Männerhorde tötet AutofahrerKölner Richterin zeigt schreckliches Video – Angeklagter schweigt

Lesezeit 4 Minuten
Der Angeklagte mit Verteidiger Günter J. Teworte, Verteidigerin Lara M. Gaber und einem Justizwachtmeister im Landgericht Köln.

Der Angeklagte mit Verteidiger Günter J. Teworte, Verteidigerin Lara M. Gaber und einem Justizwachtmeister im Landgericht Köln.

Im Kölner Landgericht wurde am Mittwoch ein Überwachungsvideo zeigt, das den mutmaßlichen Mord einer Männerhorde an einem Autofahrer in Höhenberg zeigt.

Menschen tragen ihre Einkäufe nach Hause, schieben ihr Fahrrad, gehen mit dem Hund spazieren. Eltern kommen mit ihren Kindern von der Schule oder dem Kindergarten. Doch da ist auch diese Horde von jungen Männern, die an jenem Donnerstagnachmittag im März die Bamberger Straße in Höhenberg besiedelt. Sie haben einen tödlichen Plan, sagt die Staatsanwaltschaft. Kurz darauf wird ein Autofahrer brutal attackiert, mit Messern und Hammer. Der Mann stirbt in einem Krankenhaus.

Köln-Höhenberg: Überwachungsvideo zeigt gesamte Tat

Die Beweise könnten nicht erdrückender sein, denn eine private Überwachungskamera hat das angeklagte Verbrechen aufgezeichnet. Als die Vorsitzende Richterin Sabine Kretzschmar die Aufnahmen am Mittwoch beim Prozessauftakt in Saal 112 des Justizgebäudes abspielen lässt, schreien Angehörige im Besucherbereich laut auf und weinen. Die Bilder sind drastisch und der Anlass nichtig. Es traf laut Staatsanwaltschaft einen eigentlich unbeteiligten und arglosen Mann.

Ausgangspunkt des mutmaßlichen Lynchmords ist laut Anklage eine Fehde zweier Familien-Clans. Der Bruder des späteren Opfers soll in der Nacht zuvor über Facebook die andere Familie beleidigt und insbesondere verstorbene Angehörige geschmäht haben. Mitglieder der Gegenseite hätten daraufhin Rache geschworen, eine „Machtdemonstration“ sollte folgen, so der Staatsanwalt „und daran sollten und wollten sich alle beteiligen.“ Laut Anklage entsteht so ein feiger Mordplan.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Da der Facebook-Schmäher nicht greifbar gewesen sei, habe man sich dessen Bruder als Opfer ausgesucht. Und so kommt es laut Anklage dazu, dass sich am Tattag 25 bis 30 mutmaßliche Familienmitglieder in Höhenberg versammeln. Die Videobilder zeigen, wie die Männer auf der Straße und den Gehwegen auf und ab gehen. Passanten sind im Bild, Autos fahren die Straße herab. Die Männer scheinen abzuwarten, bis gegen 15.25 Uhr ein Smart Forfour in die Kreuzung einbiegt.

Köln: Männerhorde schlägt und sticht auf Mann ein

Das Video zeigt, wie einzelne Männer auf das Auto, in dem das spätere Opfer sitzt, zugehen. Ein kurzer Dialog, dann greift ein weiterer Mann durch die Beifahrerseite, laut Anklage zieht er den Autoschlüssel ab und nimmt dem Fahrer so jede Chance zu entkommen. Nur Momente später stürmt ein ganzer Mob auf das Auto zu und geht zum Angriff über. „Von allen Seiten und arbeitsteilig“, so formuliert es der Staatsanwalt, hätten die Täter auf ihr Opfer eingewirkt. Erst im Auto, dann draußen.

Von 17 Stichen und Hammerhieben ist die Rede. Auf dem Video sieht man, dass noch vereinzelt auf den Mann eingetreten wird, als dieser schon regungslos am Boden liegt. Dann flüchtet die Horde. Passanten rufen Notarzt und Polizei, stehen hilflos vor dem Opfer. Etwa sechs Minuten später treffen erste Polizeibeamte ein. Das Opfer überlebt knapp, kommt auf die Intensivstation. Der Mann erleidet einen schweren Hirnschaden. Der 37-jährige zweifache Familienvater stirbt 18 Tage später.

Ein Angeklagter, zwei Verhaftete, Rest flüchtig

Ein mutmaßlicher Beteiligter muss sich nun wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten, zwei weitere warten in Untersuchungshaft auf ihre Anklage, der Rest ist flüchtig. Er erkenne nach Aktenlage keinen gemeinsamen Tatplan, sagt Verteidiger Günter J. Teworte. Sein Mandant sei lediglich am Tatort gewesen, aber nicht direkt beteiligt. Weder habe er auf das Opfer eingeschlagen, noch eingetreten oder sonst wie eingewirkt. Beim Prozessauftakt schwieg der Mandant zu den Vorwürfen.

Wäre es nach dem Verteidiger gegangen, dann hätte Richterin Kretzschmar das Beweisvideo gar nicht abspielen dürfen. „Es ist ein illegal gefertigtes Video“, sagt Teworte. Die Aufnahmen stammten von den Betreibern eines Cafés, die Kamera war in einer Laterne versteckt. Damit sei gegen den Datenschutz verstoßen worden. Die Richterin hatte aber keine Bedenken. Die Möglichkeit der Aufklärung einer schweren Straftat wiege höher als mögliche Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte.

Opfer-Anwalt: „Tat ist durch nichts zu rechtfertigen“

Tatsächlich dürften die Täter nicht damit gerechnet haben, dass ihre Tat so detailliert und gestochen scharf aufgenommen wurde. Die Zuordnung der Tatbeteiligten wäre bei so vielen Beteiligten für die Ermittler wohl kaum möglich gewesen. Wichtig wird das vor allem dann, wenn der gemeinsame Tatplan womöglich nicht bewiesen werden kann. Laut Anklage haben sich bisher aber alle am Tatort versammelten Familienmitglieder schuldig gemacht, allen droht eine lebenslängliche Haftstrafe.

Opfer-Anwalt Simon Kantz vertritt die beiden Töchter des Getöteten in der Nebenklage. Die Videobilder hätten auch ihn als erfahrenen Strafrechtler schockiert. Die Familie des Opfers habe jeden Halt in ihrem Leben verloren, der Vater und Ernährer sei plötzlich nicht mehr da. „Eine solche Tat ist durch nichts zu rechtfertigen“, sagt Kantz und schon gar nicht durch irgendwelche ausgesprochenen Beleidigungen. Ein Urteil in diesem ersten Prozess soll vor Weihnachten fallen.

KStA abonnieren