Jiddische LiederKonzert und Buch würdigen das Schicksal jüdischer Zuwanderer in Köln

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Kavod

Maria Heer, Vorsitzende von "Kavod e.V." und Eduard Lofenfeld.

Köln – Manchmal schlummert das Entdeckenswerte im vermeintlich Kleinen: Im Jubiläumsjahr 2021, in dem „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gefeiert wird, gibt es bundesweit rund 1000 Veranstaltungen. „Wir sind in diesem riesigen Reigen nicht nur das kleinste Projekt, sondern auch das einzige, das sich explizit dem Schicksal jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion widmet“, erzählt Maria Heer, die Vorsitzende des kleinen privaten Kölner Vereins Kavod e.V – Freunde jüdischer Kultur. Und nebenbei auch das einzige, dessen Mitwirkende der Synagogen-Gemeinde Köln angehörten.

Viele Jüdinnen und Juden kommen aus der ehemaligen Sowjetunion

Kavod – das heißt Wertschätzung. Um Wertschätzung und eine liebevolle Hommage an die „jüdischen Russen“, die in den 90er Jahren als so genannte jüdische Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland kamen, geht es in ihrem Projekt. „Ihnen verdanken wir, dass das Judentum, das nach dem Holocaust in Deutschland völlig ausgezehrt war, wieder erblühte. Auch hier in Köln.“ 80 bis 90 Prozent der Mitglieder der heutigen jüdischen Gemeinden in Deutschland kommen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion.

Ihre Kultur mit ihrer für das Judentum in Osteuropa typischen Musik voller Schwermut, Poesie und Fröhlichkeit, aber auch ihre auch nicht einfachen Wege der Integration wollte „Kavod“ in ein einem „Erzählkonzert“ würdigen, in dem zum einen die uralten jiddischen Lieder zur Aufführung kommen sollten und zum anderen die Zuwandererfamilien – Großväter, Kinder und Enkel – von ihren Lebenswegen und Schicksalen berichten.

Veranstaltung soll im September stattfinden 

Corona hat dafür gesorgt, dass es statt der für Juni geplanten großen Veranstaltung bislang nur eine kleine Generalprobe geben konnte. Der neu angesetzte Termin ist nun der 19. September um 16 Uhr im Saal der Melanchthon-Akademie. „Jetzt bangen wir angesichts steigender Inzidenzen wieder, dass es klappt“, sagt Heer.

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Gleichzeitig haben sie kreativ-trotzig dafür gesorgt, dass ihre Hommage an die deutsch-russische Gemeinde nicht von Inzidenzen abhängt: Sie haben mit den bescheidenen Fördermitteln für ihr Projekt vorab für alle Fälle ihr Erzählkonzert als Buch herausgegeben unter dem Titel „Lacht der Wind im Korn…“. „Ein Buch das bleibt. Es schert sich nicht um die nächste Welle“, meint Heer lachend.

„Ein Buch das bleibt“

Im Innern des Buches schildern einige der jüdischen Zuwanderer ihr Leben: die Diskriminierung als Juden in Russland, die schwierige Anfangszeit hier in Deutschland, als sie, die alles aufgegeben hatten, von vorne anfangen mussten, weil ihre Qualifikationen als Ingenieure oder Ärzte hier nicht anerkannt wurde. Die Studentin Hanna Alakbarov erzählt davon, wie sie als kleines Mädchen nach Köln kam, wie ihr Vater, der in Aserbaidschan ein ganzes Klinikum geleitet hatte, hier sein ganzes Studium ab dem Physikum neu absolvieren musste.

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Heute ist er Oberarzt in einer Jugendpsychiatrie. Es sind auch Geschichten wie die des 75-jährigen Eduard Lofenfeld: Der damals Mitte 50-Jährige Ingenieur kam aus dem Ural nach Köln und bekam in Deutschland keine Chance mehr in seinem Beruf zu arbeiten. Sprach- oder Integrationskurse gab es damals ohnehin keine. Stolz liegt in seiner Stimme, als er erzählt, dass seine Tochter heute an einer Kölner Schule als Deutschlehrerin arbeitet. Und dass sein Enkel – Ingenieur wie er – gerade in Aachen seine Dissertation in medizinischer Lasertechnologie schreibt.

Menschen fühlen sich hier wohl

Sie alle leben gerne in Köln. „Die meisten fühlen sich wirklich angenommen und angekommen. Von daher ist das Erzählkonzert auch eine Liebeserklärung an die nicht-jüdische Mehrheitsgesellschaft“, sagt Heer. Auch deshalb hoffen sie so sehr, dass das Konzert im September stattfindet. Das Programm umfasst neben den Lebensgeschichten zehn alte jiddische Lieder, gesungen vom Chor Schalom der Synagogen-Gemeinde Köln sowie Solo-Kompositionen des Violinisten Igor Mazritzky und der Pianistin Dina Goncharova.

Wer einstweilen das Buch bestellen möchte, könne dies über die Kölner Synagogengemeinde tun, erläutert Heer. „Wer sich unter newsletter@sgk.de an die Synagogengemeinde wendet, bekommt es für vier Euro zugeschickt. So lange der Vorrat reicht.“

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