Bastian Campmann über Trauer und Tod in Karnevalssongs, das Lied „Ne Jode“, den Start in die Session und das geplante Band-Brauhaus.
Kasalla-Sänger Basti Campmann„Wir sind die Band für den morbiden Anteil des Frohsinns“

Kasalla-Sänger Basti Campmann
Copyright: Chris Hedel
So kurz nach dem 11.11: Wie fühlte sich das allererste Karnevalskonzert der Session an?
Als würde man plötzlich in ein Parallel-Universum springen. Gefühlt kommt man gerade vom letzten Sonnenstich und hat schon den ersten Glühwein bestellt. Das ist definitiv anspruchsvoller als im Januar, wenn man mit einem ganz anderen Mindset reinkommt. Obwohl der 11.11. jedes Jahr am gleichen Tag passiert, denkt man trotzdem jedes Jahr aufs Neue: Krass, jetzt ist er wieder da. Wir nutzen den Tag häufig als Warm-up: Man gibt natürlich schon alles auf der Bühne, aber probiert noch aus, spielt die neuen Lieder ein.
Schon vor dem 11.11. waren viele Karnevalisten unterwegs. Wird diese Zeitmarke zunehmend gerissen?
Außerhalb der Stadtgrenze auf jeden Fall. Ganz viele Vereine im Bergischen oder an der Sieg machen schon vor dem 11.11. Feiern, weil sie sich nicht an die Kölner Vorgaben halten müssen und weil es für sie in der Zeit einfacher ist, die Karnevalskräfte aus Köln zu sich zu locken, die danach ausgebucht sind. Das geht teilweise schon am 20. Oktober los. Wir hatten am Wochenende vor dem 11.11. unseren ersten Auftritt.
Gibt es ein bestimmtes Lied, das Sie sofort in Stimmung bringt?
„Denn wenn et Trömmelche jeit“ ist schon der ultimative Aufruf, sich zu versammeln und ein Garant für Stimmung. Das höre ich besonders gerne im Stadion, weil der FC dann ein Tor geschossen hat.
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Sie dürfen auch gerne eins von Kasalla nennen.
Wir fangen oft mit „Alle Jläser huh“ an. Wenn Nils dann in die Bass Drum tritt, haut das schon rein.
Sie haben nur wenige Lieder Zeit, um das Publikum in den Sälen in Stimmung bringen. Wie schnell merkt man, ob es ein schwerer oder leichter Auftritt wird?
Man muss sich anpassen. Sonntags um 13 Uhr auf einer Herrensitzung zu spielen oder auf einer Mädchensitzung um 17 Uhr oder nachts um 0.50 Uhr auf einer Firmensitzung: Das Publikum muss man immer ein bisschen anders anpacken. Das merkt man nach ein, zwei Songs. Wir sind in der sehr dankbaren Situation, dass wir immer zwei, drei Songs haben, wo wir wissen: Da wird schon was passieren. Das ist für neuere Bands sicher schwieriger, weil man diese ein bis zwei Register nicht hat, um den Saal anzuzünden.

Auf der Aachener Straße in Köln soll das Brauhaus Marie & Johann entstehen: Basti Campmann (v.l.n.r.), Flo Peil, Kim Gerstenberg, Till Riekenbrauk, Ena Schwiers, Nils Plum, Sebi Wagner.
Copyright: Chris Hedel
Welches Publikum ist das Schwierigste?
Bei klassischen Herrensitzungen kommt es vor, dass die Jungs einfach nur da sind, um Bier zu trinken und nicht, um eine Band zu feiern. Das finde ich absolut legitim. Manche Kolleginnen und Kollegen spielen bei Herrensitzungen darum nicht mehr, weil es anstrengender ist. Aber ich mag solche Herausforderungen.
Je betrunkener die Menschen, desto besser die Stimmung?
Kann man so nicht sagen. Wenn wir ganz am Anfang spielen, ist es manchmal schwerer, aber das liegt dann nicht daran, dass die Leute noch nichts getrunken haben. Wenn man gerade erst die Jacke zur Garderobe gebracht, kann man nicht direkt „Schalala“ singen.
Gibt es eine Band, hinter der niemand auftreten möchte?
Es gab definitiv zwei oder drei Jahre, wo niemand hinter Querbeat spielen wollte, die aber ja jetzt freundlicherweise national Karriere gemacht haben. Die haben so eine unglaubliche Energie in die Säle gepumpt, dass man es als Band, die auch über Energie kommt, etwas schwerer hat. Man kann nicht noch einen draufsetzen, wenn alles schon in Flammen steht.
Gibt es fünf Telefonnummern, die Kasalla anrufen kann, wenn einer krank wird?
Vier.
Wer ist unersetzlich?
Wenn ich krank wäre, würde Flo für mich übernehmen. Der hat die meisten Songs mitgeschrieben oder selbst geschrieben. Das ist bis jetzt aber so noch nie passiert. Ich war nur einmal krank, da hatten aber alle von uns zwei Wochen lang Corona. Ansonsten habe ich krankheitsbedingt noch keinen Auftritt verpasst.
Jedes Mal, wenn ich das Lied singe, kommt alles wieder hoch: Ich weiß noch genau, wie viel Uhr es war, als der Anruf mit der Nachricht kam, welche Sätze es waren
Wer wäre Ihr Lieblings-Ersatz?
Wenn Dave Grohl (Ex-Nirvana-Mitglied, heute Foo Fighters-Sänger) mal eine Session singen würde: Das fände ich ziemlich geil.
Die neue Kasalla-Ballade „Ne Jode“ handelt von Ihrem Tontechniker Thomas „Tom“ Korth, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Im Schwarz-Weiß-Video sieht man die Band bei der Aufnahme des Songs weinen. War das Lied eine Therapie?
Ich denke schon, auch wenn das natürlich nicht der Zweck des Lieds ist. Flo hat sich einen Tag später, nachdem wir von dem Unfall erfahren haben, ans Klavier gesetzt, und es floss einfach aus ihm heraus. Dadurch ist der Moment, indem wir von seinem Tod erfahren haben, in das Lied reingegossen. Jedes Mal, wenn ich das Lied singe, kommt alles wieder hoch: Ich weiß noch genau, wie viel Uhr es war, als der Anruf mit der Nachricht kam, welche Sätze es waren. Die Therapie läuft also noch.
„Ey verdamp Du Arsch, mir werde dich vermisse“: Diese Songzeile fällt auf, sie scheint zwischen Trauer und Wut zu schwanken.
Wir haben nicht darüber nachgedacht, dass das jemand außerhalb des Band-Universums falsch verstehen könnte. Wir sind einfach sehr hemdsärmelig miteinander umgegangen. Und es gibt bei aller Trauer ja auch dieses Gefühl: Was fällt dir ein, früher Feierabend zu machen und uns zu verlassen? Das hat doch niemand abgesegnet. Diese Session wird für uns emotional, weil wir an die Plätze fahren, wo Tom dabei war. Er hat den Karneval geliebt und gelebt. Er war unser Bindeglied zum alten Karneval, wo auch mein Vater herkam. Tom kannte jeden Saal, jede Security, jede Klofrau. Wir werden viele Menschen treffen, die uns auf ihn ansprechen, weil sie ihn persönlich kannten. Das ist schön, aber wird uns auch sehr mitnehmen.
In dem Lied „Bunte Hungk“, das Sie Ihrem verstorbenen Vater gewidmet haben, singen Sie darüber, dass Sie im Karneval auch oft auf ihn angesprochen werden, weil viele ihn als Gitarrist der Räuber kannten – und das schön und schmerzlich zugleich ist.
Stimmt genau. Die Umstände von Toms Tod haben mich sehr an den Verlust von meinem Papa erinnert, der auch sehr plötzlich und unerwartet gestorben ist und wo ebenfalls viele Menschen aus dem Karneval Anteil genommen haben. Das hat mich noch mal ein bisschen dahin zurückversetzt.
Werden Sie „Ne Jode“ live spielen oder fürchten Sie, dabei jedes Mal in Tränen auszubrechen?
Wir werden ihn natürlich nicht im Karneval spielen, aber auf unseren Jahresabschluss-Konzerten zum Beispiel schon. Da können wir uns auch erlauben, Emotionen zu zeigen. Das nimmt unser Publikum nicht übel. Wahrscheinlich wird es irgendwann so sein, dass man die Tränen noch fühlt, sie aber nicht mehr rauskommen.
Kasalla hat viele Songs, die sich mit Abschied und Tod beschäftigen.
Das ist uns letztens auch aufgefallen. Wir sind die Band für den morbiden Anteil des Frohsinns. Man kann vom Karneval das Bild haben, dass Menschen einfach nur feiern, ohne nachzudenken. Aber das ist nie der Sinn ursprünglichen Karnevals gewesen. Zum Leben gehört der Tod dazu. Darum haben wir uns da nie Leitplanken gegeben.

Basti Campmann
Copyright: Dirk Borm
Im neuesten Kasalla-Song „Adios Amigos“ vergeht einem bei näherem Hinhören die Partylaune. Schon die erste Zeile ist düster: „Wir haben das letzte Level durchgespielt, die Karre ballert vor die Wand.“
Die Idee zu dem Song hat Flo eingebracht, und uns allen war schnell klar, dass wir den Spirit gut gefunden haben. In manchen Zeiten bleibt einem nichts anderes übrig. Wir haben schon optimistische Songs voller Hoffnung geschrieben, aber derzeit sind wir in einer anderen Phase. Die Zeile „Der Deckel geht auf uns“ soll implizieren, dass wir uns die Situation, in der sich die Welt gerade befindet, selbst zuzuschreiben haben. Wir haben es nicht anders verdient.
Immerhin das Video wirkt so, als hätte Kasalla viel Spaß gehabt beim Dreh.
Definitiv. In dem Video sieht es so aus, als würden wir alle schon ein paar Tage feiern, weil wir wissen, dass es zu Ende geht. Als der letzte Tag dann kommt, machen wir uns nochmal richtig schick, Sebi durfte ein Hochzeitkleid tragen. Dann zelebrieren wir ein letztes Dinner. Dabei haben wir uns bemüht, ein paar Kleinigkeiten ins Video zu schmuggeln, die kein Mensch draußen mitbekommt, Hihihi-Momente für uns selbst. Jeder durfte sich aussuchen, was er an seinem letzten Abend essen würde, das Essen haben wir vor Ort gekocht.
Am Ende verbeugt sich die Band vor einem brennenden Köln, die Kranhäuser und der Dom stehen in Flammen. Es folgen Fotos, die eine überwucherte Köln-Arena und eine verwaiste, zerstörte Stadt zeigen. Früher fand man Katastrophenfilme immer wohlig…
…heute nicht mehr so sehr, geht mir auch so. Ich finde es auch krass, dass seit einigen Jahren Szenarien in Sachen Krieg oder Klimawandel nicht mehr ausgeschlossen sind, von denen man vor zehn Jahren gesagt hat: Das wird niemals passieren.
Wie groß ist der Druck, jedes Jahr ein richtig gutes Lied rauszubringen, weil die eigene und die Messlatte der Fans immer höher liegt?
Der Druck ist definitiv da. Aber wir haben es in den vergangenen drei, vier Jahren geschafft, uns etwas davon zu befreien. Es ist unmöglich, jedes Jahr einen Brecher abzuliefern. Die letzten Jahre hatten wir viel Glück, wenn wir das mal an unseren Erfolg bei „Loss mer singe“ messen. Natürlich hat es eine Newcomer-Band immer noch schwerer, dort erfolgreich zu sein. Aber am Ende des Tages muss unser Song trotzdem gut sein, das ist kein Selbstläufer.
Kasalla wird 2026 15 Jahre alt – es wird dekadent gefeiert mit gleich zwei Konzerten in der Lanxess Arena. Hat man da spontan mal Sorge: Was ist, wenn niemand kommt?
Das ist natürlich eine Herausforderung, weil sich die Veranstaltungsbranche ändert. Aber nach unserem Stadionkonzert zum Zehnjährigen würde ich sagen: Der Plan für 2026 ist ambitioniert, aber nicht größenwahnsinnig.
Zu welchem der beiden Abende sollte man denn kommen?
Wir werden an beiden Abenden 110 Prozent geben. Zweimal vor 14.000 Menschen spielen, das bleibt auch nach 15 Jahren ein unfassbares Geschenk. Da will man alles zurückgeben.
Gibt es einen Song, der Ihnen total am Herzen liegt, es aber nie so richtig geschafft hat beim Publikum?
Ich liebe den Song „Der Fluss“, diese Perspektive vom Rhein, dem alles scheißegal ist, was wir hier so machen. Der führt eher ein Liebhaber-Dasein, was aber auch völlig in Ordnung ist.
Kasalla bringt 2026 auch ein neues Album heraus „Trone & Konfetti“. Wofür stehen die Tränen?
Das sind Freudentränen, aber auch die Tränen, die wir geweint haben, weil Dinge nicht funktioniert haben oder weil wir Verluste erlitten haben, so wie jetzt mit Tom. Es gab viele Emotionen in den 15 Jahren. Die Platte wird kurz vor den beiden Konzerten in der Lanxess-Arena im Herbst rauskommen.
Kasalla hatte die Eröffnung eines Brauhauses auf der Aachener Straße für Ende 2025 angekündigt. Wie das so ist mit Eröffnungen in Köln: Dieser Termin wird nicht halten. Wann ist es denn jetzt wirklich so weit?
Ohne mich jetzt in die Nesseln zu setzen: Wir werden definitiv vor der Oper eröffnen. Es wird März 2026. Die Arbeiten laufen jetzt sehr gut, aber es gab einige Dinge, die sehr lange gedauert haben. Ich will jetzt nicht alles aufs Bauamt schieben…
… aber auf die Stadtverwaltung schon?
Auch das nicht. Aber es gab bei der Planung einige Dinge, wo wir den Kostenapparat unterschätzt haben. Ich will niemanden langweilen mit Baudetails, aber dass die Belüftung so aufwendig wird, haben wir nicht kommen sehen. Da sprachen wir dann plötzlich über Summen, die uns die Schuhe ausgezogen haben. Aber unser wundervolles Team hat das jetzt alles auf die Schiene gesetzt.
Gab es Momente, wo Sie dachten: Hätten wir es doch besser gelassen?
Das nicht, aber ein „Hui“ kam schonmal auf den Kopf. Da war der Geschäftskredit aber schon aufgenommen, dann mussten wir weitermachen.
Würden Sie was taugen als Wirt hinter der Theke?
Ich kann schlechte Witze erzählen, aber ich kann nicht gut Bier zapfen. Ich habe in der Kneipe meines Vaters im „Söckchen“ in der Altstadt lange Jahre gekellnert und durfte nachher nicht mehr zapfen, weil da immer halb Schaum, halb Bier rauskam. Aber ich verspreche hiermit, dass ich nicht hinter der Theke stehen werde. Höchstens bringe ich mal Essen raus.
Das Wirtshaus soll „Seele“ haben. Was soll es unterscheiden von anderen?
Das mit der Seele hört sich vielleicht etwas nach Rosemunde Pilcher an. Aber wir haben wirklich jede Fliesenfarbe ausgesucht. Es werden nicht überall rote Chucks hängen und unsere getragenen Hemden, aber es soll subtil schon klar werden, dass das unser Laden ist - obwohl sich auch Menschen wohlfühlen dürfen, die unsere Musik Kacke finden. Es soll einfach ein schönes Brauhaus mit Kölsch und leckerem Essen sein. Wir werden auf jeden Fall häufiger da sein. Es soll unsere zweite Heimat werden.
Kasalla feiert 15 Jahre Bandgeschichte mit zwei Arena-Konzerten am 16. und 17. Oktober 2026 in der Lanxess Arena Köln. Tickets gibt es hier.


