„Geübte Praxis“KVB hält Testlauf mit 90-Meter-Bahnen für umsetzbar – Beschluss steht bevor

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Ein 100 Meter langer Zug in Frankfurt. Ähnlich lange Bahnen werden jetzt auch oberirdisch in der Kölner Innenstadt getestet.

Ein 100 Meter langer Zug in Frankfurt. Ähnlich lange Bahnen werden jetzt auch oberirdisch in der Kölner Innenstadt getestet.

Alles spricht dafür, dass 90 Meter lange Bahnen noch vor der Grundsatzentscheidung für oder gegen den Tunnel in Köln getestet werden.

Ein Probelauf für 90-Meter-Bahnen in der Innenstadt ist den Kölner-Verkehrs-Betrieben (KVB) zufolge umsetzbar. KVB-Chefin Stefanie Haaks sagte im Verkehrsausschuss des Stadtrates am Dienstag, der Test sei für ihr Unternehmen „geübte Praxis“. Denn im seltenen Fall eines technischen Defekts würde man heute schon mit einer insgesamt 90 Meter langen, gekoppelten Bahn über die Gleise fahren. Man habe über das Thema bereits mit der technischen Aufsichtsbehörde gesprochen. Der Testlauf ist für die Kölner Innenstadt geplant, in dem Antrag zum Thema ist von der Strecke zwischen Heumarkt und der Wendeschleife am Aachener Weiher die Rede.

Wie berichtet, ist der Hintergrund der Idee die Frage, ob ein neuer Tunnel durch die Kölner Innenstadt führen soll oder ob die neuen, 90 Meter langen Bahnen auf der Ost-West-Achse oberirdisch fahren sollen. Straßenbahnen dieser Dimension sind in Deutschland selten. Ein Referenzpunkt ist Frankfurt, hier fahren 100-Meter-Bahnen. Bislang fahren auf der fraglichen Kölner Strecke 60 Meter lange Bahnen. Die Tunnel-Frage prägt die verkehrspolitischen Diskussionen in der Stadt seit Jahren. Die CDU will den Tunnel, die Grünen wollen ihn vermeiden – es gibt einen offenen Konflikt im Ratsbündnis, zu dem auch Volt gehört. Die CDU verspricht sich von dem Testlauf eine abschreckende Wirkung für die oberirdische Variante. Volt hatte zuletzt zum oberirdischen Ausbau tendiert, stellte nun aber gemeinsam mit der CDU den Antrag für einen Testlauf.

KVB-Chefin über Bahn-Test: „Wenn, dann ohne Fahrgastbetrieb“

Stefanie Haaks erklärte, unter welchen Bedingungen der Versuch funktionieren könnte. „Wenn wir einen 90-Meter-Test machen, dann selbstverständlich ohne Fahrgastbetrieb“, sagte sie. Die Bahnen würden in den laufenden Betrieb eingestreut werden. An jeder Ampel müsse ein Verkehrsmeister stehen, damit die Fahrten sicher sind. Denn die Ampeln könnten nicht auf die langen Bahnen umgestellt werden. „Wir haben nicht genug Fahrzeuge, um den Versuch zur Hauptverkehrszeit morgens durchzuführen“, sagte Haaks. Die Dauer für einen Umlauf auf der vorgeschlagenen Strecke würde rund 25 Minuten betragen.

Sie halte es für realistisch, die Bahnen an einem Sonntag oder an einem Nachmittag unter der Woche in einem 15-Minuten-Takt fahren zu lassen. Und präferiert mit Blick auf den Aufwand und die Kosten eine kurze Versuchsdauer von ein bis zwei Stunden: „Das wäre etwas anderes als eine Länge, die einzelne Dienste übersteigen würde“. Sie hat dem Verkehrsausschuss angeboten, ein Konzept für den Versuch auszuarbeiten. „Wir haben noch keine Kosten berechnet, weil das Thema politisch nicht beraten ist“, stellte sie klar. Haaks selbst befürwortet den Bau eines Tunnels durch die Innenstadt. Der Verkehrsausschuss hat den Beschluss auf eine geplante Sondersitzung am 5. Dezember geschoben, um dann auch über die finanziellen Details abzustimmen.

Wenn wir einen 90-Meter-Test machen, dann selbstverständlich ohne Fahrgastbetrieb
KVB-Chefin Stefanie Haaks

Dass der Antrag für einen Probelauf eine Mehrheit finden wird, ist am Dienstag allerdings deutlich geworden. Neben CDU und Volt argumentierten auch SPD und FDP, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gegenüber bereits im Vorfeld der Sitzung ihre Sympathie für die Idee kommuniziert hatten, für den Versuch.

Kölner Verkehrsausschuss: Klare Mehrheit für den Testlauf

Teresa De Bellis (CDU) sagte, der Antrag sei mit der KVB eng abgestimmt. „Natürlich versprechen wir uns, dass man auch die Schwachstellen der oberirdischen Lösung – vor allem bei den Querungen für Fußgänger und Radfahrer – sichtbar machen kann“, sagte sie. Die Zeiten für den Versuch habe man bewusst freigelassen, „denn wir wollen keinen Zusammenbruch des Verkehrs“.

Volt hatte sich dafür eingesetzt, im Rahmen des Versuchs in der Innenstadt auch Visualisierungen beider Varianten zu präsentieren. Auch das wird am 5. Dezember voraussichtlich beschlossen. „Wir wollen so objektiv wie möglich an die Sache herangehen“, sagte Isabella Venturini. „Wir denken, dass die Visualisierungen auch die Bürgerinnen und Bürger mit einbezieht, die vielleicht noch nicht viel von dem Thema mitbekommen haben.“

Kölner Grüne: Idee passt nicht zu eingeschränktem KVB-Fahrplan

Lukas Lorenz (SPD) betonte, seine Fraktion stehe dem Antrag „positiv gegenüber“, Christian Beese (FDP) sagte: „Ich bin gespannt, wie die 90-Meter-Bahnen im Stadtbild aussehen“. Lars Wahlen (Grüne) hingegen sagte, man könnte die Idee „fast einen Verkehrsversuch nennen“. Der Nutzen des Versuchs erschließe sich ihm nicht. „Hier wird jede Seite ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen: Die einen werden sagen, es wird funktionieren, die anderen werden sagen, es geht nicht.“ Er kritisierte, dass die KVB angesichts des auch im kommenden Jahr eingeschränkten Fahrplans unnötig belastet werde und kündigte an, gegen den Antrag zu stimmen.

Ähnlich argumentierte Albert Meinhardt, sachkundiger Bürger der Linksfraktion: „Wir lehnen das ab, denn der Versuch kann mit den aktuellen Bahnsteigen nur verzerrte Ergebnisse hervorbringen. Ziel ist es hier zu zeigen, wie schlecht die oberirdische Variante sein wird.“ Die Einwände werden aller Voraussicht nach zu nichts führen: CDU, SPD, FDP und Volt haben im Verkehrsausschuss eine Mehrheit. Im Juni 2024 will der Stadtrat die beiden Varianten für die Ausweitung der Kapazitäten auf der Ost-West-Achse erstmals diskutieren. Bis dahin sind wohl die erste 90-Meter-Bahnen durch die Innenstadt gefahren – oberirdisch.

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