Ülepooz-GesprächKölner Karnevalsexperten diskutieren, ob der Narr ohne Freiheit leben kann

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Prof Dr. Werner Mezger, Ebasa Pallada, Manuel Andrack, Joachim Frank und Heinz-Günther Hunold (v.l.n.r)

Talk-Runde mit Prof Dr. Werner Mezger, Ebasa Pallada, Manuel Andrack, Joachim Frank und Heinz-Günther Hunold (v.l.n.r).

In der Gesprächsrunde wurde unter anderem festgestellt, dass die Freiheit der Jecken nur mit Regeln funktioniert.

Die Roten Funken feiern ihr 200-jähriges Jubiläum nicht allein. Denn bei den Ülepooz-Gesprächen laden sie die Kölnerinnen und Kölner ein, gemeinsam mit ihnen und ihren Gästen zu diskutieren. Dieses Mal stellten sie sich die Frage: Kann der Narr ohne Freiheit leben? „Der Karneval ist im Moment angeschlagen, denn wir haben das Jahr eins nach Corona“, erklärte der Präsident der Roten Funken, Heinz-Günther Hunold, am Dienstagabend in der Ulrepforte.

Erst machte die Pandemie den Jecken in Köln einen Strich durch die Rechnung, dann stellte der Angriffskrieg Russlands die Karnevalistinnen und Karnevalisten erneut vor die Frage: Wann wird Karneval unmöglich? Wie viel Freiheit braucht der Jeck, um jeck zu sein? Um diese Fragen zu klären, bat Hunold Werner Mezger, Professor für Volkskunde, Musiker Ebasa Pallada und Autor Manuel Andrack zu sich auf die Bühne. Joachim Frank, Mitglied der Chefredaktion des „Kölner Stadt-Anzeigers“ moderierte die Diskussion.

Karneval in Köln: „Wir haben ja fast mehr Gesetze als Freiheiten“

„Auch wenn im Rheinischen eher vom Jecken gesprochen wird, sind Narr und Jeck eigentlich bedeutungsgleich“, so Mezger. Und dennoch gibt es trotz der Narrenfreiheit nicht so etwas wie „Jeckenfreiheit“, stellte Frank fest. Denn den rheinischen Jeck und den südwestlichen Narr unterscheidet eine Eigenschaft: Der Narr ist vollständig vermummt, es ist nicht erkennbar, welche Person sich hinter der Holzmaske und dem Kostüm verbirgt. „Der Jeck spielt eine Rolle, aber man weiß, wer diese Rolle spielt“, erläuterte Mezger. Beide Formen der Verkleidung geben den Menschen jedoch die Freiheit, mit der eigenen Identität zu spielen.

Trotz dieser Freiheit ist der Karneval in Köln reglementiert. „Wir haben ja fast mehr Gesetze als Freiheiten“, lacht Hunold. Denn da, wo es Freiheiten gibt, werden diese auch übertrieben: mit Alkoholexzessen, sexualisierter Gewalt und Besinnungslosigkeit. Ein Regelwerk gehört demnach unbedingt zu Karneval. Die Behauptung, Karneval bedeute Anarchie, ist nach Ansicht von Mezger falsch. „Es ist die Umkehrung von Regeln, aber es sind Regeln“, erläutert er. Die Freiheit der Jecken kann sich demnach nur in einem festgelegten Rahmen entfalten.

Doch auch das Regelwerk verändert sich immer wieder. Sei es mit städtischen Versuchen, das Treiben auf der Zülpicher Straße einzugrenzen, oder durch Entwicklungen wie das Entstehen des alternativen Karnevals. Während der alternative Karneval als konstruktiv gilt, scheinen die Exzesse und der sogenannte „Sauf-Karneval“ destruktiv zu sein, so Andrack. „Der traditionelle Karneval wird vom alternativen Karneval sehr befruchtet“, ergänzt er. Es bringe allerdings auch nichts, auf die Jugend zu schimpfen, stellte Pallada klar, denn Karneval erneuere sich immer wieder.

Wichtig sei es hingegen, Angebote zu schaffen, betonte Hunold. „Junge Menschen müssen Platz kriegen“, erklärte er. Denn wenn sich alle Menschen zusammenschließen, zum Beispiel weil sie, wie 2021, dem Angriffskrieg Russlands etwas entgegenstellen wollen, dann wird aus dem Rosenmontagszug eine der größten Friedensdemonstrationen Deutschlands.

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