutage einen Vortrag über seine unterschiedlichen Gin-Bestände halten.

Zugegeben, als Novum geht die Trendspirituose nicht mehr durch. Schon seit Längerem gilt der ehemals piefige Wacholderschnaps in Großbritannien, Spanien oder Portugal als hipper Partymacher.

Mit dem Schwarzwälder Label Monkey 47 schwappte der Gin-Hype 2010 auch nach Deutschland über. Mittlerweile stehen zirka 400 deutsche Gin-Sorten in den Regalen, ein knappes Dutzend davon haben ihren Sitz in Köln. Laut dem statistischen Bundesamt stieg 2016 der Umsatz um 14,5 Prozent auf knapp 8,3 Millionen Flaschen.

Gin sollte nicht nur mit Tonic funktionieren

Auf der Suche nach dem optimalen Rezept probierten sich die Kölner Arno Kunert und Peter Leusch durch unzählige Botanical-Variationen. „Das Ziel hieß von Anfang an: Der neue Gin sollte auch pur ein Genuß sein und nicht nur mit Tonic Water funktionieren“, erinnert sich Leusch. Mit einer Mini-Destille, geordert aus dem Internet, experimentierten die Beiden im eigenen Keller. „Wir haben Sachen probiert, die man nie wieder trinken will“, sagt Kunert grinsend. Knapp 14 Monate später, Ende 2016, nahm Daisy Form an: 44 Prozent Alkohol, Wacholder, Goji-Beere, Orangenblüte, Muskatnussblüte – und zuletzt: Gänseblümchen, auf englisch eben Daisy genannt.

Anfangs sollte es nur 200 Flaschen geben – für Freunde und den eigenen Keller. Mittlerweile wird die Marke in etwa 100 Verkaufsstellen bundesweit angeboten, 15 davon in Köln. Bis Ende 2018 wollen die Inhaber Kunert und Leusch Abnehmer für 10.000 Flaschen finden. Stolz bekennt Kunert: „Wir hatten das Glück, am Ende die perfekte Rezeptur zu finden.“

Und den richtigen Schnapsbrenner als Berater. 200 Kilometer von Köln entfernt, in der Brennerei Ehringhausen im westfälischen Werne, haben sich die Rheinländer mit Georg Glitz-Ehringhausen zusammen getan. In der alten kupferfarbenen Brennanlage aus den 1990er Jahren inmitten einer aufwändig hergerichteten Backsteinhofanlage stehen riesige Kessel, Rohre und Maischesilos. Fässer lagern in einer riesigen ehemaligen Scheune. Der Krach ist ohrenbetäubend.

Der Familienbetrieb produziert nach dem Rezept von Kunert und Leusch den Daisy Gin aus dem eigenen Bioweizenfeinbrand. „Als wir das erste Mal durch das Glas der brodelnden Kupferdestille geschaut haben – das war so emotional wie eine Geburt“, erinnert sich Kunert während er genießerisch an seinem frisch abgefülltes Gin-Glas riecht. Sein Brenner nickt wissend. Bei Glitz-Ehringhausen ist alles Natur – angefangen von der Bio-Gasanlage, die Energie liefert, bis hin zu den Destillaten. „Ich muss ja dahinterstehen“, erläutert der Agrar-Ingenieur. „Von den Massenprodukten gibt es genug. Jede Flasche, die hier abgefüllt wird, muss Top-Qualität haben“. Diesen Anspruch teilen die Daisy-Inhaber: „Unser Ziel war immer ein Premiumprodukt herzustellen“, erklärt Leusch. Das hat seinen Preis: 45 Euro für die Flasche mit dem orangenen Wachskorken ist happig, aber das Geschäft boomt. Inzwischen gehören einige Bars der Hilton Hotelns als auch die Kaufhof-Gruppe zu ihren Kunden.

Einzig den früheren Slogan „1. Kölner Bio-Gin“ dürfen Leusch und Kunert nicht mehr verwenden. Auf Nachfrage erklären sie, dass dies juristische Gründe habe. Die Brauerei Sünner, die ihren Gin in einer Brennerei in Kalk produziert, hat sie abmahnen lassen.

In Düsseldorf läuft es ohne Attribut „Köln“ besser

„Am Anfang waren wir unglücklich darüber, denn für uns war Daisy eigentlich ‚e Kölsch Mädche’“, sagt Kunert. Aber letztlich zählten im Vertrieb eher die interessante Zutaten, das Design und der Geschmack. „In Düsseldorf etwa läuft der Verkauf ohne das Attribut Köln deutlich besser.“

Auch andere kleinere Betriebe mit Sitz in Köln und Umgebung haben solche Schreiben erhalten. Die Argumentation der Brauerei: Da die Inhaber in Köln weder selbst brennen, noch selber herstellen, seien sie lediglich Händler, erläutert Geschäftsführerin Astrid Schmitz-Dumont auf Anfrage. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob die Rezepte in der Rheinmetropole erschaffen wurden und die Produzenten hier ihren Sitz haben. Die harte Linie der Brauerei führt in der Branche zu Diskussionen.

„Lokales ist wieder im Kommen“

Köln-Nippes. Seit einem Jahr hat die Weinhandlung Kleefisch ein üppiges Gin-Sortiment in ihr Portfolio aufgenommen. Der Absatz steigt stetig. Einzelne Kölner Marken haben ihre Flaschen mit der Aufschrift „Kölner Gin“ inzwischen ausgetauscht. „Das finde ich schade“, sagt Inhaber René Zweiacker. „Die kleinen Marken haben nicht eine so lange Puste wie Sünner.“ Heute mache eben jeder seinen eigenen Gin, ergänzt sein Mitarbeiter Arne Felix von Dreusche. Ein regionales Produkt lasse sich besser vermarkten. „Lokales ist wieder im Kommen“, lautet sein Fazit.

Frechen. Besuch bei der Destille „Wayfarer“. Inhaber Benedikt Brauers hat bewusst auf das Attribut „regionales Produkt“ verzichtet – obwohl er seinen Gin selbst brennt. „Das ist nie ehrlich gegenüber dem Konsumenten“, meint der 32-Jährige Unternehmer, der in der Kölner Südstadt lebt. Schließlich stammten weder der Wacholder noch die meisten anderen verwendeten Zutaten aus dem direkten Umland. Die Etikette „Regionales oder Köln“ sei einfach nur ein Marketing-Trick. Das passe nicht zu ihm.

Stattdessen widmet der Self-Made-Brenner seinen Schnaps lieber einem bestimmten Reiseziel. „Ich versuche, die typischen Geschmäcker der Orte einzufangen.“ Sein erster „Wayfarer“ (übersetzt: Reisender) führt den Gin-Kunden nach Südostfrankreich. Das Urlaubsgefühl spiegelt sich in den Botanicals wieder: Neben Wacholder stehen vor allem Lavendel, Zitronenverbene, Limone, Thymian und Rosmarin im Vordergrund.

Jede Zutat fügt der 32-jährige Brenner deshalb in einem eigenen Schritt beim Destillieren hinzu. Die Zitronenschale etwa wird im Alkohol gedämpft. Die frischen Kräuter kommen erst ganz zum Schluss dazu – wie der Basilikum bei einer guten Tomatensoße. „Das Spannende am Gin ist eben, das es kein Schema F gibt.“

Gin bringt die Leute zusammen

Aber was tun, wenn die Gin-Manie abebbt? Brauers kann zwar noch keine Trendwende erkennen. „Gin ist bei einer breiten Masse zum Genussmittel aufgestiegen. Er bringt die Leute zusammen.“ Zugleich tauchen immer neue Gin Marken auf. „Die wenigstens werden aber selbst handwerklich hergestellt“, stellt Brauers klar. „Ich würde mir wünschen, dass der Konsument auch mal hinter die Kulissen schaut und sich nicht von Werbeslogans blenden lässt. Hoffentlich bereinigt sich der Markt dann wieder.“

Ebenso wie er sagen auch die beiden Daisy-Gin-Macher Kunert und Leusch ein Ende des Wachstums voraus: „Ich denke, der Markt wird sich in absehbarer Zeit konsolidieren.“ Viele lokale, kleinere Brennereien könnten bei größerer und aufwendigerer Produktion nicht mithalten. „Aber wir scheuen uns nicht davor, sondern gehen zum Beispiel das Thema Export derzeit konkret an.“ betont Leusch. Versonnen schaut er dabei aus dem Fenster auf den Rhein samt seiner Lastschiffe und hängt seinem Traum vom Daisy-Export nach – womöglich auch bald nach Übersee.  

Gin de Cologne im ksta-Shop

Der Gin de Cologne ist eine weitere Gin-Kreation aus Köln, die in Handarbeit in Ehrenfeld gebrannt und abgefüllt wird und  eine ganz besondere Botschaft vermitteln soll. „Wir lieben unsere Stadt. Die Idee ist, dass die vielen Köln-Touristen unseren Gin mit nach Hause nehmen und dadurch in China, Australien, USA und gerne auch in Düsseldorf Werbung für unsere schöne Stadt machen“, sagt Abbass Khatami, Geschäftsführer der Cologne Spirits GmbH, die den Gin de Cologne herstellt und vertreibt. 

Mehr als zwölf Zutaten, unter anderem Schalen von Zitronen, Orangen und Limetten, Lavendel- und Hibiskusblüten und Wacholder, sollen die Spirituose verfeinern. „Der Gin soll eine spritzige, frische und geschmeidige Note haben“, sagt Khatami. Erhältlich ist die 0,5-Liter-Flasche (29,90 Euro) unter anderem im ksta-Shop

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