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„Wir haben das Recht, laut zu sein“4000 Menschen demonstrieren in Köln gegen AfD – Kasalla und Planschemalöör mit dabei

Lesezeit 4 Minuten

Zur Demo aufgerufen hatten Schüler des Gymnasiums und deren Eltern. Angemeldet waren zunächst rund 500 Menschen, doch es kamen achtmal so viele.

„In den letzten Tagen habe ich im Internet viel Zeit damit verbracht, auf rechte Trollkommentare zu reagieren“, erzählt Juri Rother, Frontsänger von Planschemalöör, auf der Bühne zu Beginn seines Konzerts vor dem Gymnasium Neue Sandkaul in Widdersdorf. „Dabei habe ich erkannt: Es reicht nicht nur, gegen etwas zu sein. Wir müssen auch für etwas sein.“

Die Demonstranten vor der Bühne jubeln. „Und wir sind für die Hoffnung, die im kölschen Gefühl zum Ausdruck kommt.“ Als die Band einen dazu passenden Song anstimmt und Rother „Et hätt noch immer jot jejange“ singt, tanzt die Menge.

Mehrere tausend Menschen sind am Sonntagmorgen vor dem Gymnasium in dem bürgerlich geprägten Neubaugebiet zusammengekommen, um gegen den Kreisparteitag der Kölner AfD zu demonstrieren, die Polizei sprach zwischenzeitlich von mehr als 4000 Teilnehmern.

Eltern mit ihren Kindern, aber auch Bündnisse wie „Köln stellt sich quer“ und „Omas gegen Rechts“ sind dem Aufruf gefolgt. Und auch die Kölschen Bands Planschemalöör und Kasalla schlossen sich dem Aufruf an und sorgen mit Konzerten für noch mehr Aufmerksamkeit. Ursprünglich angemeldet zu der Demo waren rund 500 Personen.

Kölner Bands Kasalla und Planschemalöör treten bei Demo auf

Die Straße vor dem Gebäudekomplex ist voller Menschen. Auch auf den Balkonen ringsherum stehen Menschen mit selbstgebastelten Plakaten und jubeln der Menge zu. Die Polizei schirmt das Gymnasium mit einem Großaufgebot und Absperrgittern ab. Davor versammeln sich Gegendemonstranten mit Plakaten und Trillerpfeifen, die jeden Teilnehmer des Parteitags auspfeifen, der sich vor das Gebäude wagt.

Menschen mit Plakaten und Schriftzügen wie „Demokratie ohne Haken“, oder „Rote Karte für die AfD“ demonstrieren in Köln.

Zur Demo hatten Schüler und Eltern des Gymnasiums aufgerufen.

„Vor ein paar Wochen haben wir eine schulinterne Wahl abgehalten“, erzählt die 16-jährige Lilly, stellvertretende Schülersprecherin des Gymnasiums, auf der Bühne. „Nicht mal ein Prozent hat die AfD gewählt. Unsere Schule teilt die Werte dieser Partei nicht. Deswegen hätten wir uns gewünscht, dass Frau Reker (Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Anmerkung der Redaktion) wenigstens versucht hätte, diesen Parteitag zu verhindern. Das wäre ein wichtiges Zeichen gewesen.“ Und ihr Klassenkamerad Max ergänzt: „Dafür tun wir jetzt unser Bestes, um der AfD ihren Parteitag mit möglichst viel Lärm zu versauen!“

Eigentlich wollten die Schulgemeinschaft mit einem offenen Brief und einer Petition verhindern, dass der Parteitag überhaupt in dem Gymnasium stattfindet. Mehr als 12.000 Personen haben den Aufruf unterschieben.

Doch die Stadt hatte erklärt, sie sei bei der Vergabe von städtischen Räumen an Recht und Gesetz gebunden. Sie berief sich dabei auf Paragraf fünf des Parteiengesetzes: Werde eine Schule für politische Veranstaltungen genutzt, bestehe im Rahmen der Gleichbehandlung ein Anspruch auf Zugang zu dieser Einrichtung. In diesen Fällen stehe der Verwaltung kein Ermessen zu.

Auch Kasalla treten bei der Demo gegen AfD-Kreisparteitag in Köln auf.

Auch Kasalla treten bei der Demo gegen AfD-Kreisparteitag in Köln auf.

Bastian Campmann, Sänger von Kasalla, sagt vor dem Auftritt der Band: „Rechtlich darf die AfD zwar in die Räumlichkeiten, das, finden wir, ist sowieso schon ein Problem. Aber wir haben auch das Recht, laut zu sein und zu sagen, dass wir mit allem, was diese Partei vorhat, nicht übereinstimmen. Deswegen ist es schön, dass heute so viele Leute gekommen sind.“

Kölner AfD-Sprecher berichtet von Farbangriff

Während Kasalla ihr Konzert spielt und die Demonstration ihren Höhepunkt erreicht, blockieren linksautonome Demonstranten auf der anderen Seite der Kundgebung den schmalen Eingang zur Schule zwischen den Absperrgittern mit einer Sitzblockade. Weitere Demonstranten skandieren vor der Szenerie unter anderem „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“.

Menschen in Köln-Widdersdorf protestieren mit Fahnen und Plakaten gegen die AfD.

Menschen in Köln-Widdersdorf protestieren mit Fahnen und Plakaten gegen die AfD.

Tatsächlich scheint die Demonstration ihre Wirkung nicht zu verfehlen. „Die Demonstration, vor allem die Blockade, hat für massive Verzögerungen unseres Parteitages gesorgt“, sagte AfD-Parteisprecher Christer Cremer. „Es ist unser Recht, hier unseren Parteitag abzuhalten. Deswegen habe ich für diesen Protest kein Verständnis.“

Schülerinnen halten ein Schild hoch mit einem Schriftzug, der die AfD auffordert, in ihren Geschichtsunterricht zu kommen und etwas zu lernen.

Schülerinnen und Schüler aus der siebten Klasse rufen die AfD auf, in ihrem Geschichtsunterricht etwas zu lernen.

Im Vorfeld des Parteitages sei es außerdem zu einem Farbangriff auf sein Wohnhaus gekommen. Entsprechende Bilder liegen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor. Darauf zu sehen ist der Schriftzug „Cremer Nazi“ in roter Schrift an einer Häuserwand. Anzeige hat Cremer laut eigener Aussage bisher noch nicht erstattet, das werde er kommende Woche tun.

In Widdersdorf bleibt es mit Ausnahme kleinerer Zwischenfälle friedlich, wie ein Polizeisprecher bestätigt. Als die letzten Teilnehmer des Parteitags von der Polizei abgeschirmt zur Schule ziehen, kommt es zu Rangeleien zwischen Polizisten und Demonstranten. Nachdem Kasalla ihr Konzert beendet hatte und es gegen 13.30 Uhr zu regnen begonnen hat, machen sich aber auch die letzten Demonstranten auf den Heimweg. Der AfD-Parteitag in der Schule ist zu diesem Zeitpunkt noch im Gange.