AudiowalkKölner Künstler Didi Jünemann präsentiert neues Projekt im Altenberger Hof

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Didi Jünemann

Didi Jünemann zwischen seinen Zeichnungen im Altenberger Hof

Köln – „Ohne den Lockdown hätte ich dieses Projekt wohl nicht gemacht. Aber da nicht nur die Stunksitzung, sondern fast alle anderen Auftritte und Engagements weggefallen sind, hatte ich auf einmal viel Zeit“, erzählt Kabarettist und Schauspieler Didi Jünemann (68) im Gastronomie-Betrieb „Potpourri“ des Nippeser Bürgerzentrums Altenberger Hof. Auf der dortigen Empore sind auf Staffeleien und an den Wänden 40 Zeichnungen zu begutachten, die Jünemann rund um den Text der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig (zwischen 1938 und 1941 im brasilianischen Exil geschrieben) geschaffen und dazu einen, wie er es nennt, „Graphic Novel Audio-Walk“ gestaltet hat. Ähnlich wie etwa bei großen Ausstellungen im Museum Ludwig, holt man sich an der Theke einen MP3-Audio-Player (Leihgebühr: 4,50 Euro) und wandert damit langsam an den Bildern entlang. Auf den Kopfhörer klingt in der Form eines Hörbuches dann die Geschichte der Schachnovelle, die Jünemann auf genau eine Stunde gekürzt und in den Studios der Medien-Hochschule in Zollstock und bei Dieter Krauthausen in Raderberg eingelesen hat.

Auf Zweigs Schachnovelle war das Gründungsmitglied der Stunksitzung eher zufällig gestoßen – beim Aufräumen. „Das Bändchen lag im Arbeitszimmer meines verstorbenen Schwiegervaters“, erzählt Jünemann. „Ich habe das dann in einem Rutsch gelesen, denn die einfühlsame und spannende Geschichte, bei der es auch um Nationalsozialismus, Flucht, Isolation, Macht und Trauma sowie um die Aufarbeitung des Faschismus geht, hat mich sehr berührt.“

Auftritt in der Stunksitzung

Schnell hatte er die Idee, daraus etwas zu machen. „Zunächst dachte ich an ein Soloprogramm in der Art von »Wir Kellerkinder«, das ich in Anlehnung an Wolfgang Neuss von 1995 bis 2019 immer wieder mal gespielt hatte. Aber das hatte ich schnell wieder verworfen, da Regisseur George Isherwood, mit dem ich lange zusammengearbeitet habe, vor vier Jahren verstorben ist. Und mit einem anderen Regisseur konnte ich mir das nicht vorstellen.“

Alles zum Thema Museum Ludwig

Der Vorschlag, Lesung und Bilder zu kombinieren, kam letztendlich von Jünemanns Ehefrau Gundula Schmidt. „Du zeichnest doch gut und gerne. Mach’ was draus“, hatte sie ihn aufgefordert. Ähnlich wie in Heften und Lehrbüchern in längst vergangener Schulzeit („Damals sehr zum Leidwesen meiner Mutter“) zieren auch heute noch viele Seiten seines aktuellen Kalenders kleine Zeichnungen und Comic-Figuren. Während seines Sonderschullehrer-Studiums an der Kölner AfH hatte Jünemann Comics für die Asta-Zeitung gezeichnet. Zu der Zeit veröffentlichte er auch einen Comic-Band in einem Berliner Verlag. „In der Stunksitzung kamen meine Zeichnungen bislang allerdings nur einmal zum Einsatz. In der »Käpt'n Blaubär«-Nummer in der Session 2019.“

Förderung durch Landesmittel

Aber die Erfahrungen daraus konnte er jetzt nutzen, denn alle seine Zeichnungen zur Schachnovelle sind innerhalb von vier Monaten im Format 9x9 Zentimeter entstanden. Gerburg Stoffel, die bei den Stunkern mit für das Bühnenbild zuständig ist, hat diese dann fotografiert, bearbeitet und auf ausstellungsgerechte 60x60 vergrößert. „Herausgekommen ist eine Zeitreise in die Schwarz-Weiß-Zeit. Ich habe meine Zeichnungen bewusst nicht koloriert. Mit Farben hätten die wohl an Ausdruckskraft verloren.“

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Von Nippes aus, wo das mit Landesmitteln geförderte Projekt noch bis Ende des Monats zu begutachten ist, geht es dann für einen Tag in das Kulturhaus des Stunk-Kollegen Bruno Schmitz nach Kleve. „Solch eintägige Events sind eigentlich meine Zielvorstellung. Ich bin dann auch jedes Mal mit dabei. Ganz nach dem Motto: »Der Künstler ist anwesend«. Man kann dann mit mir reden und Fragen stellen.“

Gastspiel im Bürgerzentrum Ehrenfeld

Auch bei der Terminplanung sei er recht flexibel, obwohl er schon auf eine teilweise Rückkehr zum normalen Kabarett-Alltag nach dem Sommer hofft. „Gut, die »Frühstückspause« mit Jürgen Becker fürs Radioprogramm von WDR 2 ist auch zu Corona-Zeiten weitergelaufen – wie schon seit dem Herbst 1990. Aber irgendwann soll es ja auch mit der Stunksitzung wieder losgehen. Alle Kollegen haben für die Zeit der Proben ab 1. September sowie der Sitzungen im E-Werk ab Anfang Dezember keine anderen Engagements angenommen. Da sind wir optimistisch.“ Zuvor sind große Teile des Ensembles mit der alljährlichen Sommer-Reihe „Stunk – unplugged“ auf Tournee durch die Region. In Köln sind zwei Gastspiele geplant: am 11. September im Bürgerzentrum Ehrenfeld und einen Tag später auf dem KD-Schiff Rheinenergie. „Da freuen wir uns schon drauf“, sagt Jünemann. „Und im Moment sieht es sehr gut aus. Beide Shows können wohl stattfinden.“

Der einstündige Audio-Walk mit Texten und Bildern von Didi Jünemann zur „Schachnovelle“ von Stefan Zweig ist noch bis zum 30. Juli im Gastronomie-Betrieb „Potpourri“ des Nippeser Bürgerzentrums Altenberger Hof Mauenheimer Straße 92) zu erleben – Dienstag bis Sonntag jeweils von 12 Uhr bis 18 Uhr.

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