Prostitution verbieten? Ein KommentarJa! Freier sollten bestraft werden

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Der Straßenstrich am Kölner Eifeltor – wo die Frauen in ständiger Angst vor gewalttätigen Freiern und ihren Zuhälter arbeiten müssen.

  • Für unsere Serie „Köln im Rotlicht“ sind unsere Reporter in die Rotlicht-Szene eingetaucht, haben mit Prostituierten, Freiern, Zuhältern und Bordellchefs gesprochen.
  • Ihre Recherchen zeigen, dass viele Frauen nicht freiwillig als Prostituierte arbeiten. Sollte man Prostitution also verbieten?
  • Auf jeden Fall, sagt Emma-Redakteurin Chantal Louis in ihrem Plädoyer – indem man künftig die Freier bestraft. Nein, das bringt nichts, entgegnet Josefine Paul in einer Erwiderung.
  • Lesen Sie hier die beiden Streitschriften.

Nehmen wir an, Sie wären ein Zuhälter in, sagen wir: Rumänien. Also jemand, der junge Frauen für sich anschaffen lassen will: sei es unter Vortäuschung von Liebe, sei es mit falschen Versprechungen und, früher oder später, mit Gewalt. Welches Land suchen Sie sich für Ihr Geschäft aus? Entscheiden Sie sich für Deutschland, wo es Rotlichtmeilen und eine gewaltige Zahl von Bordellen aller Art gibt, in denen Sie Ihre „Mädchen“ unterbringen können? Wo diese Bordelle auf Plakatwänden oder Taxis werben dürfen? Wo Rockstars oder Fußballer ganz öffentlich ins Bordell gehen und dort in VIP-Lounges bevorzugt bedient werden, wo Hotels ihren Gästen Prostituierte aufs Zimmer bestellen, wo Junggesellenabschiede und Abifeiern im Puff stattfinden? -> Hier: Alle 20 Folgen der Serie „Köln im Rotlicht“ im Überblick!

Wo es also einen gigantischen Markt für Ihre Ware gibt, weil die Nachfrage so riesig ist? Und wo die Polizei Sie in Ruhe lässt, weil Prostitution hierzulande ein ganz normales Gewerbe und Zuhälterei praktisch nicht nachweisbar ist?

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Chantal Louis

Oder entscheiden Sie sich für Schweden, wo es kein einziges Bordell gibt und selbst in Stockholm gerade mal ein rundes Dutzend Prostituierte auf der Straße stehen? Wo Sie für Ihr Geschäft keine Anzeige schalten dürfen; wo Hotels den Verdacht auf Prostitution melden? Wo ein Mann, der für den Kauf einer Frau zur sexuellen Benutzung zahlt, erstens eine Strafe berappen muss und zweitens als Loser gilt? Wo der Markt also winzig ist und Sie zudem ständig mit einem Bein im Knast stehen, weil die Polizei alle, die mit diesem Geschäft zu tun haben, knallhart verfolgt? Alle – bis auf Ihre „Mädchen“. Denn die sind in Schweden völlig entkriminalisiert und haben nichts zu befürchten.

Lesen Sie hier alle bereits erschienenen Folgen von „Köln im Rotlicht – Das Geschäft mit der Prostitution“ ->

Vermutlich ist Ihre Entscheidung klar: Schweden kommt nicht in Frage. Zu wenig Profit, zu viele Probleme. Weil das so ist, ist laut Interpol der schwedische Markt für Menschenhandel heute „quasi tot“. Das Europäische Parlament hatte schon 2014 erklärt, das Schwedische Modell sei „der effizienteste Weg zur Bekämpfung des Frauenhandels“. Norwegen, Island, Frankreich, Irland und zuletzt Israel haben sich diesem Weg angeschlossen.

Und Deutschland? Wir bieten hierzulande all jenen, die an dem Geschäft mit der Ware Frau verdienen wollen, die optimale Infrastruktur. 80 bis 90 Prozent der Frauen in deutschen Bordellen oder auf dem Straßenstrich kommen aus Ungarn, Rumänien oder Bulgarien, sprich: den ärmsten Ländern Europas. Schlepper rekrutieren sie, viele gerade einmal 18 Jahre jung, nicht selten mit Einverständnis ihrer notleidenden Familien, bevorzugt in den Slums der Sinti und Roma. Der deutsche „liberale“ Ansatz sorgt – auch nach der Reform von 2017 – dafür, dass sie hier einen großen Markt vorfinden, auf dem sie diese Mädchen und Frauen unterbringen können.

Ein oft gehörtes – und von der Pro-Prostitutionslobby gezielt verbreitetes –Argument gegen das Schwedische Modell ist: „Wenn man Prostitution verbietet, rutscht sie in die Illegalität und dann geht es den Frauen erst recht schlecht.“

Erstens: In Schweden und all den anderen Ländern machen sich nicht die Prostituierten strafbar, sondern die Sexkäufer, also diejenigen, die den Markt überhaupt erst schaffen.

Glossar

Agisra

Die „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung“ in Köln ist seit 1993 eine Beratungs- und Informationsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen. Agisra unterstützt zum Beispiel Frauen, die von Gewalt, Sexismus oder Rassismus betroffen sind, die Sozialarbeiterinnen reden mit Frauen auf dem Straßenstrich, am Eigelstein und in Bordellen. Der Verein sitzt in der Bolzengasse in der Altstadt, Telefon 0221/124019.

Escort

Begleit-Agenturen oder Escort-Agenturen vermitteln Frauen, seltener auch Männer, gegen Honorar für eine vereinbarte Zeit. Die Agenturen dienen als Dienstleister und kassieren eine Provision von den Frauen, die oft zwischen 25 und 35 Prozent liegt. Die Preise für die meistens auch sexuellen Dienstleistungen schwanken, liegen aber nur selten unter 200 Euro pro Stunde und 1500 Euro pro Tag. Viele ihrer Mitarbeiterinnen seien Studentinnen, berichtet eine Kölner Agentur-Chefin. Eine vom Studienkolleg zu Berlin veröffentlichte Umfrage ergab, dass 3,7 Prozent aller Berliner Studierenden als Sexarbeiter im weiteren Sinne tätig sei. Verbände und Behörden gehen davon aus, dass der Großteil der im Escort-Bereich tätigen Frauen freiwillig dort arbeitet.

Hurenpass

Im Juli 2017 ist bundesweit das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten. Seitdem müssen Prostituierte einen speziellen Ausweis bei sich tragen, den so genannten Hurenpass. Diese Anmeldebescheinigung, die regelmäßig verlängert werden muss, ist mit Namen, Meldeadresse und einem Foto versehen. Viele Sexarbeiterinnen weigern sich, ihre Anonymität aufzugeben und den Pass zu beantragen – sie fürchten unter anderem Repressionen in ihren Heimatstaaten, in denen Prostitution unter Strafe steht. 

Laufhaus

In einem meist mehrstöckigen Laufhaus mieten Prostituierte Zimmer an. Wenn sie auf Freier warten, stehen ihre Türen offen. Der Kunde streift durch die Flure und kommt mit den Frauen ins Gespräch, die vor oder in ihren Zimmern sitzen. Welche Leistungen sie anbieten und welche Preise sie dafür verlangen, bestimmen die Frauen selbst, nicht der Laufhaus-Betreiber. Er kassiert von ihnen nur die tägliche oder monatliche Miete. Der Eintritt in ein Laufhaus ist meistens frei. Wie viele der Frauen tatsächlich selbstbestimmt arbeiten und wie viele ihre Einnahmen an einen Zuhälter abtreten müssen, ist unklar.

Loverboys

Zuhälter, die vor allem Minderjährige und junge Frauen in Clubs und im Internet ansprechen. Sie täuschen ihnen die große Liebe vor, entfremden sie aber tatsächlich von Freunden und Familie und zwingen sie in die Prostitution. Laut Polizeierkenntnissen sind Loverboys in aller Regel Einzeltäter, die oft mehrere Frauen parallel haben, ohne dass die Opfer voneinander wissen. 

Menschenhandel

Eine Straftat, auf die zwischen sechs Monate und zehn Jahre Gefängnis steht. Unter Menschenhandel versteht das Gesetz jede Form des Anwerbens, Transports oder Beherbergens von Menschen, um sie auszubeuten – zum Beispiel in der Prostitution, durch Bettelei oder Zwangsarbeit. 

Poppers

Slang für eine flüssige, nicht verbotene Droge, die in kleinen Ampullen vertrieben wird und beim Öffnen ploppt. Poppers sollen stark gefäßerweiternd, aphrodisierend, muskelentspannend und schmerzhemmend wirken – und damit helfen, den Geschlechtsverkehr zu verlängern. Werden in fast allen Bordellen verkauft. Können zu Herzrasen, Übelkeit, Erbrechen und Sehstörungen führen, blutdrucksenkende Potenzmittel verstärken die Wirkung.

Prostituiertenschutzgesetz

Seit 1. Juli 2017 ist ein neues Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Es beinhaltet unter anderem die Verpflichtung eines so genannten „Hurenausweises“. Betreiber von Bordellen benötigen eine Erlaubnis und dürfen sich zuvor nicht im Bereich Menschenhandel/Prostitution strafbar gemacht haben. Das Gesetz sieht auch eine Kondompflicht für Freier und eine Gesundheits- und Ausstiegsberatung für Sexarbeiter/innen vor.  Sexarbeiterinnen dürfen seit Inkrafttreten des P. nicht mehr in dem Raum schlafen, in dem sie ihre Dienstleistungen anbieten – Bordellbetreiber müssen getrennte Schlaf- und Waschräume anbieten. Das Gesetz soll Sexarbeiter/innen vor Zwangsprostitution, ungeschütztem und gewalttätigem Sex schützen. Interessenverbände und Beratungsstellen kritisieren das Gesetz: Die meisten Prostituierten, die nicht freiwillig arbeiten, würden weiterhin nicht erreicht. Die Sorge, mit einem Hurenausweis identifiziert werden zu können, treibe viele Frauen in die Illegalität.

Das Gesetz hat für Prostituierte in NRW auch positive Effekte, resümiert die Prostituierten-Beratungseinrichtung Kober.  So habe sich die Hygiene in vielen Häusern verbessert, auch die Rückzugsmöglichkeiten, Aufenthaltsräume und Beratungen wurden von vielen Frauen als hilfreich beschrieben. Die in vielen Sprachen abrufbare Lola-App unterstützt demnach viele  Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, um sich besser über ihre Rechte, Krankenversicherung, Prävention und Beratungsangebote zu informieren. 

Saunaclub/FKK-Club

Die Gäste bewegen sich im Handtuch oder Bademantel durch den Club. Im Eintrittspreis enthalten sind oft Getränke und Speisen. Neben Sauna und Dampfbad gibt es meist eine Bar und separate Bereiche, in denen männliche Besucher mit Prostituierten ins Gespräch kommen. Die Einnahmen werden zwischen der Frau und dem Clubbetreiber aufgeteilt. Die Frauen sind entweder festangestellt, oder sie arbeiten auf eigene Rechnung beziehungsweise für einen Zuhälter, der sie häufig zum Club bringt und wieder abholt. Insider gehen davon aus, dass ein Großteil der Frauen in den Clubs nicht unabhängig von Zuhältern arbeitet.

Sexarbeit/Prostitution

Sexarbeit und Prostitution sind nicht dasselbe. Sexarbeit ist der neutralere Begriff, er beinhaltet keine negative Bewertung. Eine Sexarbeiterin ist eine Dienstleisterin, die einen sexuellen Service anbietet, um damit Geld zu verdienen. Das Wort Prostitution ist negativ belegt: Im Lateinischen bedeutet es, etwas „nach vorne zu stellen“ – sich preiszugeben oder auszustellen. Prostitution wird verbunden mit einem patriarchalen System –  Bordellen, Zuhältern und Freiern, die die Regeln diktieren. Bei einer Frau, die auf den Straßenstrich geht, um ihre Drogensucht zu finanzieren, würde man eher von einer Prostituierten sprechen, bei einer Frau, die sich mit Escort-Service ihren Lebensunterhalt verdient, eher von Sexarbeiterin. Bei einer jungen Frau aus Osteuropa, die im Bordell Sex anbietet, ist die Unterscheidung schwieriger – wenn sie dort arbeitet, um die Existenz ihrer Familie zu sichern, spräche man von Sexarbeit, würde sie von ihrem Vater oder Bruder unter Druck gesetzt, anschaffen zu gehen, von Prostitution. 

Sozialdienst katholischer Frauen (SkF)

Anlaufstelle im Caritasverband für Frauen und Familien in Not. Seit mehr als hundert Jahren engagiert sich der SkF in Köln für Prostituierte, informiert sie über Rechte und Pflichten, unterstützt sie bei Sorgen in Familie und Partnerschaft und hilft den Frauen beim Ausstieg, wenn sie das wünschen. Die  Geschäftsstelle ist am Mauritiussteinweg in der Innenstadt, Telefon 0221/12695-0.

Verrichtungsbox

Garagenähnliche Boxen auf dem Straßenstrich an der Geestemünder Straße in Niehl. Das fußballfeldgroße, eingezäunte Gelände eröffnete im Oktober 2001. Freier fahren dort zunächst durch eine Kontaktzone und dann mit den Frauen in eine der acht Boxen, die in einer alten Scheune untergebracht sind. Es gibt auch Container für Fußgänger oder Radfahrer. In jeder Verrichtungsbox ist ein Alarmknopf an der Wand. Während der Öffnungszeiten sind Sozialarbeiter auf dem Gelände anwesend, Ordnungsamt und Polizei kontrollieren das Gelände regelmäßig.

Weißer Ring

Hilfsorganisation für Menschen, die in Deutschland Opfer von Kriminalität geworden sind. Die ehrenamtlichen Betreuer beraten auch immer wieder Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, unterstützen sie bei der Suche nach spezialisierten Rechtsanwälten, bei der Beantragung einer lebenslangen Opferrente oder mit der Zahlung einmaliger Soforthilfen bis zu 300 Euro. Zentrale Anlaufstelle auch für Menschen in Köln ist das Landesbüro in Düren, Telefon 02421/16622.

Zwangsprostitution

Eine besondere Form der Ausbeutung und seit 2016 ein eigener Straftatbestand neben dem Menschenhandel. Vor 2016 war der Begriff rechtlich nicht definiert. Bei Verurteilung drohen dem Täter zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Die meisten Opfer stammen aus Deutschland sowie aus Ost- und Südosteuropa. Häufig werden die Frauen angeworben, indem der Täter ihnen eine legale Arbeit etwa in der Gastronomie oder Hotellerie verspricht.

Zweitens: Wer mit schwedischen Polizisten spricht, erfährt, dass es für sie kein Problem ist, die Prostituierten bzw. ihre Kunden und Zuhälter zu finden. Sie durchforsten das Internet, machen Fake-Anrufe. Einfache Maxime: „Wenn die Freier die Frauen finden, finden wir sie auch.“

Drittens: Was in deutschen Bordellen stattfindet, vom Straßenstrich ganz zu schweigen, ist ja keineswegs automatisch legal. Denn die nicht nur die großen „Wellness“-Bordelle („100 Girls von 11 bis 5 Uhr“) müssen ihr Werbeversprechen vom Rund-um-die-Uhr-Frauenangebot einhalten und entsprechend mit Ware bestückt werden. Im Februar 2019 wurde der Bordellbetreiber Jürgen Rudloff zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Stuttgarter Landgericht konnte beweisen, dass Rudloff sein Stuttgarter „Paradise“ von Zuhältern hatte beliefern lassen, die „ihre“ Frauen schwer misshandelt hatten. Zur Erinnerung: „Bordellunternehmer“ Rudloff war lange Zeit gern gesehener Talkshow-Gast und durfte vor Millionenpublikum sein Märchen von der sauberen Prostitution verbreiten. Richter Reiner Gless sprach klare Worte: „Ein sauberes Bordell in der Größe ist kaum vorstellbar.“

Wie mag das im Kölner „Pascha“ laufen? „Eine Frau kommt auf die Welt, um dem Mann zu dienen und zu gehorchen“, hatte Pascha-Betreiber Hermann Müller zum 20. Jubiläum seiner Sexfabrik frank und frei erklärt.

In Schweden hat man von der Rolle der Frau eine etwas andere Auffassung. Dort gilt Prostitution schlicht als „Verstoß gegen die Menschenwürde“.

Von Chantal Louis

Lesen Sie hier: Warum ein Verbot von Prostitution nichts bringt

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Prostitutions-Kritiker sagen, Deutschland sei eins der größten Bordelle Europas.

Prostitution ist noch immer gesellschaftlich tabuisiert und von Mythen geprägt. Eine schnelle Antwort auf unübersehbare Missstände – Menschenhandel, Ausbeutung und Gewalt – gibt es nicht. Der Weg über Beratung, Prävention und Empowerment mag mühsam klingen, kann aber die Situation von Sexarbeiter*innen tatsächlich verbessern. Ein Prostitutionsverbot kann das nicht. Es würde nicht illegale und verbrecherische Strukturen aufbrechen, sondern Prostitution und Sexarbeiter*innen zurück in die Illegalität drängen. Außerdem verlören diese Sozial- und Krankenversicherung.

Sexarbeiter*innen wurden bis ins 21. Jahrhundert in einen rechtsfreien Raum gedrängt. Erst das 2002 von Rot-Grün beschlossene Prostitutionsgesetz verbesserte ihre rechtliche Stellung. Die „Sittenwidrigkeit“ wurde aufgehoben und Sexarbeiter*innen erlangten einen einklagbaren Anspruch auf das vereinbarte Honorar sowie Zugang zu Sozial- und Krankenversicherung. Gleichzeitig sollte das Gesetz kriminelle Begleiterscheinungen eindämmen. Es war ein politischer und juristischer Paradigmenwechsel: Aus dem Grundsatz „Schutz vor der Prostitution“ wurde „Schutz in der Prostitution“. Doch nach wie vor gibt es Grauzonen. Noch immer werden vor allem Frauen und Mädchen Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Neben der konsequenten Verfolgung von Menschenhändlern und dem Zerschlagen krimineller Strukturen muss insbesondere der Opferschutz im Mittelpunkt stehen. Dafür sind die acht spezialisierten Beratungs- und Unterstützungsstellen unverzichtbar.

Es gibt nicht einfach „die“ Prostitution, „die“ Sexarbeiterin oder „den“ Sexarbeiter. Vielmehr gibt es verschiedene Erscheinungsformen der Sexarbeit. Hinzu kommt, dass viel über Sexarbeiter*innen diskutiert wird – meist als Opfer –, aber ihre eigenen Erfahrungen zu selten einbezogen werden. Um Wissenslücken zu schließen und Sexarbeiter*innen einzubeziehen, wurde im Jahr 2010 in NRW der „Runde Tisch Prostitution“ ins Leben gerufen. Dieser breit angelegte Diskussionsprozess schuf eine Wissensbasis über die Situation in NRW, auf der die Situation von Sexarbeiter*innen verbessert werden kann. 

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Josefine Paul

Denn Gesetze müssen Menschen in der Prostitution schützen, ihre Arbeitsbedingungen verbessern und für diejenigen Perspektiven jenseits der Prostitution schaffen, die diese wünschen. Leider tut das 2017 in Kraft getretene Prostitutiertenschutzgesetz der Großen Koalition genau das in der Praxis nicht. Es enthält die Pflicht sich anzumelden und die Bescheinigung als „Hurenpass“ mitzuführen, eine verpflichtende Gesundheitsberatung sowie eine Kondompflicht. Was erstmal gut klingt, trägt in der Praxis zu Stigmatisierung und Verunsicherung der Sexarbeiter*innen bei.

Auch ein Verbot von sexuellen Dienstleistungen, das Menschen stigmatisiert, in die Illegalität drängt und somit größeren Gefahren aussetzt, würde Sexarbeiter*innen nicht schützen. Gewalt und Ausbeutung würden noch schwerer zu verfolgen, Beratungsarbeit würde erschwert. In Schweden etwa werden Förderung und Akzeptanz von Beratungsangeboten in Frage gestellt. Wenn es offiziell keine Prostitution mehr geben darf, wozu dann noch Beratungsstellen? Zudem würde den Beratenden der Zugang zu den in die Illegalität gedrängten Menschen erschwert.

Statt eines schnellen Verbots, brauchen wir einen langen Atem: Wir müssen die rechtliche Situation von Sexarbeiter*innen verbessern, Präventions- und Beratungsangebote ausbauen und Menschenhandel mit aller Härte des Rechtsstaats verfolgen.

Von Josefine Paul

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